4.
Ich übergehe die ruchlosen Mysterien, wie man sie sich erzählt über den säugenden Knaben, der, wenn er am Leben bleibt, von den Montanisten als Märtyrer verehrt wird. 1 Ich möchte an solche Schändlichkeiten nicht glauben und alles für falsch halten, was mit Blutvergießen zu tun hat. Offenbar aber ist es eine nicht wegzuleugnende Blasphemie, wenn sie behaupten, daß Gott zuerst im Alten Bunde durch Moses und die Propheten die Welt erlösen wollte. Weil er dies nicht ausführen konnte, habe er von der Jungfrau einen menschlichen Leib angenommen. In Christus habe er sich dann als Gottes Sohn ausgegeben, gepredigt und den Tod für uns erlitten. 2 Weil er aber auf den beiden genannten Wegen die Welt nicht erlösen konnte, habe er sich zuletzt als Heiliger Geist auf Montanus und die tollen Frauenzimmer Prisca und Maximilla 3 niedergelassen. So habe der kastrierte Halbmann Montanus 4 die Fülle des Geistes besessen, die dem Apostel Paulus noch abging, der von sich sagte: „Stückwerk ist unsere Erkenntnis, Stückwerk unsere Weissagung. Jetzt sehen wir durch einen Spiegel im Rätsel.“ 5 Da ist eine S. b147 Widerlegung nicht erforderlich. Bei solch gottlosen Behauptungen kommt ihre Aufdeckung einer Widerlegung gleich. Es ist wirklich nicht nötig, die Hirngespinste, welche sie verzapfen, im Rahmen eines kurzen Briefes zu widerlegen. Da Du ja selbst in der Schrift eingehend Bescheid weißt, haben die Fragen der Montanisten Dir auch keine Verlegenheit bereitet. Du wolltest ja wohl nur wissen, was ich von diesen Dingen halte.
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Die Montanisten sollen Säuglinge mit Nadeln durchbohrt und deren Blut zu ihren eucharistischen Opfern verwandt haben (vgl. Epiphanius a. a. O. 48, 14 f.; August., De haeresibus 26 — M PL XLII 30; Praedestinatus, Haer. 26 — M PL LIII 596). ↩
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Diese den Noëtianern sich anpassende Richtung der Montanisten waren die sogenannten Äschinisten (vgl. Hippolyt [?]. Philosophumena VIII 19 — BKV XL 236 f.; Pseudotertullian 21 — CSEL XLVII 224 [Kroymann]). ↩
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Die beiden Prophetinnen, die Montanus ständig begleiteten. ↩
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Man vermutet, daß Montanus, ehe er Christ war, die Selbstverstümmelung in Phrygien als Priester der Kybele vorgenommen hat (vgl. hierzu BKV II. Reihe XVI 48 Anm. 1). ↩
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1 Kor. 13, 9. 12. ↩