3.
Dann freilich spielt man auf der Flur, ohne daß eine Beleidigung zu fürchten wäre; aber es wäre ein Wunder, wenn man dann nicht auch mit uns ein Spiel triebe. Denn ich gestehe deiner Liebe: nur den Büchern der Heiligen Schrift, die als kanonische anerkannt sind, habe ich gelernt, eine solche Ehrfurcht zu erweisen, daß ich felsenfest glaube, keiner ihrer Verfasser sei bei der Abfassung in einem Irrtum gewesen. Und wenn ich in ihnen auf eine Stelle stoße, die mir mit der Wahrheit nicht übereinzustimmen scheint, so zweifle ich keinen Augenblick, daß entweder die Abschrift fehlerhaft ist oder daß der Übersetzer den Gedanken des Originals nicht genau ausgedrückt hat oder daß ich die Sache nicht verstanden habe. Andere Schriftsteller aber lese ich so, daß ich, wenn sie auch noch so sehr durch Heiligkeit und Gelehrsamkeit ausgezeichnet sind, etwas nicht deshalb schon für wahr halte, weil sie diese Ansicht haben, sondern deshalb, weil sie mich durch Hinweise auf die kanonischen Schriftsteller oder durch annehmbare Gründe überzeugen konnten, daß ihre Ansicht sich wohl mit der Wahrheit verträgt. Auch du, mein Bruder, wirst, wie ich denke, der gleichen Ansicht sein. Gewiß bin ich nicht der Meinung, daß du die Ansicht vertretest: deine Bücher seien in gleicher Weise zu lesen wie die der Propheten und Apostel; an der Irrtumslosigkeit dieser Schriften aber zu zweifeln, wäre Sünde. Jene Ansicht verträgt sich ja gar nicht mit deiner frommen Demut und wahrhaften Selbsterkenntnis. Wäre diese nicht dir eigen, so würdest du gewiß nicht sagen: „O daß wir doch deiner Umarmung würdig wären und im wechselseitigen Gespräch etwas lehren oder lernen könnten!“