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Über die Seele. (BKV)
25. Cap. Die Seele tritt nicht erst bei der Geburt des Menschen zu seinem Leibe hinzu, sondern die Erfahrung des gewöhnlichen Lebens sowie die Arzneiwissenschaft beweisen, dass schon die Frucht im Mutterleibe empfindet, also auch lebt und daher ihre Seele hat.
Ich kehre nun zur Veranlassung dieser Abschweifung zurück, um anzugeben, wie die Seelen aus der einzigen ausströmen, wann, wo und auf welche Weise sie entnommen werden. In betreff dieses Gegenstandes liegt nichts daran, ob die Frage von einem Philosophen, einem Häretiker oder dem grossen Haufen aufgeworfen wird. Es liegt den Bekennern der Wahrheit nichts an ihren Gegnern, zumal an so frechen Gegnern, wie zuerst die sind, welche annehmen, die Seele werde nicht im Mutterschoosse empfangen und nicht mit der Bildung des Leibes gefestigt und hervorgebracht, sondern erst nach erfolgter Geburt dem noch leblosen Kinde von aussen eingedrückt. Es werde nämlich der Same durch den Beischlaf in die weiblichen Organe aufgenommen, durch die natürliche Bewegung angemuntert und verdichte sich zur festen1 Fleischessubstanz. Diese werde S. 327 geboren, von der Wärme des Mutterleibes noch dampfend; von seiner Glut befreit, werde sie wie ein glühendes Eisen, das schnell in kaltes Wasser getaucht wird, von der Kälte getroffen, nehme dadurch die seelische Kraft an und gebe Laute von sich. Das behaupten in Gemeinschaft mit Änesidemus die Stoiker und zuweilen Plato selbst, wenn er die sonsthin abwesende und ausserhalb des Mutterschoosses weilende Seele durch das erste Einatmen des geborenen Kindes herbeigeholt sowie sie durch das letzte Ausatmen ausgestossen werden lässt. Wir wollen zusehen, ob er das als seine Ansicht hingestellt hat.2 Von den Ärzten fehlt nicht einmal Hikesius, der immer die Grenzen der Natur und seiner Kunst überschreitet.
Vermutlich war es Scham, was sie hinderte, etwas gutzuheissen, was Meinung der Weiber ist. Von den Weibern schliesslich widerlegt zu werden, ist aber viel schimpflicher, als von ihnen eine Bestätigung zu empfangen! Denn in diesem Punkte gibt es keine geeigneteren Lehrer, Richter und Zeugen als das weibliche Geschlecht. Gebt also Antwort, ihr Mütter, Schwangern und Gebärenden, die Unfruchtbaren aber und die Männer sollen schweigen! Man wünscht zu erfahren, wie sich eure Natur in Wirklichkeit verhalte, man forscht nach zuverlässigen Wahrnehmungen bei euch, ob ihr in eurer Leibesfrucht irgend eine der eurigen fremde, lebhafte Bewegung verspürt, infolge deren es in der Hüftgegend gribbelt, die Weichen erzittern, die ganze Bauchwandung Stösse fühlt und die Stelle der Last sich fortwährend ändert? Gewähren euch diese Bewegungen die sichere Gewissheit und vollkommene Sicherheit, weil ihr alsdann glaubet, das Kind lebe und spiele? Geratet ihr in Furcht, wenn die Unruhe der Frucht aufhört? Besitzt sie in euch bereits Gehör, denn sie schrickt bei ungewohntem Schall zusammen? Verspürt ihr verkehrte Gelüste nach Speisen für die Leibesfrucht? Empfindet ihr für sie Ekel? Teilt ihr euch die Krankheiten gegenseitig einander mit und zwar bis zu dem Grade, dass sie von den Verletzungen, die ihr bekommt, drinnen an denselben Gliedern gezeichnet wird, indem sie den Schaden, der der Mutter geschieht, sich annimmt. Rühren Blässe oder Röte vom Blute her, das Blut wird nicht ohne Leben sein. Ist Gesundheit ein Zuwachs des Lebens, keine Gesundheit wird es ohne Leben geben; wenn Nahrung Appetitlosigkeit, Wachstum, Abnahme, Furcht und Bewegung Lebensthätigkeiten sind, so wird der Leben haben, welcher diese Funktionen ausübt. Wer aufhört, sie zu üben, der hört auf zu leben.
Endlich werden auch Tote geboren. Wie wäre das möglich, wenn nicht auch Lebende geboren würden. Wer ist denn aber tot? Nur wer vorher gelebt hat. Nun aber wird das Kind sogar im Mutterleibe getötet, eine Grausamkeit, die notwendig ist, wenn es beim Heraustreten sich S. 328 querlegend die Geburt hindert. Es würde zum Muttermörder, wenn es nicht stürbe. Daher befindet sich unter den Geräten der Ärzte auch ein Instrument, womit zunächst die geheimen Teile gewaltsam geöffnet werden mit massig drehender Bewegung, ferner das sichelförmige Messer, womit die Glieder im Innern abgeschnitten werden unter banger Erwartung, endlich der stumpfe Haken, womit die böse Materie herausgezogen wird, in gewaltsamer Entbindung. Man hat auch eine Lanzette von Bronze, womit die Tötung selbst vorgenommen wird, ein unsichtbarer Raubmord. Sie führt den Namen Embryotöter3 von ihrer Bestimmung, das Kind zu töten; es ist also denn doch ein lebendes Kind, welches umgebracht wird. Ihrer bedienten sich schon Hippokrates, Asklepiades, Erasistratus, Herophilus, der auch Erwachsene sezierte, und sogar der menschlichere Soranus, in der gewissen Überzeugung, dass ein lebendes Wesen empfangen sei. Sie übten an diesen so unglücklichen Kindern in der Weise Erbarmen, dass sie sie vor der Geburt töteten, damit sie nicht lebend in Fetzen gerissen würden.
Dass dieses Verbrechen geboten sei, daran zweifelte auch Nikesius nicht, der die Seele über die bereits Gebornen kommen lässt infolge des Zutritts der kalten Luft; bei den Griechen entspricht dem auch die vom Erfrischen hergenommene Bezeichnung der Seele.4 Die Beseelung der Barbarenvölker geschieht darum wohl auf andere Weise als die der romanischen, weil sie der Seele irgendwelchen andern Namen gegeben haben als Psyche?! Wie viele Nationen werden aber in einem sehr heissen Klima geboren und sind auch in Hinsicht auf die Farbe wie verbrannt! Woher kriegen diese nun ihre Seele, da es bei ihnen keine kühle Luft gibt? Von der Zimmerhitze in den Gemächern der Kindbetterinnen und der ganzen Wärmevorrichtung, welche ihnen so notwendig ist, da es schon gefährlich ist, sie bloss anzublasen, schweige ich lieber. Fast in einem Schwitzbade kommt der Säugling zur Welt und auf der Stelle hört man ihn plärren.
Wenn dagegen die Kühle der Luft den Seelen das Dasein gibt, so würde ausserhalb Deutschlands, Russlands, der Alpenländer und Argos eigentlich niemand geboren werden dürfen. Nun sind aber die Einwohner zahlreicher gerade unter den orientalischen und mittäglichen Klimaten, und auch die Talente schneller, indem sämtliche Sarmaten geistig stumpf sind. Und doch müssten, wenn die Seelen aus den kalten Stoffen entsprängen, aus der dortigen Kälte begabtere Geister hervorgehen. Denn dem Stoffe entspricht die Kraft.
Dies vorausgeschickt, dürfen wir auch jener Personen gedenken, welche, aus dem Mutterleibe herausgeschnitten, doch lebten und atmeten, wie Liber und Scipio.
S. 329 Wenn jemand mit Plato der Ansicht ist, zwei Seelen könnten ebensowenig zusammen sein als zwei Körper, so wollte ich ihm nicht etwa bloss zwei Seelen zeigen, die vereinigt sind, so gut wie im Mutterleibe zwei Körper, sondern noch vieles andere, was schon mit der Seele in Verbindung getreten ist, nämlich Geister von Dämonen und nicht bloss von einem einzigen wie bei Sokrates, sondern sogar von einem siebenfältigen wie bei Magdalena, und einem, dessen Zahl Legion war, wie bei dem Gerasener. Dann wird man um so lieber glauben, dass eine Seele mit einer andern Seele zusammengesellt sein könne wegen der Gleichheit der Substanz, da sie mit einem bösen Geiste zusammengesellt war trotz der Verschiedenheit der Natur.
Plato gibt aber selber im sechsten Buch von den Gesetzen die Ermahnung, darauf zu sehen, dass nicht durch ein Fehlgehen des Samens infolge fehlerhaften Beischlafes ein Mangel für Körper und Geist entstehe.5 Da weiss ich denn doch nicht, ob er sich mehr von seiner früheren oder von seiner letztern Meinung entfernt hat. Denn er gibt damit zu erkennen, die Seele werde mit dem Samen, auf den er Acht zu haben ermahnt, eingeführt und nicht mit dem ersten Atemholen des Neugeborenen. Wie in aller Welt kommt es, dass wir in Hinsicht der Geistesanlagen durch Ähnlichkeit der Seele nach dem Zeugnisse des Kleanthes unsern Eltern entsprechen, wenn wir nicht aus dem Seelensamen hervorgehen? Warum haben denn die alten Astrologen als die Geburtszeit des Menschen den Anfangspunkt seiner Empfängnis festgehalten, wenn die Seele nicht von da an existiert? Auf sie bezieht sich der Stand der Gestirne, wenn er überhaupt etwas ist,6 ebenso sehr.
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Solidam. Solam wäre nichtssagend. ↩
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Oder bloss als Meinung eines Zwischenredners beim Dialog. ↩
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Ἐμβρυοσφάκτης [embryosphaktēs]. Das sichelförmige Messer heisst bei Hippokrates μαχαίριον[machairion], der stumpfe Haken ἑλκυστήρ [elkystēr]. ↩
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Ψυχή [psychē], Seele, ψυχόω [psychoō], abkühlen. ↩
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Plato, Legg. VI, §. 18, p. 775. ↩
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Ich muss der Verbesserung des Rigaltius und Ursinus, status statt des sinnlosen flatus zu lesen, trotz der Gegenbemerkungen Oehlers hier den Vorzug geben. ↩
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A Treatise on the Soul
Chapter XXV.--Tertullian Refutes, Physiologically, the Notion that the Soul is Introduced After Birth.
I shall now return to the cause of this digression, in order that I may explain how all souls are derived from one, when and where and in what manner they are produced. Now, touching this subject, it matters not whether the question be started by the philosopher, by the heretic, or by the crowd. Those who profess the truth care nothing about their opponents, especially such of them as begin by maintaining that the soul is not conceived in the womb, nor is formed and produced at the time that the flesh is moulded, but is impressed from without upon the infant before his complete vitality, but after the process of parturition. They say, moreover, that the human seed having been duly deposited ex concubiterin the womb, and having been by natural impulse quickened, it becomes condensed into the mere substance of the flesh, which is in due time born, warm from the furnace of the womb, and then released from its heat. (This flesh) resembles the case of hot iron, which is in that state plunged into cold water; for, being smitten by the cold air (into which it is born), it at once receives the power of animation, and utters vocal sound. This view is entertained by the Stoics, along with AEnesidemus, and occasionally by Plato himself, when he tells us that the soul, being quite a separate formation, originating elsewhere and externally to the womb, is inhaled 1 when the new-born infant first draws breath, and by and by exhaled 2 with the man's latest breath. We shall see whether this view of his is merely fictitious. Even the medical profession has not lacked its Hicesius, to prove a traitor both to nature and his own calling. These gentlemen, I suppose, were too modest to come to terms with women on the mysteries of childbirth, so well known to the latter. But how much more is there for them to blush at, when in the end they have the women to refute them, instead of commending them. Now, in such a question as this, no one can be so useful a teacher, judge, or witness, as the sex itself which is so intimately concerned. Give us your testimony, then, ye mothers, whether yet pregnant, or after delivery (let barren women and men keep silence),--the truth of your own nature is in question, the reality of your own suffering is the point to be decided. (Tell us, then,) whether you feel in the embryo within you any vital force 3 other than your own, with which your bowels tremble, your sides shake, your entire womb throbs, and the burden which oppresses you constantly changes its position? Are these movements a joy to you, and a positive removal of anxiety, as making you confident that your infant both possesses vitality and enjoys it? Or, should his restlessness cease, your first fear would be for him; and he would be aware of it within you, since he is disturbed at the novel sound; and you would crave for injurious diet, 4 or would even loathe your food--all on his account; and then you and he, (in the closeness of your sympathy,) would share together your common ailments--so far that with your contusions and bruises would he actually become marked,--whilst within you, and even on the selfsame parts of the body, taking to himself thus peremptorily 5 the injuries of his mother! Now, whenever a livid hue and redness are incidents of the blood, the blood will not be without the vital principle, 6 or soul; or when disease attacks the soul or vitality, (it becomes a proof of its real existence, since) there is no disease where there is no soul or principle of life. Again, inasmuch as sustenance by food, and the want thereof, growth and decay, fear and motion, are conditions of the soul or life, he who experiences them must be alive. And, so, he at last ceases to live, who ceases to experience them. And thus by and by infants are still-born; but how so, unless they had life? For how could any die, who had not previously lived? But sometimes by a cruel necessity, whilst yet in the womb, an infant is put to death, when lying awry in the orifice of the womb he impedes parturition, and kills his mother, if he is not to die himself. Accordingly, among surgeons' tools there is a certain instrument, which is formed with a nicely-adjusted flexible frame for opening the uterus first of all, and keeping it open; it is further furnished with an annular blade, 7 by means of which the limbs within the womb are dissected with anxious but unfaltering care; its last appendage being a blunted or covered hook, wherewith the entire foetus is extracted 8 by a violent delivery. There is also (another instrument in the shape of) a copper needle or spike, by which the actual death is managed in this furtive robbery of life: they give it, from its infanticide function, the name of embruosphaktes , the slayer of the infant, which was of course alive. Such apparatus was possessed both by Hippocrates, and Asclepiades, and Erasistratus, and Herophilus, that dissector of even adults, and the milder Soranus himself, who all knew well enough that a living being had been conceived, and pitied this most luckless infant state, which had first to be put to death, to escape being tortured alive. Of the necessity of such harsh treatment I have no doubt even Hicesius was convinced, although he imported their soul into infants after birth from the stroke of the frigid air, because the very term for soul, forsooth, in Greek answered to such a refrigeration! 9 Well, then, have the barbarian and Roman nations received souls by some other process, (I wonder;) for they have called the soul by another name than psuche? How many nations are there who commence life 10 under the broiling sun of the torrid zone, scorching their skin into its swarthy hue? Whence do they get their souls, with no frosty air to help them? I say not a word of those well-warmed bed-rooms, and all that apparatus of heat which ladies in childbirth so greatly need, when a breath of cold air might endanger their life. But in the very bath almost a babe will slip into life, and at once his cry is heard! If, however, a good frosty air is to the soul so indispensable a treasure, then beyond the German and the Scythian tribes, and the Alpine and the Argaean heights, nobody ought ever to be born! But the fact really is, that population is greater within the temperate regions of the East and the West, and men's minds are sharper; whilst there is not a Sarmatian whose wits are not dull and humdrum. The minds of men, too, would grow keener by reason of the cold, if their souls came into being amidst nipping frosts; for as the substance is, so must be its active power. Now, after these preliminary statements, we may also refer to the case of those who, having been cut out of their mother's womb, have breathed and retained life--your Bacchuses 11 and Scipios. 12 If, however, there be any one who, like Plato, 13 supposes that two souls cannot, more than two bodies could, co-exist in the same individual, I, on the contrary, could show him not merely the co-existence of two souls in one person, as also of two bodies in the same womb, but likewise the combination of many other things in natural connection with the soul--for instance, of demoniacal possession; and that not of one only, as in the case of Socrates' own demon; but of seven spirits as in the case of the Magdalene; 14 and of a legion in number, as in the Gadarene. 15 Now one soul is naturally more susceptible of conjunction with another soul, by reason of the identity of their substance, than an evil spirit is, owing to their diverse natures. But when the same philosopher, in the sixth book of The Laws, warns us to beware lest a vitiation of seed should infuse a soil into both body and soul from an illicit or debased concubinage, I hardly know whether he is more inconsistent with himself in respect of one of his previous statements, or of that which he had just made. For he here shows us that the soul proceeds from human seed (and warns us to be on our guard about it), not, (as he had said before,) from the first breath of the new-born child. Pray, whence comes it that from similarity of soul we resemble our parents in disposition, according to the testimony of Cleanthes, 16 if we are not produced from this seed of the soul? Why, too, used the old astrologers to cast a man's nativity from his first conception, if his soul also draws not its origin from that moment? To this (nativity) likewise belongs the inbreathing of the soul, whatever that is.
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"Inhaled" is Bp. Kaye's word for adduci, "taken up." ↩
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Educi. ↩
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Vivacitas. ↩
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Ciborum vanitates. ↩
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Rapiens. ↩
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Anima. ↩
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Anulocultro. [To be seen in the Museum at Naples.] ↩
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Or, "the whole business (totem facinus) is despatched." ↩
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So Plato, Cratylus, p. 399, c. 17. ↩
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Censentur. ↩
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Liberi aliqui. ↩
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See Pliny, Natural History, vii. 9. ↩
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See above, ch. x. ↩
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Mark xvi. 9. ↩
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Mark vi. 1-9. ↩
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See above, ch. v. ↩