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Werke Johannes Cassianus (360-435) Collationes patrum Vierundzwanzig Unterredungen mit den Vätern (BKV)
Achte Unterredung, welche die zweite mit Abt Serenus ist über die Herrschaften oder Mächte.

3. Antwort über die vielfache Speise der heil. Schriften.

S. a510 Serenus: Die Autorität der hl. Schriften hat Einiges von Dem, worin sie uns unterrichten will, auch für Jene, welche der Verstandesschärfe entbehren, so klar und deutlich ausgesprochen, daß es nicht nur durch keinen Schatten eines verborgenen Sinnes verdunkelt oder verhüllt wird, sondern auch keiner Hilfe einer Auslegung bedarf und auf der Oberfläche der Rede und des Buchstabens seine Bedeutung und seine Lehre zur Schau trägt. Einiges aber ist so verhüllt und durch gewisse Geheimnisse verdunkelt, daß es der Untersuchung und dem Verständniß ein ungeheures Feld zu Übung und sorglicher Mühe frei läßt. Es ist klar, daß Gott Dieß aus vielen Ursachen so angeordnet hat: erstens, damit die göttlichen Geheimnisse, wenn sie gar keine Hülle des geistigen Sinnes haben, nicht allen Menschen, gläubigen ebensowohl wie profanen, zu gleicher Kenntniß und Wissenschaft offen dalägen, so daß zwischen Trägen und Eifrigen kein Unterschied der Tugend und Klugheit wäre; dann damit auch unter den durch den Glauben zu Hausgenossen Gewordenen die Trägheit der Nachlässigen zur Anklage, die Rührigkeit und Thätigkeit der Eifrigen zur Bewährung komme, wenn sich unermeßliche Räume von sinnreichem Inhalt vor ihnen ausdehnen. Daher wird mit vollem Recht die göttliche Schrift einem herrlichen, fruchtbaren Acker verglichen, der zwar Vieles erzeugt und hervorbringt, was sich zum Lebensunterhalte der Menschen ohne eine Zubereitung durch Feuer brauchen läßt, aber auch Anderes bietet, was sich für den menschlichen Gebrauch als unpassend oder gar schädlich zeigen würde, wenn es nicht zuvor durch die Hitze der Flamme mild und weich gemacht wäre und dadurch alle Härte feines rohen Zustandes abgelegt hätte. Wieder Anderes zeigt sich so sehr auf beide Art brauchbar, daß es zwar ungekocht durch seine Rohheit nicht mißfällt, oder schadet aber doch im Feuer zubereitet heilsamer wird. Mehreres wird auch nur S. a511 zur Nahrung der Haus- und Feldthiere oder der wilden Thiere und Vögel hervorgebracht, ohne daß es je den Menschen zur Speise dienen würde; das bietet den Thieren, auch wenn es roh und ungekocht bleibt, doch eine belebende Sättigung. Dieß Verhältniß sehen wir deutlich genug auch eingehalten in diesem so reichen Paradiese der geistlichen Schriften, in welchem Manches schon durch die Bezeichnung des Buchstabens so glatt und licht erscheint, daß es, ohne einer höhern Auslegung zu bedürfen, schon durch den einfachen Wortlaut die Hörenden reichlich weidet und nährt, wie z. B.: 1 „Höre, Israel, der Herr dein Gott ist ein Gott;“ und: 2 „Du sollst den Herrn deinen Gott lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deinem ganzen Gemüthe und aus all’ deinen Kräften.“ Einiges aber wird, wenn es nicht durch allegorische Auslegung verfeinert und durch die Läuterung des geistigen Feuers weich gemacht ist, durchaus zu keiner heilsamen Speise des innern Menschen werden und schadlos wirken, sondern es wird aus der Aufnahme desselben mehr Verderben als Nutzen folgen, wie z. B.: 3 „Es seien euere Lenden umgürtet und brennende Lampen &c. &c.“; und: 4 „Wer kein Schwert hat, der verkaufe sein Kleid und kaufe sich ein Schwert;“ und: 5 „Wer sein Kreuz nicht aufnimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht werth.“ Das haben einige gar zu genaue Mönche, die zwar den Eifer für Gott hatten, aber nicht nach der Richtschnur der Erkenntniß, wörtlich verstanden und sich hölzerne Kreuze gemacht, die sie beständig auf ihren Schultern umhertrugen und dadurch Allen, die es sahen, nicht Erbauung, sondern Lachen verursachten. Einige Stellen jedoch werden nach beiden Auffassungsweisen, sowohl nach der historischen als allegorischen, so leicht und nothwendig verstanden, daß beide Auslegungen der Seele belebende Säfte bieten, wie z. B.: 6 „Wenn dich Jemand S. a512 auf deine rechte Wange schlägt, so reich’ ihm auch die andere;“ und: 7 „Wenn sie euch in dieser Stadt verfolgen, so fliehet in eine andere;“ und: 8 „Wenn du vollkommen sein willst, so gehe hin, verkaufe Alles, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz haben im Himmel; dann komm und folge mir nach!“ Ferner bringt die Schrift wirklich auch Gras für die Thiere hervor, von welchem Futter alle Felder derselben voll sind, nemlich die einfache, bloße Erzählung der historischen Lesung, durch welche je nach der Lage ihres Zustandes und ihrer Begabung alle Diejenigen zum Wirken und zur Mühe des thätigen Lebens erfrischt und gestärkt werden, welche einfacher sind und weniger fähig, das Vollkommene und Ganze zu erfassen, und für welche es heißt: 9 „Menschen und Thiere wirst du retten, o Herr!“


  1. Deut. 6, 4. ↩

  2. Ebend. ↩

  3. Luk. 12, 35. ↩

  4. Luk. 22, 36. ↩

  5. Matth. 10, 38. ↩

  6. Matth. 5. 39. ↩

  7. Matth. 10, 23. ↩

  8. Mark. 10, 21. ↩

  9. Ps. 35, 7. ↩

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Vierundzwanzig Unterredungen mit den Vätern (BKV)
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