13. Es gab auch keine Zeit, bevor sie von Gott geschaffen wurde.
Wenn aber jemand in seinen Phantasien sich in die sogenannten Zeiten vor der Schöpfung verliert und sich wundert, wie du, der allmächtige Gott, der Allerschaffer und Allerhalter, der Werkmeister des Himmels und der Erde, vor der Erschaffung dieses so großen Werkes unzählige Jahrhunderte geruht hast, so möge er aufmerken und bedenken, wie unbegründet sein Verwundern ist. Denn wie war es möglich, daß unzählige Jahrhunderte vorübergehen konnten, wenn du, der Schöpfer und Urheber aller Jahrhunderte, sie nicht vorher geschaffen hattest? Oder wie hätte Zeit sein können, wenn sie nicht von dir aus festgesetzt war? Oder wie hätte sie vorübergehen können, wenn sie nie gewesen? Da du also aller Zeiten Schöpfer bist, wie kann man da behaupten, du habest damals nicht gewirkt, wenn es tatsächlich eine Zeit vor Erschaffung von Himmel und Erde gab? Denn eben diese Zeit hattest du geschaffen, und es konnte keine Zeit vorübergehen, bevor du die Zeit schufest. Gab es aber vor Himmel und Erde keine Zeit, wie kann man dann fragen, was du damals tatest? Denn wo noch keine Zeit war, gab es auch kein Damals.
Auch gehst du nicht in der Zeit der Zeit voraus, sonst würdest du ja nicht allen Zeiten vorausgehen. Aber du gehst von der hohen Warte der allzeit gegenwärtigen Ewigkeit allen vergangenen Zeiten voraus und überragst alle zukünftigen; denn alle Zeiten sind zukünftig und werden zu vergangenen, sobald sie gekommen sind. „Du aber bleibst derselbe, und deine Jahre werden nicht abnehmen“1. Deine Jahre gehen nicht und kommen nicht; unsere aber hienieden gehen und kommen, und schließlich kommen sie alle. Deine Jahre bestehen alle zugleich, weil sie eben bestehen; sie gehen S. 282 nicht dahin, um von den nachkommenden verdrängt zu werden, weil sie eben nicht vorübergehen. Unsere Jahre aber werden erst dann alle sein, wenn unsere Zeitlichkeit alle ist. Deine Jahre sind ein Tag, und dein Tag erneuert sich nicht jeden Tag, sondern ist ein Heute, weil dein heutiger Tag keinem morgigen weicht und keinem gestrigen nachfolgt. Dein Heute ist die Ewigkeit; daher hast du auch gleichewig gezeugt, zu dem du gesprochen: „Heute habe ich dich gezeugt“2 Alle Zeiten hast du geschaffen, und vor allen Zeiten bist du, und nie gab es eine Zeit, wo keine Zeit war.
