69. Die gefallene Nonne.
S. 436 Drei Jungfrauen führten zusammen ein strenges Leben neun bis zehn Jahre lang. Eine davon wurde verführt durch einen Psalmensänger, pflog unzüchtigen Verkehr und gebar. Nun überkam sie großer Abscheu vor dem, der sie zum Falle gebracht, und so tiefe Reue, daß sie freiwillig verhungern wollte. Sie betete: „Großer Gott, der die Missetaten aller Menschen trägt und nicht den Tod des Sünders1 will noch den Untergang des Fehlenden! Willst du, daß ich gerettet werde, dann erweise mir deine Wundermacht und nimm hinweg aus dieser Welt die Frucht meiner Sünde, der ich das Leben gab; sonst muß ich zum Stricke greifen oder mich irgendwo herunterstürzen.“
Ihre Bitte fand Erhörung, denn bald darauf starb das Kind. Seit jenem Tage wandte sie dem Manne, der sie zur Sklavin seiner Lust gemacht, den Rücken, befliß sich ungemein harter Abtötung, diente dreißig Jahre lang den Kranken und Krüppeln und erwarb in solchem Maße Gottes Gnade, daß er einem aus den heiligen Priestern offenbarte: „Diese hat mir in der Buße besser gefallen als in der Jungfrauschaft.“
Das hab' ich aufgezeichnet, damit wir niemand verachten, der wahre Buße tut.
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Vgl. Ez 33,11. ↩