Der Lohn der Treue
„Was ihr von Anfang an gehört habt, soll in euch bleiben. Wenn in euch bleibt, was ihr von Anfang an gehört habt, dann werdet auch ihr im Sohne und im Vater bleiben. Das ist die Verheißung, die er selbst uns gegeben hat“ (2, 24f.). Vielleicht möchtest du nach dem Lohn fragen und sagen: S. 46Siehe, ich bewahre in mir, was ich von Anfang an gehört habe, ich gehorche; Gefahren, Mühsale, Versuchungen halte ich ob dieser Beharrlichkeit aus; was ist die Frucht, was der Lohn dafür? Was wird er mir nachher geben, weil ich in dieser Welt mich unter Versuchungen mühe? Hier finde ich keine Ruhe; die Sterblichkeit beschwert die Seele und der Leib, der zerstört wird, zieht nach unten. Aber ich ertrage alles, damit das, was ich von Anfang an gehört habe, in mir bleibe. Zu welchem Lohne? Höre und laß nicht nach! Wenn du in der Mühsal schwach werden möchtest, sollst du um des verheißenen Lohnes willen stark sein. Wer arbeitet im Weinberg und verliert aus dem Sinn, was er empfangen wird? Laß ihn seinen Lohn vergessen, und seine Hände erlahmen! Die Erinnerung an den verheißenen Lohn gibt bei der Arbeit die Ausdauer; und es ist doch nur ein Mensch, der das Versprechen gegeben hat, ein Mensch, der dich täuschen kann. Um wieviel tüchtiger mußt du auf dem Acker Gottes sein, wenn die Wahrheit ein Versprechen gegeben hat, die nicht Tod noch Nachfolge kennt, noch den täuschen kann, an den ihre Verheißung ergeht! Und was ist der Inhalt der Verheißung? Ist es Gold oder Silber, das die Menschen hienieden so sehr lieben? Oder Besitz, für den sie das Gold hingeben, obgleich sie es so sehr lieben? Oder sind’s Güter in reizender Lage, geräumige Häuser, eine große Menge von Sklaven, ein zahlreicher Viehstand? Nicht das ist der Lohn, um dessentwillen er uns auffordert, in der Mühsal durchzuhalten. Wie nennt er den Lohn? „Ewiges Leben.“ Ihr S. 47habt’s gehört und freudig bestätigt.1 Liebt, was ihr gehört habt, und ihr werdet befreit von euren Mühsalen zur Ruhe des ewigen Lebens. Siehe, was der Herr verheißt: das ewige Leben. Siehe, was Gott androht: das ewige Feuer. Was sagt er zu denen, die zu seiner Rechten stehen? „Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters, empfanget das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!“ Und was zu denen zur Linken? „Geht ins ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist“ (Matth. 25, 34 41). Liebst du jenes noch nicht, so fürchte wenigstens dies! (Tr. 3, 11.)
Daran also denket, meine Brüder, daß Christus uns das ewige Leben verheißen hat. „Das ist die Verheißung, die er selbst uns gegeben hat, das ewige Leben. Das habe ich euch über die geschrieben, die euch verführen wollen“ (2, 26). Niemand verführe euch zum Tode! Verlanget nach der Verheißung des ewigen Lebens! Was kann die Welt versprechen? Sie mag nach Belieben versprechen — und verspricht einem, der vielleicht morgen tot ist. Und mit welcher Stirn wirst du dann vor den treten, der in Ewigkeit bleibt? Doch, sagst du, ein mächtiger Mensch zwingt mich mit Drohungen, Böses zu tun. Womit droht er? Mit Kerker, Ketten, Feuer, Qualen, wilden Tieren? Etwa auch mit dem ewigen Feuer? Erschrick vor der Drohung des Allmächtigen, liebe die Verheißung des Allmächtigen! Und es S. 48verblaßt die ganze Welt mit ihren Lockungen und Drohungen. „Das habe ich euch über die geschrieben, die euch verführen wollen; damit ihr wißt, daß ihr die Salbung habt und die Salbung, die wir von ihm empfangen haben, in uns bleibe“ (2, 27). Es gibt ein Geheimnis der Salbung, eine unsichtbare Kraft, den Heiligen Geist. Die unsichtbare Salbung ist die Liebe, die in jedem, der sie hat, wie eine Wurzel ist, die auch bei glühendem Sonnenbrand nicht verdorren kann. Alles, was Wurzel hat, verdorrt in der Sonnenhitze nicht, sondern findet Nahrung in ihr (Tr. 3, 12).
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Die Zuhörer Augustins bekundeten in ihrem lebhaften Temperament ihren Beifall und ihre Zustimmung nicht selten durch Händeklatschen und Zurufen während der Predigt. ↩