17. Makarius der Ägypter.1
S. 347 Über die beiden hochberühmten Männer, deren jeder Makarius hieß, erfuhr ich viel Merkwürdiges, aber wenig Zuverlässiges, so daß ich Bedenken trage mündlich oder schriftlich davon Mitteilung zu machen, denn ich möchte keineswegs in Verdacht geraten, ein Lügner zu sein; lehrt doch der Heilige Geist: "Alle, die Lüge reden, vernichtet der Herr".2 Weil ich also nicht lügen will, darfst Du mir trauen, treuester Freund!
Von diesen beiden Trägern des Namens Makarius war einer aus Ägypten; der andere war ein Alexandriner und verkaufte Naschwerk.
Zuvor will ich von dem Ägypter berichten, der im ganzen neunzig Jahre lebte; sechzig hat er in der Wüste zugebracht, wohin er sich mit dreißig zurückzog. Er besaß einen solchen Grad von Urteilskraft und Verstandesreife, daß man ihn den jungen Greis zu nennen pflegte. Vermöge dieser Eigenschaft schritt er in kürzester Zeit so gewaltig voran auf dem Wege der Vollkommenheit, daß er schon im Alter von vierzig Jahren Macht über die bösen Geister bekam, ebenso die Gabe der Krankenheilung und der Weissagung. Er stand in so großem Ansehen, daß er zum Priester geweiht wurde.
Er wohnte tief in der sketischen Wüste und hatte zwei Schüler, von denen der eine zugleich sein Diener und beständig um ihn war wegen der vielen Leute, die kamen, um geheilt zu werden. Der andere hatte gleich in der Nähe seine Zelle. Zu seinem Diener, der Johannes hieß und später an des Makarius Statt Priester wurde, sagte dieser einmal prophetischen Geistes: "Höre mich, Bruder Johannes, und vergiß meine Mahnung nicht! Du wirst in Versuchung fallen; der Teufel der Habsucht wird dich quälen. So hab' ich es gesehen und ich weiß: wenn du mir gehorchest, wirst du wachsen an Tugend hier an dieser Stätte und glückselig gepriesen werden und keine Geißel wird sich deinem Zelte nahen.3 Achtest du S. 348 dagegen meine Worte nicht, so wird dich das Ende Giezis4 ereilen, mit dem du dieselbe Leidenschaft gemein hast." Fünfzehn bis zwanzig Jahre nach des Makarius Tode begab es sich, daß Johannes seine Warnung außer acht ließ und die Armen um das Almosen betrog. Da befiel ihn so heftiger Aussatz, daß er am ganzen Leibe kein heiles Fleckchen mehr hatte, worauf man nur mit dem Finger hätte hintupfen können. So zeigte sich, daß Makarius ein Prophet war.
Von seiner Mäßigkeit zu reden ist überflüssig, sind ja nicht einmal lässige Mönche der Völlerei und Leckerhaftigkeit ergeben in jener Gegend, wo Mangel an Lebensmitteln und großer Eifer im Guten zu finden ist. Doch etwas anderes muß ich erwähnen von seiner Frömmigkeit. Man sagt, er sei fortwährend in Verzückung gewesen und mehr bei Gott als in der Welt. Auch folgende Wundertaten werden von ihm berichtet:
Ein ägyptischer Mann verliebte sich in ein vornehmes Weib, die Gattin eines andern. Weil es ihm nicht gelang, sie zu verführen, ging er zu einem Zauberer und sagte: "Zwinge sie, mich zu lieben, oder bewirke, daß ihr Mann sie verstoße!" Der Zauberer ließ sich in angemessener Weise bezahlen, wandte sein Mittel an und erreichte, daß sie das Aussehen eines Pferdes erhielt.5 Ihr Gatte, der eben von einer Reise zurückkam, war nicht wenig erstaunt, eine Stute zu finden in seinem Bette. Ratlos fing er zu klagen und weinen an, redete dem Tiere zu, doch gab es ihm nicht Antwort. Dann rief er die Priester des Ortes, doch niemand wußte Bescheid. Drei Tage lang genoß sie weder Heu nach Stutenart noch Brot nach Menschenweise, sondern blieb S. 349 ohne Nahrung. Damit aber Gott verherrlicht und die Tugend des heiligen Makarius offenbar wurde, kam zuletzt dem Manne der Gedanke, sie nach der Wüste zu führen. Nachdem er sie gleich einem wirklichen Pferde gezäumt hatte, zog er sie fort. Als sie nun hinkamen, umstanden eben die Brüder des Makarius Zelle. Sie zankten ihn und sagten: "Was führst du diese Stute her?" Der Mann sagte: "Damit sie Barmherzigkeit finde." Sie fragten: "Was fehlt ihr denn?" Er sagte: "Sie war mein Weib und ward in ein Pferd verwandelt und heut' ist schon der dritte Tag, daß sie keine Nahrung nimmt." Da brachte man sie vor den Heiligen, der in seiner Zelle war und betete; denn ihm war die Sache schon offenbart worden und er betete für sie. Makarius sagte zu den Brüdern: "Ihr seid Pferde, denn Augen habt ihr wie Pferde. Sie ist ja ein Weib und ist gar nicht verwandelt; so scheint sie nur jenen, die sich täuschen lassen." Und er segnete Wasser, goß ihr es unter Gebet auf den Scheitel und bewirkte dadurch, daß sie sofort allen wieder ein Weib schien. Er ließ ihr dann Speise geben, die sie genoß, und entließ sie zugleich mit ihrem Gatten und beide lobten Gott. Auch gab er dem Weibe die Mahnung mit: "Bleibe niemals der Kirche fern und versäume nicht an den Geheimnissen teilzunehmen; denn das ist dir zugestoßen, weil du fünf Wochen ferne bliebest."
Um sich abzutöten, tat Makarius auch folgendes: Lange Zeit hindurch war er damit beschäftigt, von seiner Zelle weg einen unterirdischen Gang von der Länge eines halben Stadiums und an dessen Ende eine Höhle zu graben. Wenn ihm die Besucher lästig fielen, ging er heimlich aus seiner Zelle nach der Höhle, so daß ihn niemand finden konnte. Wie einer von seinen treuergebenen Schülern uns erzählte, sprach er hin und zurück jedesmal vierundzwanzig Gebete.
Es ging das Gerücht, er habe einen Toten auferweckt, um einen Irrlehrer zu widerlegen, der die Auferstehung des Fleisches leugnete. Und dies Gerücht griff weit um sich in der Wüste.
Eine Mutter brachte wehklagend ihren besessenen Sohn, den zwei junge Männer gefesselt führten. Und S. 350 solche Gewalt hatte der Teufel: wenn der junge Mensch drei Maße6 Brot aß und einen großen7 Krug voll Wasser trank, brach er es wieder und alles Genossene war zu Dampf geworden, als ob es am Feuer gestanden hätte. Gibt es doch eine Sorte von bösen Geistern, die Feuerteufel genannt sind; denn gleichwie die Menschen zwar nicht an Wesen, aber an Einsicht verschieden sind, ebenso die Teufel. Jener Jüngling wurde nicht einmal satt mit allem, was die Mutter ihm reichte, sondern aß sogar den eigenen Kot und oftmals trank er den eigenen Harn. Da nun das Weib den Heiligen unter Tränen um Hilfe bat, nahm er ihn zu sich und begann voll Inbrunst für ihn zu beten. Als nach einem oder zwei Tagen das Leiden allmählich nachließ, fragte sie Makarius: "Wieviel willst du, daß er essen soll?" Sie sagte: "Zehn Pfund Brot".8 Er meinte tadelnd, das sei zu viel. Nachdem er sieben Tage lang gebetet und gefastet hatte, befahl er ihm, täglich drei Pfund zu essen und zu arbeiten. So geheilt übergab er ihn seiner Mutter.
Auch dieses Wunder hat Gott durch den wunderbaren Makarius gewirkt. Ich selber traf nicht zusammen mit ihm, denn er war, als ich in die Wüste kam, vor Jahresfrist entschlafen.
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Dieser heilige M., der Ältere oder Große genannt, ABt in der sketischen Wüste, gest. vor 390 im 90. Jahr seines Lebens. ↩
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Vgl. Ps 5,7. ↩
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Ps 91,10. ↩
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Giezi, der Diener des Propheten Elisäus, wurde zur Strafe für seinen Geiz mit dem Aussatze geschlagen. 4 Kön 5,20-27. ↩
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Andere Lesart: "…daß sie schwanger schien." Es handelt sich hier um zwei fast gleichlautende Wörter: (xxx) trächtig und (xxx) die Stute. Sollte nicht die orientalische Phantasie an das erste Wort durch ein Mißverständnis das haarsträubende Roßmärchen geknüpft und es ausgesponnen haben? Auch der Begriff des Geilen im Wort Stute könnte dann im Spiel gewesen sein. Daß Weiterbildungen stattfanden, erhellt wohl z.B. aus den Varianten zu Kap. 18 und Kap. 62. ↩
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1Maß 0 Modus (Getreidemaß) = 8,73 l = 16 sextarii (Sester). ↩
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Im Urtext "einen kilikischen Krug". Mit dem Begriffe kilikisch verbindet sich jener der Größe; z.B. sind kilikische Brote = große Brote. ↩
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Das röm. Pfd. = 327 g. ↩