31. Piamun.
S. 380 Es war eine Jungfrau, namens Piamun, die all ihre Lebensjahre bei der eigenen Mutter blieb, Leinwand spann und jeden zweiten Abend Speise genoß. Diese ward prophetischer Gabe gewürdigt. Nun traf es sich, daß zur Zeit der Nilschwelle die Bewohner eines Dorfes die des andern überfallen wollten. Um den Wasseranteil wird nämlich in Ägypten so gestritten, daß man sich zuweilen blutig schlägt oder tötet. Ein stärkeres Dorf also wollte den Heimatort Piamuns überfallen und in großer Anzahl brachen die Männer auf, mit Spießen und Keulen bewaffnet. Da trat ein Engel zu Piamun und offenbarte den schlimmen Anschlag der Feinde. Sie ließ sogleich die Priester des Ortes rufen und sprach: "Eilet hinaus und entgegen der Rotte, die von jenem Dorfe gegen uns auszieht, sonst geht ihr samt dem Dorfe zugrunde; bittet sie, vom Kampfe zu lassen!" Die Priester jedoch gerieten in Angst und baten fußfällig: "Wir wagen es nicht, uns ihnen entgegenzustellen, denn wir kennen ihre sinnlose Wut. Wenn du barmherzig sein willst gegen das ganze Dorf und dein eigenes Haus, dann geh' ihnen selber entgegen!" Diesem Vorschlag stimmte sie nicht bei, sondern stieg in ihr kleines Gemach hinauf und verharrte die Nacht hindurch - ohne nur ein Knie zu beugen1 - unablässig im Gebete und flehte zu Gott: "Herr, Du Richter dieser Welt, der am Unrecht kein Gefallen findet, laß mein Gebet zu Dir kommen und banne sie fest an der Stelle, wo sie gerade sind!" Da wurden sie zur ersten Stunde, drei Meilen weit vom Dorfe, gleichsam festgenagelt, so daß sie nicht vorwärts konnten. Auch ward ihnen offenbart, daß sie durch das Gebet jener Jungfrau verhindert wurden. Sie sandten in das Dorf, baten um Frieden und ließen melden: "Danket S. 381 Gott und den Gebeten Piamuns, denn sie haben uns aufgehalten."
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Das Stehen beim Gebet scheint ursprünglich allgemein Sitte gewesen zu sein. (Vgl. die Oranten!) Nach Tertullian (de or. c. 23) war man darüber in den einzelnen Kirchen uneins, ob man auch am Samstag stehen sollte bei Gebete, nicht nur am Sonntag. An den Sonntagen und Freudenfesten soll man nach ihm stehen, sonst aber knieen. Im Orient scheint man also noch im 4. Jhdt. verschiedene Meinung darüber gehegt zu haben. ↩