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Werke Boethius, Anicius Manlius Severinus (480-524) Philosophiae consolatio

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Consolatio philosophiae

V.

[1] Quodsi in corporibus sentiendis, quamvis afficiant instrumenta sensuum forinsecus obiectae qualitates animique agentis vigorem passio corporis antecedat, quae in se actum mentis provocet excitetque interim quiescentes intrinsecus formas, si in sentiendis, inquam, corporibus animus non passione insignitur, sed ex sua vi subiectam corpori iudicat passionem, quanto magis ea, quae cunctis corporum affectionibus absoluta sunt, in discernendo non obiecta extrinsecus sequuntur, sed actum suae mentis expediunt. [2] Hac itaque ratione multiplices cognitiones diversis ac differentibus S. 178 cessere substantiis. [3] Sensus enim solus cunctis aliis cognitionibus destitutus immobilibus animantibus cessit, quales sunt conchae maris quaeque alia saxis haerentia nutriuntur. Imaginatio vero mobilibus beluis, quibus iam inesse fugiendi appetendive aliquis videtur affectus. [4] Ratio vero humani tantum generis est sicut intellegentia sola divini; quo fit, ut ea notitia ceteris praestet, quae suapte natura non modo proprium, sed ceterarum quoque notitiarum subiecta cognoscit.

[5] Quid igitur, si ratiocinationi sensus imaginatioque refragentur nihil esse illud universale dicentes; quod sese intueri ratio putet? [6] Quod enim sensibile vel imaginabile est, id universum esse non posse; aut igitur rationis verum esse iudicium nec quicquam esse sensibile aut, quoniam sibi notum sit plura sensibus et imaginationi esse subiecta, inanem conceptionem esse rationis, quae, quod sensibile sit ac singulare, quasi quiddam universale consideret. [7] Ad haec si ratio contra respondeat se quidem et quod sensibile et quod imaginabile sit in universitatis ratione conspicere, illa vero ad universitatis cognitionem aspirare non posse, quoniam eorum notio corporales figuras non posset excedere, de rerum vero cognitione firmiori potius perfectiorique iudicio esse credendum? In huius modi igitur lite nos, quibus tam ratiocinandi quam imaginandi etiam sentiendique vis inest, nonne rationis potius causam probaremus?

[8] Simile est, quod humana ratio divinam intellegentiam futura, nisi ut ipsa cognoscit non putat intueri. [9] Nam ita disseris: Si qua certos ac necessarios habere non videantur eventus, ea certo eventura praesciri nequeunt. [10] Harum igitur rerum nulla est praescientia; quam si etiam in his esse credamus, nihil erit, quod non ex necessitate proveniat. [11] Si igitur, uti rationis participes sumus, ita divinae iudicium mentis habere possemus, sicut imaginationem sensumque rationi cedere oportere iudicavimus, sic divinae sese menti humanam summittere rationem iustissimum censeremus. [12] Quare in illius summae intellegentiae cacumen, si possumus, erigamur; illic enim ratio videbit, quod in se non potest intueri, id autem est, quonam modo etiam, quae certos exitus non habent, certa tamen videat ac definita praenotio neque id sit opinio, sed summae potius scientiae nullis terminis inclusa simplicitas.

S. 180 Quam variis terras animalia permeant figuris!

Namque alia extento sunt corpore pulveremque verrunt

Continuumque trahunt vi pectoris incitata sulcum.

Sunt, quibus alarum levitas vaga verberetque ventos

Et liquido longi spatia aetheris volatu.

Haec pressisse solo vestigia gressibusque gaudent

Vel virides campos transmittere vel subire silvas.

Quae variis videas licet omnia discrepare formis,

Prona tamen facies hebetes valet ingravare sensus.

Unica gens hominum celsum levat altius cacumen,

Atque levis recto stat corpore despicitque terras.

Haec, nisi terrenus male desipis, admonet figura:

Qui recto caelum vultu petis exserisque frontem,

In sublime feras animum quoque, ne gravata pessum

Inferior sidat mens corpore celsius levato.

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Trost der Philosophie (BKV)

V.

Wenn also bei Körperempfindungen, obwohl die Eigenschaften der Dinge von außen her die Werkzeuge unserer Sinne beeinflussen und ein Dulden des Körpers der Kraft des handelnden Geistes vorangeht, was die Tätigkeit des Geistes in sich wachruft und die inzwischen im Innern ruhenden Formen erregt, wenn, sage ich, bei den Körperempfindungen der Geist nicht duldend den Eindruck empfängt, sondern aus eigener Kraft über den erlittenen Körpereindruck urteilt, um wie viel mehr folgt das, was von allen körperlichen Einflüssen völlig gelöst ist, beim Urteilen nicht den äußeren Gegenständen, sondern löst die selbständige Handlung seines Geistes aus. Aus diesem Gunde gehören den verschiedenen von einander abweichenden S. 179 Substanzen auch vielfältige Erkenntnisarten zu. Sinnesempfindung für sich allein, von aller andern Erkenntnis entblößt, gehört den unbeweglichen Lebewesen zu, wie Seemuscheln und was sonst an Gestein haftend sich ernährt, Vorstellungskraft aber den beweglichen Tieren, denen bereits ein gewisser Trieb abzulehnen und zu begehren innezuwohnen scheint. Die Vernunft aber ist allein der menschlichen Art zu eigen, wie die Intelligenz nur der göttlichen. So kommt es, daß diejenige Erkenntnis immer die andere überragt, die aus eigener Natur nicht nur die eigenen, sondern auch die Objekte der andern Erkenntnisse kennt. Wie also, wenn die Sinne und die Vorstellungskraft der Vernunft wiederstrebten [sic] und sagten, daß jenes Allgemeine, das die Vernunft zu schauen meine, nicht sei? Was nämlich sinnlich und vorstellbar ist, das könne nicht ein Universelles sein, entweder sei also das Urteil der Vernunft wahr, dann gäbe es nichts den Sinnen Erfaßbares, oder da es ja an sich bekannt ist, daß es sehr vieles, was den Sinnen und der Vorstellungskraft unterworfen ist, gibt, so sei der Begriff der Vernunft leer, der, was nur sinnlich und einzeln ist, als etwas gleichsam Allgemeines betrachte. Ferner, wenn nun die Vernunft dem entgegen antwortete, daß sie zwar das, was zu den Sinnen und der Vorstellungskraft gehöre, auf Grund der Allgemeinheit erblicke, daß jene hingegen zur Erkenntnis des Universellen nicht streben könnten, da ja ihre Erkenntnis über die körperlichen Gestalten nicht hinausgehen könne, daß sie aber an eine Erkenntnis der Dinge mit gefestigterem und vollkommenerem Urteil glauben müßten? Würden wir bei einem Streite dieser Art, wir, denen ebenso die Kraft des Vernunftschlusses wie der Vorstellungskraft und der Sinne eignet, nicht eher die Sache der Vernunft billigen? Ähnlich ist es, wenn die menschliche Vernunft meint, daß die göttliche Einsicht die Zukunft nicht erschauen könne, wenn sie nicht so wie sie selbst erkennt. Du schließest so: Wenn etwas keinen bestimmten und notwendigen Ausgang zu haben scheint, so kann es auch kein Vorherwissen von seinem bestimmten Ausgang geben. Von solcherlei Dingen gibt es also kein Vorherwissen; wenn wir trotzdem an ein solches auch bei ihnen glauben, so muß eben alles aus Notwendigkeit hervorgehen. Wenn wir, die wir der Vernunft teilhaft sind, die Urteilskraft des göttlichen Geistes besitzen könnten, so würden wir, ebenso wie wir urteilten, daß Vorstellungskraft und Sinne der Vernunft weichen müßten, auch für höchst richtig halten, daß die menschliche Vernunft dem göttuchen Geist sich unterordne. Darum sollen wir uns, wenn wir es können, zum Gipfel jener höchsten Intelligenz emporranken; denn dort wird die Vernunft sehen, was sie in sich nicht anschauen kann; auf irgend eine Weise wird dann eine Vorerkenntnis auch das, was keinen sicheren Ausgang hat, als sicher und bestimmt schauen; und dies ist keine Meinung, sondern vielmehr die in keine Grenzen eingeschlossene Einfalt des höchsten Wissens.

V. S. 181 Mannigfaltig über die Erde hin wandern Tiergeschlechter,

Diese schleppen gestreckten Leibes sich hin in niederem Staube,

Schnell mit kräftigen Sehnen ziehen sie dauernd ihre Furche.

Schweifend leichtgefiederte gibt es, die mit dem Winde flattern,

Schwebend schwimmen sicheren Fluges sie weit durch Ätherräume.

Andre freut's, wenn mit festen Tritten sie auf dem Boden schreiten,

Bald durcheilen sie grüne Gefilde, bald schlüpfen sie in Wälder;

Doch wie mannigfach und wie wechselnd auch die Gestalten scheinen,

Erdwärts dumpf zu neigen das Angesicht zwingt der Sinne Schwere.

Einzig tragen der Menschen Geschlechter nur ihre Stirne aufwärts,

Recken leichte Glieder und blicken so auf die Erde nieder.

Hat nicht irdischer Sinn dich gefesselt, dann mahnt dich dieses Gleichnis:

Wenn erhobnen Hauptes zum Himmel du mit der Stirne aufschaust,

Trag die Seele auf zum Erhabenen, daß nicht niedre Schwere

Tiefer als den aufrechten Körper dir deine Seele ziehe.

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