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Werke Augustinus von Hippo (354-430) Sermones Gott ist die Liebe. Die Predigten des Hl. Augustinus über den 1. Johannesbrief
VIERTE PREDIGT

„Jetzt sind wir Kinder Gottes, und noch ist es nicht offenbar, was wir sein werden“

„Sehet, welch eine große Liebe uns der Vater geschenkt hat, daß wir Kinder Gottes heißen und sind“ (3,1). Denn was nützt der bloße Name denen, die sich Christen nennen lassen und es nicht sind; was nützt der bloße Name dort, wo die Wirklichkeit fehlt? Wie viele heißen Ärzte, die nicht zu heilen verstehen! wie viele Wächter, die die ganze Nacht schlafen! So heißen auch viele Christen und werden doch nicht in Wirklichkeit als solche erfunden; denn sie sind das nicht, was sie heißen, d. h. sie sind es nicht im Leben, im sittlichen Verhalten, im Glauben, in der Hoffnung, in der Liebe. Was aber habt ihr gehört, Brüder? „Seht, welch eine große Liebe der Vater uns geschenkt hat, daß wir Kinder Gottes heißen und sind! Darum erkennt die Welt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat“ (3, 1). Die ganze Welt ist christlich und die ganze Welt ist gottlos; denn über die ganze Welt hin gibt es gottlose, über die ganze Welt hin Fromme; und jene erkennen diese nicht. Was bedeutet das: Sie erkennen sie nicht? Sie spotten über jene, die ein gutes Leben führen. Gebt acht und seht, ob es nicht vielleicht auch unter euch S. 55solche gibt! Jeder unter euch, der fromm lebt, der das Irdische gering achtet, der nicht ins Theater gehen will, der sich nicht sozusagen zur besonderen Feierlichkeit betrinken will, und, was schwerer wiegt, bei festlicher Begehung heiliger Tage nicht sündig werden will,1 wer das nicht tun will, wie verspotten die ihn, die solches tun! Würde man ihn verspotten, wenn man ihn kennte? Warum aber erkennt man ihn nicht? „Die Welt erkennt ihn nicht.“ Wer ist die Welt? Es sind die Weltbewohner. Wenn ihr „Welt“ in schlechter Bedeutung hört, so versteht darunter immer jene, die die Welt lieben.2 „Deshalb hat die Welt uns nicht erkannt, weil sie ihn nicht erkannt hat.“ Auch der Herr Jesus Christus selber wandelte auf Erden, war Gott im Fleische, war verborgen in der Schwachheit. Und warum wurde er nicht erkannt? Weil er die Menschen ihrer Sünden wegen anklagte. Weil sie die Sündenfreuden liebten, erkannten sie Gott nicht. Indem sie liebten, wozu das Fieber sie lockte, vergingen sie sich gegen den Arzt (Tr. 4, 4).

 

S. 56Wie also steht es mit uns? Schon sind wir aus ihm geboren; aber weil wir noch in der Hoffnung stehen, sagt er: „Geliebteste, jetzt sind wir Söhne Gottes“. Schon jetzt. Was erwarten wir also noch, wenn wir bereits Kinder Gottes sind? „Und noch“, sagt er, „ist es nicht offenbar geworden, was wir sein werden.“ Was aber werden wir anders sein als Kinder Gottes? Hört, was folgt! „Wir wissen, daß wir ihm, wenn er erscheint, ähnlich sein werden, weil wir ihn schauen werden, wie er ist“ (3, 2). Achtet nunmehr darauf, was dieses „ist“ bedeutet. Ihr wißt, was es bedeutet. Was „ist“ genannt wird und nicht nur genannt wird, sondern wahrhaft ist, ist unveränderlich; immer bleibt es, kann sich nicht ändern und erleidet in keinem Teile eine Einbuße: es nimmt nicht zu, weil es vollkommen ist, und nimmt nicht ab, weil es ewig ist. Was aber ist das? „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“ (Joh. 1, 1). Und was ist es weiter? „Da er in der Gestalt Gottes war, hielt er es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein“ (Phil. 2, 6). So können die Bösen Christus in der Gottesgestalt, das Wort Gottes, den Eingeborenen des Vaters, den, der dem Vater gleich ist, nicht sehen. Insofern das Wort Fleisch geworden ist, werden auch die Bösen es sehen können; denn auch sie werden ihn sehen am Tage des Gerichtes; denn so wird er kommen, die Welt zu richten, wie er gekommen war, sich richten zu lassen. Als Mensch kam er, sich richten zu lassen; als Mensch wird er kommen, zu richten. Und würden sie ihn nicht sehen, warum stünde dann geschrieben: „Sie S. 57werden den sehen, den sie durchbohrt haben“? (Joh. 19, 37.) Von den Gottlosen nämlich heißt es, daß sie sehen werden und daß sie erschüttert werden. Wie sollen sie ihn nicht sehen, da er die einen zur Rechten, die andern zur Linken stellen wird? Sie werden ihn sehen, aber in der Knechtsgestalt. In der Gottesgestalt werden sie ihn nicht schauen. Warum? Weil sie böse sind; der Herr aber sagt: „Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott anschauen“ (Matth. 5, 8). Also 'werden wir etwas sehen, Brüder, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und was in keines Menschen Herz gedrungen ist (vgl. 1 Kor. 2, 9), werden etwas schauen, das alle Erdenschönheit, alle Schönheit von Gold und Silber, von Wäldern und Gefilden, die Schönheit des Meeres und der Luft, die Schönheit der Sonne und des Mondes, die Schönheit der Sterne, die Schönheit der Engel, mit einem Wort, das alles überragt, weil alles von daher seine Schönheit gewinnt (Tr. 4, 5).


  1. Die Theater hatten zur Zeit Augustins noch heidnischen Charakter; in die Feier christlicher Feste hatten sich manche dem Heidentum entstammende Gebräuche eingeschlichen. ↩

  2. Es ist ein tiefer Gedanke Augustins, die tiefsten Unterschiede zwischen den Menschen in dem letzten Gegenstand ihrer Liebe begründet zu sehen. Die die Welt vergötzen, sich ihr als dem Absolutwert hingeben, sind ihm die „Welt“ im schlechten Sinn. Daß er eine geordnete Liebe zur Welt als Schöpfung Gottes nicht ausschließen will, dafür siehe oben S. 33 ff. ↩

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Gott ist die Liebe. Die Predigten des Hl. Augustinus über den 1. Johannesbrief
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Einleitung: Gott ist die Liebe. Die Predigten des Hl. Augustinus über den 1. Johannesbrief

Inhaltsangabe

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