Edition
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De civitate Dei (CCSL)
Caput XX: Nullam esse auctoritatem, quae Christianis in qualibet causa ius uoluntariae necis tribuat.
Neque enim frustra in sanctis canonicis libris nusquam nobis diuinitus praeceptum permissumue reperiri potest, ut uel ipsius adipiscendae inmortalitatis uel ullius cauendi carendiue mali causa nobis met ipsis necem inferamus. nam et prohibitos nos esse intellegendum est, ubi lex ait: non occides, praesertim quia non addidit: proximum tuum, sicut falsum testimonium cum uetaret: falsum, inquit, testimonium non dices aduersus proximum tuum. nec ideo tamen si aduersus se ipsum quisquam falsum testimonium dixerit, ab hoc crimine se putauerit alienum, quoniam regulam diligendi proximum a se met ipso dilector accepit, quandoquidem scriptum est: diliges proximum tuum tamquam te ipsum. porro si falsi testimonii non minus reus est qui de se ipso falsum fatetur, quam si aduersus proximum hoc faceret, cum in eo praecepto, quo falsum testimonium prohibetur, aduersus proximum prohibeatur possitque non recte intellegentibus uideri non esse prohibitum, ut aduersus se ipsum quisque falsus testis adsistat: quanto magis intellegendum est non licere homini se ipsum occidere, cum in eo, quod scriptum est: non occides, nihilo deinde addito, nullus, nec ipse utique cui praecipitur, intellegatur exceptus. unde quidam hoc praeceptum etiam in bestias ac pecora conantur extendere, ut ex hoc nullum etiam illorum liceat occidere. cur ergo non et herbas et quicquid humo radicitus alitur ac figitur? nam et hoc genus rerum, quamuis non sentiat, dicitur uiuere ac per hoc potest et mori, proinde etiam, cum uis adhibetur, occidi. unde et apostolus, cum de huiusmodi seminibus loqueretur: tu, inquit, quod seminas non uiuificatur, nisi moriatur; et in psalmo scriptum est: occidit uites eorum in grandine. num igitur ob hoc, cum audimus: non occides, uirgultum uellere nefas ducimus et Manichaeorum errori insanissime adquiescimus? his igitur deliramentis remotis cum legimus: non occides, si propterea non accipimus hoc dictum de frutectis esse, quia nullus eis sensus est, nec de inrationabilibus animantibus, uolatilibus natatilibus, ambulatilibus reptilibus, quia nulla nobis ratione sociantur, quam non eis datum est nobis cum habere communem - unde iustissima ordinatione creatoris et uita et mors eorum nostris usibus subditur - : restat ut de homine intellegamus, quod dictum est: non occides, nec alterum ergo nec te. neque enim qui se occidit aliud quam hominem occidit.
Übersetzung
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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
20. Keine Schriftstelle gewährt den Christen das Recht des freiwilligen Todes, in welcher Lage immer sie sich finden.
Denn nicht umsonst kann man in den heiligen und kanonischen Büchern nirgends ein göttliches Gebot noch auch die Erlaubnis ausgesprochen finden, sich selbst das Leben zu nehmen, um das unsterbliche Leben zu erlangen oder irgend ein Übel zu meiden oder zu beseitigen. Vielmehr ist das Verbot hieher zu beziehen: „Du sollst nicht töten“1, wie es im Gesetze heißt; um so mehr als nicht hinzugefügt ist: „deinen Nächsten“ wie bei dem Verbot des falschen Zeugnisses: „Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten“2. Gleichwohl darf man nicht glauben, von dieser Sünde Band 1, S. 58frei zu sein, wenn man gegen sich selbst falsches Zeugnis ablegte. Denn die Selbstliebe wurde als die Richtschnur für die Nächstenliebe aufgestellt, da ja geschrieben steht: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“3. Wenn sich demnach der, der über sich selbst Falsches aussagt, des falschen Zeugnisses nicht weniger schuldig macht als wer es wider den Nächsten tut, während doch in dem Gebote, welches das falsche Zeugnis betrifft, nur vom Nächsten die Rede ist, was dahin mißverstanden werden könnte, es sei nicht verboten, daß man wider sich selbst als falscher Zeuge auftritt, wieviel mehr gilt dies dann von dem Verbot des Selbstmordes, da klar zu Tage liegt, daß, wenn es ohne Zusatz heißt: „Du sollst nicht töten“, jedermann als Objekt des Verbotes bezeichnet ist, auch der also, an den das Gesetz gerichtet ist. Darum suchen manche4 dieses Gesetz sogar auf Tiere, wilde und zahme, auszudehnen, so daß es uns danach nicht erlaubt wäre, sie zu töten. Warum dann nicht auch auf die Kräuter und was sonst mit der Wurzel im Erdboden Nahrung und Halt sucht? Denn auch diese Art von Wesen hat, wenn auch der Empfindung bar, ein Leben, wie man sich ausdrückt, und kann demnach auch sterben, somit auch bei Anwendung von Gewalt getötet werden. Daher sagt der Apostel, wo er von solchen Samen spricht: „Was du säest, lebt nicht auf, wenn es nicht zuvor stirbt“5, und im Psalm6 heißt es: „Er tötete mit Hagel ihre Weinstöcke“. Werden wir also, wenn wir vernehmen: „Du sollst nicht töten“, es für Sünde halten, Strauchwerk auszureißen und, töricht genug, dem Irrtum der Manichäer beistimmen? Weg mit solchem Wahn! Wenn wir also das Verbot des Tötens nicht auf die Pflanzen beziehen, weil sie der Empfindung entbehren, und nicht auf die vernunftlosen Lebewesen, die fliegenden, schwimmenden, laufenden, kriechenden, weil sie uns nicht durch die Vernunft gleichgestellt sind, die mit uns Band 1, S. 59gemeinsam zu haben ihnen nicht gewährt ist (weshalb nach des Schöpfers gerechtester Anordnung ihr Leben und ihr Tod der Zweckmäßigkeit für uns unterstellt ist), so bleibt nur übrig, das Verbot: „Du sollst nicht töten“ vom Menschen zu verstehen: Weder einen andern noch dich sollst du töten. Denn wer sich selbst tötet, tötet eben auch einen Menschen.