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Ohne alle Lust fleischlicher Begierde wurde also Christus gezeugt oder empfangen und blieb darum auch von jeglicher Befleckung durch die Erbsünde frei; dabei wurde er durch Gottes Gnade mit dem eingeborenen Worte des Vaters, mit dem Sohne, nicht aus Gnade, sondern kraft seiner Natur in wunderbarer und unfaßbarer Weise aufs engste verbunden und so auch von jeder persönlichen Sünde frei. Trotzdem aber ist Christus wegen der Ähnlichkeit mit dem „Fleische der Sünde1“, in der er auf Erden erschien, selbst geradezu „Sünde“ genannt worden2, da er zur Tilgung der Sünden geopfert werden sollte. Im Alten Testament hießen nämlich die Opfer für die Sünden auch selbst Sünden3; wovon aber jene alttestamentlichen Opfer nur Schattenbilder waren, das ist Christus in Wirklichkeit geworden. Darum setzte der Apostel (Paulus) seinem Worte: „Wir bitten an Christi Statt: versöhnet euch mit Gott4!“ sofort noch weiter hinzu: „Denn er hat den, der von keiner Sünde wußte (Christus), für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit vor Gott würden5.“ Der Apostel sagt nicht, wie man in manchen fehlerhaften Handschriften liest: „Derjenige, der von keiner Sünde wußte, hat für uns eine Sünde begangen“, gerade als ob Christus selbst für uns gesündigt hätte, sondern er sagt: „Denjenigen, der von keiner Sünde wußte,“ nämlich Christus, „hat (der) Gott für uns zur Sünde gemacht, mit dem wir wieder versöhnt werden sollen, d. h. er hat ihn zum Opfer für die Sünden gemacht, so daß wir Versöhnung finden können. Christus ist also ebenso zur Sünde geworden, wie wir zur Gerechtigkeit. Es ist dies nicht unsere Gerechtigkeit, sondern die Gerechtigkeit Gottes, sie ist nicht eine Gerechtigkeit in uns, sondern in ihm, ebenso wie Christus nicht zu seiner S. 434 eigenen, sondern zu unserer Sünde wurde, zu einer Sünde, die nicht in ihm, sondern in uns begründet ist. Dies geschah durch die Ähnlichkeit des Fleisches der Sünde, worin er gekreuzigt wurde. So wollte er, weil ihm eine eigene (persönliche) Sünde ja nicht innewohnte, durch den fleischlichen Tod, in dem das Bild der Sünde lag, gewissermaßen der Sünde selbst sterben; und da er selbst niemals den alten Menschen der Sünde in seinem Leben an sich getragen hatte, so wollte er damit auch unser neues, aus dem alten Tod, den wir in der Sünde gestorben waren, wieder erwachtes Leben durch seine Auferstehung besiegeln.