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Werke Salvianus von Marseille (405-451) De gubernatione Dei Von der Weltregierung Gottes (BKV)
I. Buch

6. Das Gericht Gottes im Alten Testament. Kain und Abel

Aber mancher könnte diesen Vernunftbeweis für zu wenig überzeugend halten, wenn er nicht durch Beispiele bekräftigt wird. Sehen wir, wie Gott von Anfang an die Welt regiert hat; auf diese Weise werden wir aufzeigen, daß er immer alles regiert hat, und zugleich darlegen, daß er auch alles gerichtet hat. Was sagt nun die Schrift? „Gott bildete den Menschen aus dem Lehm der Erde und hauchte ihm den Atem des Lebens ein." 1 Und weiter? "Er setzte ihn", sagt sie, „in das Paradies der Wonne." 2Und ferner? Er gab ihm ein Gesetz, bildete ihn durch Vorschriften und unterwies ihn durch seine Lehre. 3Und was folgte hierauf? Der Mensch übertrat das heilige Gebot, müßte sich dem Richterspruch unterziehen, verlor das Paradies, erlitt die Strafe der Verdammung. Wer sähe nicht bei all diesen Vorgängen in Gott zugleich den Herrscher und Richter? Den unschuldigen Adam setzte er in das Paradies, den Schuldigen vertrieb er. Die Einsetzung bedeutet eine Leitung, die Vertreibung ein Gericht. Als er ihn nämlich an den Ort der Freude führte, regierte er; als er den Schuldbeladenen aus der Herrlichkeit vertrieb, setzte er ein Urteil. So war es also beim ersten Menschen, dem Vater; S. 55 wie aber beim zweiten, dem Sohn? „Es geschah", so sagt die Heilige Schrift, "nach vielen Tagen, daß Kain dem Herrn ein Opfer von den Früchten der Erde anbot. Auch Abel opferte von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und es sah der Herr auf Abel und seine Gaben, Kain aber und seine Gaben beachtete er nicht." 4Bevor ich von dem ausgesprochenen Gericht Gottes rede, behaupte ich, daß auch in dem bereits Erzählten ein gewisser Urteilsspruch enthalten ist. Dadurch nämlich, daß Gott das Opfer des einen annimmt, das des andern aber abweist, hat er augenscheinlich über die Gerechtigkeit des einen und die Ungerechtigkeit des anderen ein Urteil gefällt. Aber das ist noch nicht alles, Kain lockte, um sich für die künftige Freveltat den Weg zu ebnen, seinen Bruder in die Wüste und beging unter dem Schutz der Einsamkeit sein Verbrechen. Er war ebenso gottlos wie töricht, da er wähnte, zur Ausübung eines ungeheuren Frevels genüge es, sich dem Anblick der Menschen zu entziehen, während er doch unter den Augen Gottes sich mit dem Gedanken des Brudermords trug. Daraus schließe ich, daß er ebenso dachte, wie heute viele denken, nämlich: Gott kümmere sich um die irdischen Dinge nicht und sehe die Taten verbrecherischer Menschen nicht. Daran ist nicht zu zweifeln; denn, nach vollbrachtem Verbrechen von Gott zur Rede gestellt, antwortete er, er wisse nichts von der Ermordung seines Bruders. So fest wähnte er, Gott wisse nicht um seine Tat, daß er glaubte, das fluchwürdigste Verbrechen mit einer Lüge bedecken zu können. Aber er mußte es anders erfahren! Denn wenn er im Augenblick des Mordes glaubte, seine Untat werde von Gott nicht gesehen, so mußte er im Augenblick der Verdammung erkennen, daß Gott sah! Hier will ich nun diejenigen, die leugnen, daß Gott sich um die Menschen kümmere, sie leite und richte, fragen, ob dies alles zu unseren Behauptungen im Widerspruch steht. Ich nämlich bin der Ansicht, daß der S. 56 Gegenwärtig ist, der am Opfer teilnimmt, und daß der regiert, der Kain nach dem Opfer bestraft, und daß der sich kümmert, der den Gemordeten vom Mörder zurückverlangt, und daß der Gericht hält, der den gottlosen Totschläger in gerechter Ahndung verflucht. Ein solcher Gedankengang liegt bei diesem Beispiel gewiß nahe; aber wir sollen uns auch nicht wundern, wenn jetzt heilige Menschen Übles erdulden, da wir doch sehen, daß schon damals Gott den ersten Heiligen sogar durch das größte Verbrechen töten ließ. Warum er das erduldet hat, kann weder die menschliche Schwachheit mit voller Einsicht erkennen, noch ist jetzt Zeit dazu, es zu erörtern. Inzwischen reicht es hin, zu beweisen, daß alles dies nicht aus Nachlässigkeit und Sorglosigkeit Gottes geschieht, sondern nach seiner weisen Anordnung zugelassen wird. Keineswegs aber dürfen wir das ungerecht nennen, worin wir Gottes Urteil nicht leugnen können, weil der Wille Gottes die höchste Gerechtigkeit ist. Denn nicht deswegen sind die Handlungen der Gottheit ungerecht, weil der Mensch die Allgewalt göttlicher Gerechtigkeit nicht erfassen kann. Aber wir wollen zu unserem Thema zurück.


  1. Gen. 2, 7. ↩

  2. Ebd. 2, 8. ↩

  3. Lateinisch: inslitutione formavit; vgl. Prooemium zum Pater noster in der Meßliturgie. Die ähnliche Verbindung dieses Ausdrucks bei Firmicus Maternus. De err. prof. rel. 25,2 (vgl. G. Morin, Hist Jahrb. der Gorresgesellsch. 37, [1916], S. 256) läßt sich also nicht als besondere Übereinstimmung zwischen Firm. und der Meßliturgie betrachte. Vgl. Hochland 14,1, S 727. ↩

  4. Gen. 4, 3 ff. ↩

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Übersetzungen dieses Werks
Von der Weltregierung Gottes (BKV)

Inhaltsangabe

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