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Werke Boethius, Anicius Manlius Severinus (480-524) Philosophiae consolatio Trost der Philosophie (BKV)
Drittes Buch

IX.

Es mag nun ausreichen, bis hierher die Gestalt der lügnerischen Glückseligkeit gezeigt zu haben, und wenn du sie scharf betrachtest, so kannst du auch die wahre Reihenfolge sehen. – Jawohl, sprach ich, ich sehe, daß Genügen weder aus Reichtum, noch Macht aus Herrschaft, noch Ehrwürdigkeit aus Würden, noch Glanz aus Ruhm, noch Freude aus Wollust herrühren kann. – Aber hast du auch die Gründe, warum dies so ist, entdeckt? – Mir scheint es, als ob ich sie wie durch einen schmalen Spalt schaue, aber ich will sie lieber von dir offener erfahren. – Und doch liegt der Grund auf der Hand. Was nämlich einfach und von Natur ungeteilt ist, das trennt der menschliche Irrtum und führt es vom Wahren und Vollkommenen hinüber zum Falschen und Unvollkommenen. Oder glaubst du, daß jemand, dem nichts mangelt, der Macht entbehre? – Keineswegs. – Richtig, denn wenn ein Vermögen irgendwo schwächer ist, so daß es Schutz bedarf, so bedarf es auch eines andern. – So ist es, sagte ich. – Also ist die Natur des Selbstgenügens und der Macht ein und dieselbe? – So scheint es. – Hältst du nun das, was so beschaffen ist, für verächtlich, oder im Gegenteil für das Ehrwürdigste von allem? – Daran läßt sich wohl nicht zweifeln. – Fügen wir also dem Selbstgenügen und der Macht die Ehrwürdigkeit hinzu, um zu beweisen, daß diese drei eines sind. – Fügen wir sie hinzu, wenn wir dieWahrheit bekennen wollen. – Wie also? Erachtest du, daß dies dunkel und unansehnlich sei, oder von allem Glanz verklärt? Erwäge aber, daß das, was zugestandener Weise nichts weiter bedarf, was das Mächtigste, der Ehren Würdigste ist, wenn es des Glanzes entbehrte, den es sich selber nicht gewähren könnte, nach einer Seite hin erniedrigt schiene. – Ich muß, sprach ich, bekennen, daß dies, so wie es ist, auch das Glänzendste sein muß. – Also müssen wir Folgendes richtigstellen, daß der Glanz sich von den oben genannten drei Eigenschaften nicht unterscheidet. – Das folgt daraus, sagte ich. – Was also nichts Fremdes bedarf, was alles aus eigner S. 91 Kraft vermag, was glänzend und ehrwürdig ist, ist das nicht jedenfalls auch das Freudigste? – Woher sich in ein solches irgend eineTrauer einschleichen sollte, kann ich nicht einmal ausdenken, deshalb ist es notwendig zu bekennen, wenn die Obersätze bleiben, daß es voll Freude sei. – Dann ist es auch ebenfalls nötig, daß zwar die Namen Genügen, Macht, Glanz, Ehrwürdigkeit, Freude verschieden sind, ihre Substanz sich aber auf keine Weise unterscheidet. – Notwendig, sagte ich. – Das also, was von Natur einfach und einheitlich ist, zertrennt die menschliche Verkehrheit, und während sie einen Teil eines unteilbaren Dinges zu erlangen sucht, erreicht sie nicht einmal einen Teil, den es nicht gibt, geschweige denn das Ganze selbst, nach dem sie ja auch am wenigsten strebt. – Wie das? fragte ich. – Wer, sagte sie, auf der Flucht vor Armut Reichtum sucht, kümmert sich nicht um Macht, lieber will er im Dunkel und erniedrigt sein, auch entzieht er sich viel natürliches Vergnügen, um nur nicht das Geld, das er erworben, zu verlieren. Aber auf diese Art wird er kein Genügen finden, er, den die Kräfte verlassen, den Beschwerden stechen, den Erniedrigung verächtlich macht, den die Dunkelheit verbirgt. Wer aber nur Macht wünscht, verschwendet den Reichtum, blickt verächtlich auf das Vergnügen, schätzt sogar den Ruhm, der der Macht entbehrt, für nichts. Du siehst also, wieviel auch diesem fehlt. Denn so kommt es, daß er manchmal das Notwendige entbehrt, daß er von Angst gequält wird, und wenn er diese nicht vertreiben kann, aufhört das zu sein, was er am meisten begehrt, mächtig. Ähnlich darf man von Ehren, Ruhm und Vergnügen schließen; denn wenn auch von diesen jedes dasselbe ist wie das übrige, so erreicht der, welcher eines von ihnen erstrebt ohne die übrigen, nicht einmal das, was er wünscht. – Wie das? sagte ich. – Wenn jemand alles insgesamt und zugleich zu erlangen wünschen sollte, so würde er zwar die Summe der Glückseligkeit wollen, aber würde er sie in den Dingen finden, die, wie wir gezeigt haben, das nicht erfüllen können, was sie versprechen? – Keineswegs, sagte ich. – In diesen Dingen also, von welchen man glaubt, daß sie erstrebenswerte Güter bringen, ist die Glückseligkeit auf keine Weise auszuspüren. – Ich bekenne es, und nichts Wahreres als dies läßt sich sagen.

Du hast also, sprach sie, hiermit Gestalt und Ursache der falschen Glückseligkeit. Lenke nun das Schauen deines Geistes nach der entgegengesetzten Seite, denn dort wirst du, wie wir versprochen, sogleich die wahre sehen. – Das ist doch, sagte ich, auch einem Blinden durchsichtig, und du hast sie noch eben gezeigt, als du die Ursachen der falschen mir zu eröffnen suchtest. Denn wenn ich mich nicht täusche, ist das die wahre und vollkommene Glückseligkeit, die bewirkt, daß die Menschen selbstgenügend, mächtig, ehrwürdig, glänzend, fröhlich sind. Und auf daß du erkennst, daß ich es von ihnen begriffen habe, was eines von ihnen, denn sie sind ja alle eins und dasselbe, S. 93 in Wahrheit leisten kann, ist die volle Glückseligkeit, dies erkenne ich eindeutig. – Ja, glücklich bist du, mein Schüler, in dieser deiner Meinung, wenn du noch etwas hinzufügst. – Was denn? fragte ich. – Glaubst du, daß in diesen sterblichen und hinfälligen Dingen etwas liegt, was einen Zustand dieser Art veranlassen könnte? – Keineswegs, antwortete ich, ich meine, daß du es so gezeigt hast, daß nichts weiter zu wünschen übrig bleibt. – Dies also scheint den Sterblichen entweder Abbilder des wahren Guten oder unvollständige Güter zu geben, wahres und vollständiges Gut aber kann es nicht verleihen. – Ich stimme zu, sagte ich. – Da du also erkannt hast, was jene wahre Glückseligkeit ist und was eine falsche erlügt, bleibt uns nun übrig, daß du erkennst, woher du diese wahre holen kannst. – Das erwarte ich schon lange sehnsüchtig, sprach ich. – Aber da man, sagte sie, wie es unserm Plato imTimäus gefällt, auch bei der geringsten Angelegenheit den·göttlichen Schutz anflehen soll, was glaubst du, daß nun zu tun sei, auf daß wir uns verdienen, den Sitz jenes höchsten Gutes zu finden? – Wir müssen den Vater aller Dinge anrufen, denn wenn wir ihn übergehen, dürfte kein Anfang recht gegründet sein. – Richtig sagte sie, und zugleich stimmte sie anIX. Der du lenkest die Welt nach dauernden festen Gesetzen,

Schöpfer des Himmels, der Erden, der du von Ewigkeit wandeln

Hießest die Zeit, selbst nimmer bewegt, bewegend das Weltall!

Keine äußere Macht trieb dich aus wogenden Massen

Deine Schöpfung zu formen; in dir nur trägst du des höchsten

Guten Gestalt, des fleckenlosen. Das All vom Urbild

Leitest du her; die herrliche, Herrlichster selber,

Trägst du im Geiste, die Welt, nach deinem Bilde geschaffen,

Von der vollendeten löst dein Befehl vollkommene Teile.

Bindest mit Zahlen die Elemente, daß Hitze und Kälte,

Regen und Dürre ihr Maß einhalten; die reinere Flamme

Nicht emporflieh', die Last nicht abwärts zöge die Erde.

Aus der Mitte der Drei-Natur entläßt du die Seele,

Die das Weltall bewegt, hüllst sie in harmonische Glieder.

Wenn sie getrennt, ballt sie das Bewegte in zwiefache Kreise,

Kehrt sie wieder in sich zurück, umschreitet des Geistes

Tiefen sie und verwandelt nach ähnlichem Bilde den Himmel.

Auch den geringeren Wesen hast du abwägenden Sinnes

Seelen verliehn, und die Hohen, anpassend dem leichten Gefährte,

Säest du aus in Himmel und Erde; nach güt'gem Gesetze

Rufst du sie wieder dir zugewandt zurück von dem Feuer.

Vater, verleih seinem Geist, den himmlischen Sitz zu ersteigen,

S. 95 Gib ihm zu schauen die Quelle des Guten, gib du ihm wieder

Licht des Geistes, daß er auf dich nur richte die Augen.

Scheuche die irdischen Nebel, zerstöre die wuchtenden Lasten.

Leuchte du auf mit deinem Glanz; denn du bist die Helle,

Du beseligende Ruh den Frommen, dich schauen ist Ende,

Ursprung, Führer, Erhalter und Weg und Grenze du selber.

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