16. Unterredung des Kaisers Konstantius mit dem römischen Bischof Liberius
Der Kaiser Konstantius sagte: „Da du ein Christ bist und der Bischof unserer Stadt, so hätten wir es für billig gehalten, daß du dem ruchlosen Wahnsinn des unseligen Athanasius die Gemeinschaft aufkündigest, und wir haben dich rufen lassen, um dir dieses dringend ans Herz zu legen. Denn der ganze Erdkreis hat entschieden, daß dieses am Platze sei, und hat ihn durch gemeinsamen Beschluß als nicht mehr zur kirchlichen Gemeinschaft gehörig erklärt.“
Der Bischof Liberius sagte: „O Kaiser! Die kirchlichen Urteile müssen mit sorgfältiger Gerechtigkeit gefällt werden. Wenn es daher deinem frommen Sinn gefällt, so befiehl, daß ein Gericht zusammengesetzt werde; und wenn alsdann Athanasius der Verurteilung würdig erscheinen sollte, dann soll das Urteil gegen ihn nach den Normen des kirchlichen Prozeßverfahrens gefällt werden; denn es geht nicht an, einen Mann zu verurteilen, über den wir nicht (ordnungsgemäß) Gericht gehalten haben.“
S. 126 Der Kaiser Konstantius sagte: „Der ganze Erdkreis hat über seine Ruchlosigkeit geurteilt, aber wie von Anfang an spottet er nur über die öffentliche Meinung.“
Der Bischof Liberius sagte: „Alle, die unterschrieben haben, waren nicht Augenzeugen des Geschehenen, sondern sie unterzeichneten nur aus Rücksicht auf Ehre, aus Furcht und aus Angst vor deiner Ungnade.“
Der Kaiser: „Was soll mit Ehre, Furcht und Ungnade gesagt sein?“
Liberius: „Alle, welche die Ehre vor Gott nicht achten, haben deine Ehrenbezeigungen höher geschätzt und deshalb denjenigen, den sie mit eigenen Augen gar nicht sahen, ohne ordentliches gerichtliches Verfahren verurteilt, was bei Christen nicht vorkommen sollte.“
Der Kaiser: „Er ist aber doch in seiner Gegenwart gerichtet worden auf der Synode zu Tyrus, und alle Bischöfe des Erdkreises haben auf dieser Synode ihn verurteilt.“
Liberius: „Er ist noch niemals in seiner Gegenwart gerichtet worden. Denn alle, die damals sich eingefunden und ihn verurteilt haben, haben diese Verurteilung erst ausgesprochen, nachdem Athanasius aus dem Gerichtssaal sich entfernt hatte.“
Der Eunuch Eusebius sagte: „Auf der Synode zu Nizäa wurde ihm nachgewiesen, daß er vom katholischen Glauben abgewichen sei1.“
Liberius: „Nur fünf von den Bischöfen, welche mit ihm2 in die Mareotis gesegelt waren, haben ihr Urteil S. 127 abgegeben. Man hatte sie dorthin geschickt, um über den Gegenstand der Anklage eine Denkschrift gegen ihn zu verfassen. Von diesen Abgesandten sind zwei bereits gestorben, Theogonius und Theodorus, die übrigen drei sind noch am Leben, nämlich Maris, Valens und Ursacius3. Zu Sardika verlangte man nun von diesen Abgesandten eine Erklärung wegen dieser Angelegenheit. Daraufhin reichten sie auf der Synode eine Schrift ein, worin sie wegen der in der Mareotis gegen Athanasius im Parteiinteresse verfaßten verleumderischen Denkschrift um Verzeihung baten. Diese ihre Schrift haben wir jetzt in unseren Händen4. Mit welchen von diesen S. 128 beiden sollen wir nun, o Kaiser, uns bewegen lassen, Gemeinschaft zu halten, mit denen, die früher den Athanasius verurteilt und später um Verzeihung gebeten haben, oder mit denen, die nun über die eben genannten ein verdammendes Urteil gesprochen haben?“
Der Bischof Epiktetus sagte: „O Kaiser! Nicht um des Glaubens willen und nicht im Interesse der kirchlichen Rechtsprechung führt Liberius heute das Wort, sondern um vor den Senatoren in Rom sich rühmen zu können, daß er den Kaiser mit seiner Beweisführung bekehrt habe.“
Der Kaiser sagte zu Liberius: „Der wievielste Teil des Erdkreises bist du denn, daß du allein einem unseligen Menschen anhängst und den Frieden des Erdkreises und der ganzen Welt störst?“
Liberius: „Wenn ich auch allein bin, so verliert dadurch die Sache des Glaubens nichts an Wert. Denn auch im Alten Bunde fanden sich nur drei, die dem Befehle (des Königs) Widerstand leisteten.“
Der Eunuch Eusebius sagte: „Du machst so unseren Kaiser zum Nabuchodonosor.“
Liberius: „Keineswegs; aber so wie du es machst, verurteilst du grundlos einen Mann, über den wir nicht gerichtet haben. Dagegen verlange ich, daß zuerst eine allgemeine Unterschrift stattfinde zur Bestätigung des nizänischen Glaubensbekenntnisses, dann sollen unsere Brüder aus der Verbannung zurückgerufen und ihren Sitzen wiedergegeben werden, und wenn sich dann zeigen sollte, daß diejenigen, die jetzt Verwirrung in den Kirchen hervorrufen, mit dem apostolischen Glauben übereinstimmen, dann wollen wir alle nach Alexandrien kommen, wo der Angeklagte und die Kläger und der S. 129 Verteidiger der letzteren sich befinden, und miteinander ihre Sache untersuchen und nach allen Seiten hin betrachten.“
Der Bischof Epiktetus sagte: „Aber das ganze öffentliche Fuhrwesen wird nicht genügen für eine solche Wanderung der Bischöfe.“
Liberius: „Die kirchlichen Angelegenheiten bedürfen des öffentlichen Fuhrwesens nicht. Die Kirchen sind aus sich selbst imstande, ihre Bischöfe bis an das Meer zu befördern.“
Der Kaiser: „Was schon rechtskräftig geworden ist, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden; das Urteil der Mehrheit der Bischöfe muß aufrecht erhalten werden. Du allein bist es, der an der Freundschaft jenes ruchlosen Menschen noch festhält.“
Liberius sagte: „Wir haben, o Kaiser, noch niemals gehört, daß ein Richter einen Angeklagten in dessen Abwesenheit der Ruchlosigkeit bezichtigt und so seine persönliche Feindschaft gegen denselben zum Ausdruck gebracht hätte.“
Der Kaiser: „Alle miteinander hat er beleidigt, aber niemand so wie mich. Nicht zufrieden mit dem Untergang meines älteren Bruders, hat er auch nicht aufgehört, den Konstans seligen Andenkens zur Feindschaft gegen uns aufzureizen, nur daß wir das große Drängen des Aufreizenden und Aufgereizten mit noch größerer Sanftmut ertrugen. Kein Erfolg aber gewährt mir solche Befriedigung, nicht einmal der Sieg über Magnentius und Silvanus, wie die Entfernung dieses verruchten Menschen von den kirchlichen Geschäften.“
Liberius: „Wolle, o Kaiser, deine Rachsucht nicht durch die Bischöfe befriedigen! Denn die Hände der Diener der Kirche müssen der Heiligung obliegen. Wenn es dir darum gefällt, so befiehl, daß die Bischöfe auf ihre Sitze zurückgerufen werden. Und wenn sich dann zeigen sollte, daß sie mit dem heutigen Verteidiger des zu Nizäa aufgestellten rechtgläubigen Bekenntnisses übereinstimmen, dann möge man an einem Orte zusammenkommen und für den Frieden der Welt Sorge tragen, damit nicht die Brandmarkung eines Mannes gebilligt wird, der nichts verbrochen hat.“
S. 130 Der Kaiser: „Es handelt sich nur um eine Frage. Ich will dich wieder nach Rom zurückschicken, aber nur, wenn du zuvor mit den Kirchen in Gemeinschaft trittst. So laß dich denn um des Friedens willen erweichen, unterschreibe und kehre zurück nach Rom!“
Liberius: „Ich habe den Brüdern in Rom bereits Lebewohl gesagt. Denn höher stehen die kirchlichen Satzungen als der Aufenthalt in Rom.“
Der Kaiser: „Nun, du hast drei Tage Zeit zur Überlegung; wenn du willst, magst du unterschreiben und nach Rom zurückkehren; wenn nicht, dann magst du darüber nachdenken, an welchen Ort du gebracht werden willst.“
Liberius: „Die Bedenkzeit von drei Tagen wird an meinem Entschluß nichts ändern; schicke mich also, wohin du willst5!“
Als Liberius nach zwei Tagen neuerdings gefragt wurde und seinen Entschluß nicht geändert hatte, gab der Kaiser den Befehl, ihn nach Beröa in Thrazien zu verbannen.
Nachdem Liberius hinausgegangen war, schickte ihm der Kaiser fünfhundert Goldstücke zur Deckung seiner Kosten. Liberius aber sprach zum Überbringer: „Gehe, und gib das Geld dem Kaiser zurück; denn er hat es nötig für seine Soldaten.“ Ebenso schickte ihm die Kaiserin die gleiche Summe. Liberius aber sagte: „Gib auch das dem Kaiser wieder; denn er hat es nötig für die Ausrüstung seiner Soldaten. Sollte aber der Kaiser dessen nicht bedürfen, so möge er es dem Auxentius und Epiktetus geben; denn diese brauchen es.“ Da er also von diesen kein Geld annahm, brachte ihm der Eunuch Eusebius ein anderes. Liberius aber sprach zu ihm: „Du hast die Kirchen des Erdkreises ausgeplündert und willst mir S. 131 wie einem Verurteilten ein Almosen bringen? Gehe und werde zuerst ein Christ!“ Nach drei Tagen nun wurde Liberius, ohne etwas angenommen zu haben, in die Verbannung geschickt.
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Anstatt “Nizäa” ist wahrscheinlich “Tyrus” zu lesen. Denn gegen Athanasius wurde nicht in Nizäa, sondern in Tyrus (und in Sardika) verhandelt. Auch Papst Liberius hat in seiner Erwiderung offenbar die Synode von Tyrus im Auge, wenn er auf die Behauptung des Eunuchen Eusebius, Athanasius sei zu Nizäa der Abweichung vom katholischen Glauben überführt worden, sofort entgegnet, nur fünf von den in die Mareotis gesandten Bischöfen hätten ihr Urteil gegen Athanasius abgegeben. Diese Abgeordneten aber waren von der Synode von Tyrus abgeschickt worden. Vgl. oben I 30, S. 86 unten. Hefele, CG I ², 467. ↩
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Die Angabe des Liberius, daß Athanasius mit dieser Deputation nach der Mareotis gesegelt sei, ist ebenfalls unrichtig. Die von der Synode von Tyrus abgesandte Deputation nahm zwar den Ankläger, den falschen Priester Ischyras, mit sich, der S. 127 angeklagte Priester des Athanasius dagegen, Makarius, der beschuldigt war, anläßlich einer Visitation des hl. Athanasius den Altar des Ischyras umgestürzt und den Kelch desselben zerbrochen zu haben, mußte gefesselt in Tyrus zurückbleiben. Athanasius aber begab sich, nachdem ihm alle Hoffnung auf ein gerechtes Urteil der Synode geschwunden war, noch vor der Rückkehr der Deputation und noch vor seiner Verurteilung klagend zum Kaiser nach Konstantinopel. Vgl. Athanas. Apol. c. Arian. c. 13, bei Migne s. gr. 25 col. 269—272. Vita s. Athan. c. 20, bei Migne 25 Proleg. p. LXXXVI. Hefele CG I ², 467 ff. ↩
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Theogonius war Bischof von Nizäa, Theodorus von Heraklea in Thrazien, Maris von Chalcedon, Valens von Mursa (jetzt Essek) in Pannonien, Ursacius von Singidunum (jetzt Belgrad) in Mösien. Athanasius nennt da, wo er die Deputierten aufzählt, die beiden letzteren ziemlich jung an Alter und an Sitten (νεωτέρους τὴν ἡλικίαν καὶ τὸν τρόπον) [neōterous tēn hēlikian kai ton tropon]”. Apolog. c. Arianos c. 13, bei Migne ser. gr. 25, 269. ↩
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Auch diese Angabe, daß die in die Mareotis gesandten Bischöfe auf der Synode zu Sardika wegen ihrer verleumderischen Denkschrift um Verzeihung gebeten hätten, ist nicht zutreffend. Wohl haben die beiden Hofbischöfe Valens und Ursacius ihre falschen Angaben später zurückgenommen, aber das geschah nicht zu Sardika, sondern auf einer anderen Synode, die 347 wahrscheinlich zu Mailand stattfand. — Die Deputierten hatten ihre Untersuchung in der Mareotis mit leidenschaftlicher Parteilichkeit geführt und demnach auch einen ganz falschen und ungerechten Bericht geliefert, der in Verbindung mit anderen Anschuldigungen die Verurteilung und Absetzung des Athanasius auf der Synode zu Tyrus begründen sollte. Als aber nach der Synode von Sardika (343/44) der Kaiser Konstantius auf Drängen seines Bruders Konstans die Rückkehr des hl. Athanasius aus dem zweiten Exil gestattete und auch sonst sich dem S. 128 Nizänischen Glauben wieder mehr näherte, da hielten es die beiden Hofbischöfe Valens und Ursacius für geraten, auch ihrerseits über Arius das Anathem auszusprechen und in einem Schreiben an den Papst Julius ihre bisherige schlimme Ansicht über Athanasius als irrig zu widerrufen und um Aufnahme in die Kirchengemeinschaft zu bitten. Hefele CG I ², 554, 637 f. Vgl. unten das Schreiben der Synode von Rimini an den Kaiser Konstantius in Kap. 19 dieses Buches S. 136. ↩
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Das Folgende: Als Liberius usw., gehört ohne Zweifel noch zu der von Theodoret übernommenen Aufzeichnung des Dialogs zwischen Konstantius und Liberius. Hierfür spricht die ganze aktenmäßige, knappe Fassung und namentlich auch die wiederholte Wendung: Λιβέριος εἲπεν [Liberios eïpen], wie sie ähnlich in amtlichen Protokollen vorzukommen pflegt und auch bisher in der Mitteilung des Dialogs angewendet wurde neben der noch kürzeren Form der bloßen Nennung des Namens (Λιβέριος, ὁ βασιλεύς) [Liberios, ho basileus. ↩