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Werke Boethius, Anicius Manlius Severinus (480-524) Philosophiae consolatio Trost der Philosophie (BKV)
Drittes Buch

X.

Da du nun gesehen, welches die Gestalt des vollkommenen und welches die des unvollkommenen Guten ist, glaube ich erörtern zu sollen, worin die vollendete Glückseligkeit besteht. Hierbei glaube ich zuerst untersuchen zu sollen, ob ein Gut derart, wie du es vorher bestimmt hast, in der Wirklichkeit bestehen kann, damit uns nicht ein Trugbild des Gedankens, das außerhalb der Wahrheit des gesetzten Gegenstandes liegt, täusche. Aber daß es existiert und gleichsam die Quelle aller Güter ist, läßt sich nicht leugnen. Denn alles, was unvollkommen genannt wird, das wird ja durchVerringerung eines Vollkommenen unvollkommen. Daher kommt es, daß wenn irgend etwas in irgend einer Gestalt unvollkommen scheint, es notwendig auf etwas Vollkommenes hinweist. Denn hebt man die Vollkommenheit auf, so läßt sich nicht einmal vorstellen, woher das, was man als unvollkommen bezeichnet, rühre; denn die Natur nimmt nicht ihren Ausgang vom Geringeren und Unvollkommenen, sondern vom Vollständigen und Unbedingten ausgehend, verfällt sie bis zum äußersten Kraftlosen. Wenn also, wie wir kurz zuvor gezeigt haben, es eine gewisse unvollkommene und gebrechliche Glückseligkeit des Guten gibt, so kann man nicht zweifeln, daß es eine feste und vollkommene gibt. – Das ist aufs sicherste und wahrste geschlossen, sagte ich. – Wo es nun wohnt, sprach sie, betrachte so. Daß Gott, der Herr aller Dinge, gut ist, beweist die gemeinsameVorstellung aller menschlichen Geister. Da sich nichts Besseres als Gott ausdenken läßt, wer möchte zweifeln, daß das gut sei, wovon es kein Besseres gibt? So zeigt Vernunft, daß Gott das wahre Gute ist, indem sie beweist, daß auch das vollkommene Gut in ihm enthalten ist. Denn wenn dem nicht so wäre, so könnte er nicht der Herr aller Dinge sein; es würde dann nämlich etwas, was die vollkommene Güte besitzt, vorzüglicher sein als er, und dies müßte dann als das Frühere und Ältere erscheinen; denn alles Vollendete ist ersichtlich früher als das minder Vollständige. Damit also die Vernunft nicht ins Unendliche fortgehe, muß man bekennen, daß der höchste Gott vollständig erfüllt sei vom höchsten und vollendeten Guten. Wir haben aber festgestellt, daß das vollendete Gute auch die wahre Glückseligkeit sei, also muß notwendig in dem höchsten Gott auch die wahre Glückseligkeit gelegen sein. – Ich nehme es an, sagte ich, es gibt nichts, worin man irgendwie widersprechen könnte. – Ich bitte aber, sagte sie, sieh zu, wie du es fest und S. 97 unerschütterlich beweisen mögest, daß, wie wir gesagt, der höchste Gott ganz erfüllt sei vom höchsten Gut. – Wie? sagte ich. – Daß du mir nicht annehmest, daß er, der Vater aller Dinge, jenes höchste Gut, von dem er erfüllt vorgestellt wird, entweder von außen empfangen habe, oder nur so von Natur besitze, daß man gleichsam die Substanz des besitzenden Gottes und der besessenen Glückseligkeit als verschieden denken könnte. Denn wenn man meint, daß sie von außen empfangen sei, so könnte man das, was gegeben, als vorzüglicher ansehen als das, was empfangen hat. Aber wir bekennen geziemend, daß er vor allen der Hervorragendste sei. Wenn dies von Natur in ihm läge, aber der Vernunft nach von ihm verschieden wäre, wer könnte, wenn wir von Gott, dem Herrn der Schöpfung, reden, sich auch nur vorstellen, daß er solche Gegensätze vereinigen möchte? Endlich, was von einem beliebigen Ding verschieden ist, ist eben nicht das, wovon es als verschieden erkannt wird; deshalb ist das, was vom höchsten Gut seiner Natur nach verschieden ist, nicht das höchste Gut, was unmöglich von dem zu denken ist, was als das Vorzüglichste feststeht. Überhaupt kann die Natur keines Dinges besser sein als ihr eigener Ursprung; was also der Ursprung von allem ist, das möchte ich mit dem wahrhaftesten Vernunftgrund als das höchste Gut seiner Substanz nach erschließen. – Durchaus richtig, sagte ich. – Daß aber das höchste Gut die Glückseligkeit sei, ist zugestanden? – Ja, sagte ich. – Also, sprach sie, ist notwendig zu erkennen, daß Gott die Glückseligkeit ist. – Ich kann den früheren Sätzen nicht widersprechen und sehe, daß aus ihnen sich diese Schlußfolgerung ableitet, sagte ich.

Beachte, ob nicht eben dasselbe von einer andern Seite sich noch fester beweisen läßt, nämlich, daß es zwei unter einander verschiedene höchste Güter nicht geben kann. Es erhellt nämlich, daß von Gütern, die von einander abweichen, das eine nicht sein kann, was das andre ist; deshalb·kann keines von beiden vollkommen sein, wenn einem von beiden das andre fehlt; aber was nicht vollkommen ist, ist auch nicht das Höchste; also können die höchsten Güter auf keinerlei Weise von einander verschieden sein. Wir haben jedoch geschlossen, daß Glückseligkeit und Gott höchstes Gut sind, also muß die höchste Glückseligkeit auch dasselbe wie die höchste Gottheit sein. – Nichts, sagte ich, kann in der Tat wahrer, in der Vernunftableitung sicherer und Gottes würdiger erschlossen werden. – Überdies, sprach sie, wie die Mathematiker nach dem Beweis ihrer Lehrsätze etwas beibringen, was sie selber Porismata (Deduktion) nennen, so will auch ich dir gleichsam ein Corollarium (Zugabe) reichen. Da die Menschen nämlich durch Erlangen der Glückseligkeit glückselig werden, Glückseligkeit aber die Gottheit selber ist, so ist klar, daß sie durch Erlangen der Gottheit glückselig werden; so wie aber durch das Erlangen der Gerechtigkeit Gerechte, durch das der Weisheit Weise werden, so S. 99 müssen aus gleichem Grunde die, die Gottheit erlangt haben, Götter werden. Jeder Glückselige also ist Gott, und zwar von Natur ein einziger; nichts aber steht imWege, daß teilhaftig so viele wie möglich sind. – Das ist schön, sagte ich, das ist köstlich, magst du es nun Porisma oder Corollar nennen. – Und doch ist nichts schöner, als was die Vernunft hiermit zu verknüpfen uns überzeugt. – Was? sprach ich.

Da die Glückseligkeit offenbar vieles enthält, verbindet sich dann alles gleichsam zu einem Körper der Glückseligkeit bei einer gewissen Mannigfaltigkeit der Teile, oder gibt es etwas unter diesen, was die Substanz der Glückseligkeit ausmacht und worauf sich alles übrige bezieht? – Ich wünschte, sagte ich, daß du das durch eine Erörterung der Sache selbst klar machst. – Urteilten wir nicht, daß die Glückseligkeit ein Gut sei? – Und zwar das höchste,erwiderte ich. – Füge hinzu, sprach sie, das gilt für alle. Denn ebenso ist Genügen höchste Glückseligkeit, ebenso werden Macht, Ehre, Glanz, Vergnügen für höchste Glückseligkeit geachtet. – Was also nun? – Sind nun alle diese: Gut, Selbstgenügen, Macht und die übrigen gleichsam wie Glieder der Glückseligkeit oder bezieht sich alles auf das Gute, wie auf einen Schlußstein ? – Ich verstehe zwar, sprach ich, was du zur Erörterung vorschlägst, aber ich wünsche zu hören, was du feststellst. – Vernimm die Entscheidung so: Wenn dies alles Glieder der Glückseligkeit wären, so würden sie auch untereinander abweichen. Denn dies ist die Natur der Teile, daß verschiedene einen Körper zusammensetzen. Gleichwohl ist doch gezeigt worden, daß alles dies ein und dasselbe ist, also sind sie keineswegs Glieder; sonst würde die Glückseligkeit einem Gliede verbunden erscheinen, was unmöglich ist. – Das ist unzweifelhaft, sprach ich, aber ich warte, was übrigbleibt. – Offenbar also bezieht sich nun alles übrige auf das Gute. Deshalb wird das Genügen erstrebt, weil es ja für das Gute gehalten wird, deshalb die Macht, weil sie auch für das Gute gehalten wird, dasselbe läßt sich von Ehrwürdigkeit, Glanz, Vergnügen schließen. Also ist die Summe und die Ursache alles Erstrebenswerten das Gute. Was aber weder der Sache noch der Ähnlichkeit nach irgend ein Gut in sich enthält, kann man auf keine Weise erstreben. Andrerseits wird auch, was von Natur nicht gut ist, erstrebt, wenn es nur scheint, als ob es wahrhaftig gut sei. So kommt es, daß man mit Recht glaubt, daß die Güte Summe, Angelpunkt und Ursache alles Erstrebenswerten sei. Was um ihretwillen erstrebt wird, das scheint man am meisten zu wünschen. Gleichwie wenn jemand um der Gesundheit willen reiten will, er nicht sowohl die Bewegung des Reitens als die Wirkung der Gesundheit wünscht. Da alles des Guten wegen erstrebt wird, wird auch nichts mehr als das Gute von allen erwünscht. Aber daß es die Glückseligkeit sei, um deretwillen alles andre gewünscht wird, haben wir zugestanden; deshalb wird auch allein die Glückseligkeit gesucht, S. 101 woraus klar erhellt, daß die Substanz der Glückseligkeit und des Guten ein und dasselbe ist. – Ich sehe nichts, worin dir irgend jemand widersprechen könnte. – Daß aber Gott und die wahre Glückseligkeit ein und dasselbe sind, haben wir gezeigt. – Ja, sprach ich. – Also dürfen wir unbesorgt schließen, daß auch die Substanz Gottes im Guten und nicht sonst wo gelegen ist.

X. Kommt nun alle hierher, o kommt Gefangne,

Die euch trugvoll schließt in die schlimmen Ketten

Sie, die irdischen Sinn umfängt, Begierde.

Hier ist euch bereit eine Rast der Mühen,

Hier winkt lieblich für euch der stille Hafen,

Offen steht euch hier alles Elends Zuflucht.

Was von goldenem Sand der Tagus spendet,

Was vom roten Strand auch der Hermus mitführt,

Was der Indus, der nach der heißen Zone

Weiße Perlen mischt mit den Grün-Smaragden,

Wenn auch hell sie den Blick selbst Blinden machen,

Führen sie den Geist nur herab ins Dunkel;

All das, was euch gefällt, die Sinne aufreizt,

Nährt im innern Bauch sich der Erdenhöhlen.

Doch der Glanz, dessen Kraft die Himmel lenket,

Flieht die Finsternis, wo die Seelen stürzen.

Wer ins Auge vermag dies Licht zu fassen,

Wird den Lichtstrahl selbst noch der Sonne leugnen.

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