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Werke Augustinus von Hippo (354-430) De catechizandis rudibus Vom ersten katechetischen Unterricht (SKV 7)
Erster Teil
Kap. 1-10. Theoretische Erörterung

10. Kapitel

14. An dieser Stelle erwartest du vielleicht das Muster eines solchen Vortrags, damit ich dir am praktischen Beispiel zeige, wie das zu verwirklichen ist, was ich empfohlen habe. Ich werde diesen Wunsch auch erfüllen, soweit es mir mit Gottes Hilfe möglich ist. Vorerst muß ich dir aber noch, wie ich versprochen habe, darlegen, wie man zur erwähnten »freudigen Stimmung« gelangen kann. Was die eigentlichen Anweisungen zur Gestaltung des Einführungsvortrags betrifft, den man an jemanden richtet, der zu uns kommt, um Christ zu werden, habe ich ja mein Versprechen in der Form, wie es mir richtig schien, bereits erfüllt. Nicht meine Aufgabe ist es eigentlich, in diesem Werk auch noch praktisch auszuführen, wofür ich die theoretischen Anweisungen gebe. Wenn ich es trotzdem tun werde, so hat es den Wert einer Zugabe. Wie kann ich aber eine Zugabe gewähren, bevor ich die volle Schuld abbezahlt habe?

Die Hauptklage, die ich von dir hörte, lautete also, daß du deinen eigenen Vortrag, mit dem du Menschen in den christlichen Glauben einführst, selber als gehaltlos und langweilig empfindest. Dies liegt aber, dessen bin ich sicher, nicht an deiner mangelhaften Kenntnis der Inhalte, die du vermitteln mußt – dafür bist du ja, wie ich weiß, genügend gerüstet und geschult –, auch nicht an mangelnder Redekunst, sondern allein an deinem Überdruß. Dafür gibt es mehrere Gründe, von denen ich einen schon genannt habe, nämlich daß das, was wir in der Stille mit unserem geistigen Auge schauen, uns mehr Freude bereitet und uns stärker fesselt, und daß wir uns nur ungern davon wegrufen lassen zum gänzlich andersartigen Gerassel der Wörter. Als zweiten Grund führe ich an, daß wir selbst dann, wenn das Sprechen uns befriedigt, es vorziehen, das anzuhören oder zu lesen, was bereits treffender formuliert wurde oder was von anderer Seite, ohne daß es uns selber Mühe und innere Spannung verursacht, geäußert wird,msng 37>statt nach Geschmack und Auffassungsvermögen anderer eilig Worte zurecht zu legen, ohne je sicher zu sein, ob diese unsere Gedanken richtig wiedergeben und ob sie vom Zuhörer nutzbringend aufgenommen werden. Ein weiterer Grund liegt darin, daß wir genug davon haben, immer und immer wieder auf dieselben Themen zurückzukommen, die wir Leuten vermitteln, die Christen werden wollen, weil sie uns ja längst bekannt sind und zu unserer eigenen Förderung nichts mehr beitragen ; unser doch einigermaßen erwachsener Geist bewegt sich nicht mehr mit sonderlich viel Lust auf diesen ausgetretenen und gleichsam kindlichen Pfaden.

Des weiteren kann die Teilnahmslosigkeit des Zuhörers dem Vortragenden Überdruß bereiten. Nicht daß wir auf menschliches Lob aus sein dürfen, aber was wir darbieten, ist ja eine Gabe Gottes. Und je mehr wir jene lieben, zu denen wir sprechen, um so mehr wünschen wir, daß ihnen zusagt, was wir ihnen zu ihrem Heil hinstrecken. Gelingt uns dies nicht, befällt uns Traurigkeit, mitten im Lauf erleiden wir eine Schwäche und geben entkräftet auf, da uns alle Mühe nutzlos erscheint.

Des weiteren werden wir bisweilen von einer Tätigkeit weggeholt, die wir unbedingt ausführen wollten und deren Erledigung uns Freude bereitete oder uns vordringlich schien. Und nun sehen wir uns gezwungen, sei es durch die Aufforderung einer Persönlichkeit, der wir nicht mißfallen wollen, sei es durch das hartnäckige Drängen von irgend jemandem, einen Interessenten in den Glauben einzuführen, und gehen dadurch schon etwas verstört an diese Aufgabe heran, für die doch große innere Ruhe erforderlich ist; wir sind betrübt darüber, daß man uns den vorgesehenen Arbeitsplan nicht durchführen läßt, und auch darüber, daß wir nicht allen Aufgaben gerecht werden können. Und so wird der Vortrag, der aus dieser Mißstimmung heraus geboren ist, weniger anziehend, als dünnes Rinnsal nur fließt er aus der Unlust der üblen Laune.

Schließlich kommt es auch vor, daß ein Ärgernis unser Herz S. 38 mit Kummer erfüllt, und da sagt jemand zu uns: »Komm und sprich zu diesem da, er will Christ werden!« Denn die, welche das sagen, wissen nicht, was uns tief im Herzen quält, und weil wir ihnen unseren Gemütszustand nicht entdecken dürfen, übernehmen wir dann ziemlich mürrisch die Aufgabe, die sie uns stellen, und jener Vortrag wird gewiß matt und wenig ansprechend ausfallen, da er aus einem Herzen stammt, das von Unruhe und Sorge gequält ist. Welcher auch immer von all diesen Gründen die Heiterkeit unseres Herzens verdunkelt, wir müssen gemäß dem Willen Gottes nach Heilmitteln suchen, mit denen sich jene Spannung lösen läßt, so daß wir aufjauchzen in der Glut des Geistes und uns freuen an der inneren Ruhe, die das gute Werk gibt. »Einen freudigen Geber nämlich liebt Gott.«1

15. Wenn nun der Grund für unseren Mißmut darin liegt, daß der Hörer die Einsicht unseres Geistes nicht unmittelbar erfaßt, wir also gleichsam von ihrem erhabenen Gipfel herabsteigen und tief unter ihr und weit von ihr entfernt uns beim trägen Gang der Silben aufhalten müssen; wenn es uns ferner Sorgen macht, wie das, was der Geist in einem Zug blitzschnell in sich einsaugt, in langwieriger und verwickelter Weitschweifigkeit durch den Mund unseres Fleisches wieder ans Licht tritt, und wenn wir nur mit Widerwillen sprechen, lieber schweigen möchten, weil die Rede so ganz und gar der Einsicht unähnlich ist: Dann wollen wir daran denken, was der uns als Vorleistung gewährte, »der uns ein Beispiel vorwies, auf daß wir seinen Spuren folgen«.2 Mag sich unser gegliedertes Sprechen noch so sehr von der Behendigkeit unserer Erkenntniskraft unterscheiden, noch viel größer ist der Abstand zwischen uns, deren Fleisch sterblich ist, und ihm, der Gott gleich ist. »Und obwohl Christus die gleiche Natur wie Gott besaß, entäußerte er sich selber, indem er S. 39 Knechtsgestalt annahm usw., bis zum Tod am Kreuz«.3 Weshalb tat er dies? Doch nur, »weil er den Schwachen ein Schwacher wurde, um die Schwachen zu gewinnen«.4 Höre, was sein Nachahmer Paulus an einer anderen Stelle sagt: »Sind wir von Sinnen gewesen, so geschah es für Gott; sind wir besonnen, so ist es für euch. Denn die Liebe Gottes drängt uns, wenn wir dies bedenken: Einer ist für alle gestorben.«5 »Wie hätte er bereit sein können, sich für ihre Seelen hinzugeben«,[^66] wenn es ihm zuwider gewesen wäre, sich zu ihrem Ohr zu neigen ? So wurde er also ganz klein in unserer Mitte, »wie eine Amme, die ihre Kinder hegt«.6 Macht es etwa Freude, verkürzte und verstümmelte Wörter an das Kind hinzuplappem, es sei denn, die Liebe lädt dazu ein? Und doch sehnen sich die Menschen danach, Kinder zu haben, für die sie dies tun können. Und für eine Mutter bedeutet es mehr Freude, ihrem Söhnchen kleine Bissen zu kauen und in den Mund zu schieben, als selber größere Stücke zu genießen. Erinnern sollten wir uns auch an jene Henne, die die zarte Brut mit ihrem lockeren Gefieder zudeckt und die schnatternden Kücken mit aufgeregtem Gegacker herbeiruft;7 wenn diese übermütig ihren schützenden Fittichen entfliehen, werden sie den Raubvögeln zur Beute.

Wenn uns nämlich die Erkenntnis in ihren innersten Geheimnissen Genuß bereitet, muß es uns doch besonderen Genuß bereiten, wenn wir erkennen, daß die Liebe desto mehr Kraft hat, ins Innerste zurückzukehren, je mehr Hilfsbereitschaft sie hat, ins Tiefste hinabzusteigen, aus dem guten Gewissen heraus, bei jenen, zu denen sie herabsteigt, nichts anderes als deren ewiges Heil im Auge zu haben. S. 40


  1. 2 Kor 9,7. ↩

  2. 1 Petr 2,21. ↩

  3. Phil 2,6-8. ↩

  4. 1 Kor 9,22. ↩

  5. 2 Kor 12,15. ↩

  6. 1 Thess 2,7b. ↩

  7. Vgl. Mt 23,37. ↩

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