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Bibliothek der Kirchenväter
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Works Syrian poets Ausgewählte Schriften des Isaak v. Antiochien (BKV)
7. Gedicht über die monastische Vollkommenheit.

7.

Dies, mein Jünger, habe ich in geheimnisvoller Weise zu dir geredet, suche nun in das Verständnis einzudringen! [620] In Gleichnissen habe ich dir diese Wahrheiten dargestellt, mein Sohn, gib mir nun dein Herz! Höre auf meine Worte, wie sie geschrieben sind, vernimm sie nach dem Sinn, der unter dem Gleichnis verborgen ist! Unterrichte dich über ihren Inhalt, denn sie haben viele Gesichter! Dein Mund möge lesen, was offen da liegt, dein Herz möge erforschen, was unter den Worten verborgen ist! Prüfe sie wie im Glutofen und durchsuche sie wie mit einer Lampe! [630] Denn auch ich habe sie beim Lampenscheine geschrieben und in stiller Zelle vor mich hingeflüstert. Bei Nacht hat die Zither getönt, was du bei Tag liesest. Wenn du sie bedächtig durchgehst, wirst du auf einen Schlag ein zweifaches kennen lernen, nämlich die Kriegsführung der Könige und Herrscher sowie den Kampf des Bösen mit den Gerechten. Dein Geist möge meine Worte nicht so eng auffassen, wie sie von den Lippen gelesen werden; [640] sondern gib dir vielmehr Mühe, ihren zweifachen Sinn zu verstehen, damit du ihren wahren Inhalt durchschaust! Folge mir auf dem Wege, den ich wandle und fasse den gleichen Zweck ins Auge, den ich verfolge! Weiche nicht ab von den Fußtapfen meiner Worte und strebe jener Wohnung zu, der ich zuwandle! Aus dem Meere habe ich eine Handvoll geschöpft, die aber gleich groß ist wie das Meer selber. In der Hand habe ich es S. 202 dargebracht, und doch habe ich es auch ganz an seinem Orte zurückgelassen. [650] Siehe, das ganze Meer hast du vor dir, trinke ohne Furcht daraus und laß auch andere trinken! Es wird nicht weniger werden, wenn du daraus trinkst, vernachlässige darum deinen Vorteil nicht! Ich habe dir den Weg der Gerechten gezeigt und dir die Richtung zu ihrer Wohnung angegeben. Den Ursprung der Quelle habe ich dir kund getan und die Türe zur Lehre geöffnet. Mache dich also auf, nachdem ich dir den Weg gezeigt habe, und folge den Vorausgehenden, [660] damit du mit ihnen zur Ruhe gelangst, nachdem du den Feind ausfindig gemacht und besiegt hast! Verschlafe nicht die ganze Zeit, denn im Schlafe kann man die Weisheit nicht erwerben! Die Nachtwachen sind des Glückes voll und die Hingabe an dieselben Erwerb von Reichtümern. Jener schreckliche und enge Weg wird dir ziemlich hart erscheinen, bevor du dich an ihn gewöhnt hast; doch ist er nicht so schwierig zu wandeln, wie sein Ruf besagt. [670] Auch die Vergnügungen erscheinen denjenigen, welche nicht an sie gewöhnt sind, als Qualen, bis sie sich daran gewöhnen, ebenso ist die Ruhe dem Tätigen lästig, bis er sich mit ihr zurechtgefunden hat. Einen Faster macht ein üppiges Mahl, an das er nicht gewöhnt ist, krank, ebenso wie demjenigen, der auf dem Boden zu liegen gewöhnt ist, das Bett die Glieder bricht. Es darf nicht der natürlichen Anlage angerechnet werden, daß der eine die Arbeit leicht erträgt, der andere nicht, [680] sondern dies ist mehr Sache der Gewohnheit und der Übung oder vielmehr der Energie des freien Willens. Nur der Anfang ist schwierig, obwohl auch dieser in Wirklichkeit leicht ist. Wenn du die enge Pforte durchschritten hast, wird dich ein weites Terrain aufnehmen! Wie den Schwelgern ihr üppiges Leben leicht erscheint, so wird auch dem Faster das Fasten und den Wachenden ihr Opfer leicht erscheinen. [690] Übrigens ist nicht nur der Weg zum Leben eng an seinem Eingang, sondern auch die irdischen Freuden und Vergnügungen erfordern anfangs große Anstrengungen. Ein Künstler, mein Sohn, arbeitet an seinem Gegenstand nicht wie ein Dilettant; der Schüler arbeitet mit seiner Kraft, der S. 203 Weise dagegen mit dem Verstand. Der Unverständige reibt allein unter hundert Genossen seine Kraft an einem wertlosen Stein auf, [700] während der Weise mit seinem Wissen einen Berg spaltet oder abträgt. Zur Erlernung weiser Künste habe ich dich ausgesandt, bringe mir daher nicht Rohmaterial zurück! Hinter einem Löwen habe ich dich hergeschickt, bringe mir daher nicht einen Schakal an seiner Stelle! Deine Seele in Besitz zu nehmen habe ich dich gelehrt, du aber gibst sie hin für dein tägliches Brot! In den Dienst des himmlischen Reiches habe ich dich aufnehmen wollen, allein du schüttelst das Joch beständig ab. [710] Auf daß du frei sein sollst, habe ich dich unterrichtet, und siehe, du dienst immer noch in Knechtschaft! Ich habe dich ausgesandt, damit du den Sieg erringest, und statt dessen erleidest du eine schmähliche Niederlage. Auf daß du einen Adler einfangen sollst, habe ich dich fortgeschickt, und nun hältst du eine elende Heuschrecke in der Hand, und statt der flüchtigen Gazelle bringst du einen faulen Bock. Bis jetzt hast du noch gar nichts von dem, was ich von dir verlangt habe, erjagt, [720] und nichts dergleichen herbeigebracht, was dir von deinem Herrn aufgetragen wurde. Das, was dir befohlen wurde, vernachlässigest du, und was dir nicht aufgetragen wurde, daran hältst du dich! Du tust eben nur deinen Willen, nicht den Willen deines Gebieters. Auf nun, bringe müden Mahlzahn eines Löwen, eine Feder von der Schwinge des Adlers, die Ohrenspitze einer Gazelle, das Geweih eines Hirsches, [730] Gift aus dem Rachen der Schlange, die Zunge eines Basilisken, die Zähne von Drachen und die Augenlider von Nattern! In die Wüste hinaus mußt du gehen, um diese Dinge zu holen, in kultivierten Gegenden gibt es derartiges nicht! Gehe hinaus in die Berge und in die Einöden, um dir von dort Jagdbeute zu holen! Ziehe aus, tritt die feindliche Gewalt nieder! Schlage die Drachen in die Flucht! [740] Dadurch, daß du die Schlangen niedertrittst, beweise die Kraft deines Glaubens! Die Propheten haben die Tugenden, welche die Gerechten erwerben, der Wahrheit gemäß beschrieben1: „Über Nattern und Basilisken S. 204 sollst du wandeln und Löwen und Drachen zertreten!“ Gehe hin und bemühe dich, diese Arbeit zu vollenden und im Werke zu vollbringen! Dann will ich dich wiedersehen und nach geleisteter Arbeit dir den Lohn zuteilen. [750] Wann wirst du endlich einmal kommen, Schlaftrunkener, dessen Lebenstage schon ziemlich in die Jahre gehen? Wenn du in deiner Jugendzeit das Ziel nicht erreicht hast, was wirst du erst im Greisenalter tun? Siehe, schon Jahre lang spielst du den Baumeister bei deiner armen Seele und hast bei diesem Bau noch keinen Stein auf den anderen gelegt! Schon lange bist du ausgezogen, um das Leben für deine Seele zu erjagen, [760] aber ich fürchte, daß du auch das, was du bereits gewonnen hast, durch deine Sünden wieder verlierst. Schon lange Zeit bist du auf der Reise begriffen, um Schätze zu finden, aber immer noch sind Armut und Elend deine Begleiter. Dein Name ist bekannt unter den Kaufleuten, aber deine Geldbörse enthält keine Mine. Schon naht die Zeit, wo die Kräfte abzunehmen beginnen, und noch hast du keinen Heller in deiner Hand. [770] Alle Berge durchstreifst du und auf allen Anhöhen finden sich für dich Steine des Anstoßes. Immer bleibst du der gleiche in der Wüste wie unter den Menschen, in der Arbeit wie in der Ruhe. Deine Glieder tötest du ab, aber die Sünde in dir ist noch nicht entfernt. Dein Inneres brennt vor Durst, aber der Zorn deines Herzens ist noch nicht vergangen. Die Kraft deiner Füße schwindet infolge des Laufens, und doch hast du den Weg noch gar nicht betreten. [780] Monatelang zählst du schon unter die Diener Gottes und noch hast du gar nicht den Anfang gemacht. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend sammelst du tiefgebeugt auf dem Felde und doch kannst du noch kein Ährenbüschel vorzeigen. Du bist ein langweiliger Arbeiter mitten unter lauter emsigen, weil du nichts wirkest. Bald bist du abseits vom Weg, bald auf dem Weg, beides kann man bei dir beobachten. Auf dem Pfad der Gerechten wandelst du, aber die Werke der Bösen verrichtest du! [790] Um die Hitze zu erdulden, bist du ausgezogen, aber du suchst den Schatten auf! Obwohl du noch gar nicht angefangen hast Strapazen S. 205 zu ertragen, trachtest du schon wieder nach Vergnügungen. Der Sommer ist vorüber und der Winter steht vor der Türe, aber du hast dir kein schützendes Dach vorgesehen. Die Regenstürme lassen ihre Donnerschläge erkennen, aber du hast dich nicht mit Vorrat versehen. Die Tage des Frostes und des Eises nahen, aber du trägst ganz abgetragene Kleider. [800] Das Ende naht sich deinem Gebete und du stehst ohne Werke da. Wenn sich ein Vöglein in deine Wohnung verirrt und sein Nest baut in deinem Hause, so sollst du dich durch das Beispiel dieses Nachbars angetrieben fühlen, auch für dich selbst ein Nest im Himmel zu bauen. Die Schwalbe vollendet ihr Nest und setzt es auf den höchsten Teil deines Hauses, damit auch du aufwachen und aufstehen und deine Wohnung im Himmel errichten sollst. [810] Die emsig arbeitende Ameise belehrt dich, daß auch du für deinen Vorteil tätig sein sollst. Der Storch, der weithin wandert von deinem Orte aus, zeigt dir den Weg zu deinem Vaterlande. Schon haben die Ersten den Berg überstiegen und du hast die Nachtherberge noch gar nicht verlassen. Diejenigen, die mit dir aufgebrochen sind, haben schon die Hälfte des Weges hinter sich, und du bleibst zurück? Nichts vermag dich aufzurütteln! Siehe, deine Genossen sind schon so weit, daß sie bereits den König sehen, und du frönst noch dem Müßiggang! [820] Jene haben die Mühsale schon hinter sich, die du noch nicht einmal gesehen hast. Alle übrigen Dinge mußt du hintansetzen und das eine tun; denn von allen hat nur dies eine Wert für dich; was deiner Seele nützlich ist, das mußt du vollbringen, wie schon Salomon sagt2: „Von allem, worum sich der Mensch kümmert, nützt dir nichts außer dem, womit du für deine Seele das Leben findest“. [830] Bäume werden nicht unter dem Schatten von Schutzdächern gepflanzt, ebensowenig gedeiht das Kraut in den Häusern an der Ofenhitze, sondern unter freiem Himmel wachsen alle Bäume und alles Kraut, damit sie trinken können vom Regen, der von oben kommt, und vom Tau des Himmels. Ihr nun, die ihr vernünftige Bäume seid, lasset euch nicht S. 206 in den Häusern pflanzen, [840] damit euere Zweige nicht vor der Ofenhitze verdorren. Die Luft, welche vorüberstreicht, nimmt die Krankheit vom Körper hinweg, und das Unbehagen vergeht beim heilsamen Einfluß der Sonnenwärme. Erbaut doch keine Häuser für die Zedern, die sich vom Tau des Himmels nähren, damit sie nicht durch die Bedeckung verhindert werden, Frucht zu treiben! [850]


  1. Ps. 90, 13. ↩

  2. Der Dichter denkt wohl an Eccli. 2, 22. ↩

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Translations of this Work
Ausgewählte Schriften des Isaak v. Antiochien (BKV)
Commentaries for this Work
Einleitung über die unter dem Namen Isaaks von Antiochien überlieferten Schriften.

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