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Bibliothek der Kirchenväter
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Works Syrian poets Ausgewählte Schriften des Isaak v. Antiochien (BKV)
9. Erstes Gedicht über das Fasten.

3.

Seht, Moses ist Vorbild für die Greise und Elias für die Einsiedler; aber auch die Jünglinge haben ein Beispiel an Ananias und seinen Gefährten1. Denn diese enthielten sich der kostbaren Speisen und wiesen die Leckerbissen zurück, um statt dessen Kräuter zu verzehren, die Nahrung der Vögel des Himmels. Diese Adler flogen hinweg von den Netzen und erhoben ihre Schwingen zum Himmel, [170] um das nach Babel verbannte Volk unter dem Schatten ihrer Flügel zu beschützen. Solange der König unter dem Volke weilte, wurde es um seinetwillen geehrt; aber heute ist es verworfen, weil es vom Königtum verlassen ist. In großer Herrlichkeit zogen einst die Israeliten aus Ägypten, weil der Typus des Sohnes Gottes sie begleitete, und in hoher Ehre kehrten sie zurück aus Babel, weil seine Vorbilder bei ihnen waren. [180] Heutzutage aber sind sie verachtet, denn die Erfüllung jener Andeutungen und die jenen Vorbildern zugrunde liegende Wahrheit ist gekommen, um ihre Wohnstätte unter den Völkern aufzuschlagen. Nun fasten sie, obgleich ihr Fasten von den Propheten verworfen ist. Laßt uns den Isaias aufschlagen und lesen, wie er ihre Feste verwirft2: „Euere S. 221 Neumonde verwerfe ich und euere Feste hasset meine Seele; [190] ich verlange nicht mehr euer Fasten voll Streit. Siehe, der Herr spricht zu den Streitsüchtigen: Ihr fastet zwar, aber nur um trotzdem zu zanken und Arme und Witwen mit ungerechter Gewalt zu bedrängen.“ Ihr Schüler Christi, höret und entsetzet euch über das Tun und Treiben jener Frechen und übet kein Fasten, welches voll ist von Raub und Bedrückung der Armen! [200] Für euch, o Reichen, ist dieses Wort zur Warnung gesprochen, damit ihr nicht wie Jünger fastet und zugleich wie Räuber fremdes Gut begehren möget! Erzürnet nicht Gott zur selben Zeit, wo ihr ihn zu besänftigen sucht; denn die Gerechtigkeit ergrimmt über euch, wenn ihr das Fasten mit Raub verbindet. Sehet zu, daß euch durch das Fasten Versöhnung zur Vergebung der Sünden zuteil werde, und ziehet euch nicht Schaden zu durch das so überaus nützliche Fasten! Denn wenn ihr euch zwar des Brotes enthaltet, aber das Fleisch der Waisen esset, so gleicht ein solches Fasten dem des Achab, durch welches der Gerechte3 gesteinigt wurde. Das Fleisch der Waisen ist sein Erbe, sein Leib das ihm zugehörige Haus. Die Worte4: „Friß nicht das Fleisch der Waise“ bedeuten also: Raube ihm nicht sein Haus! [220] Seine Äcker können mit seinen Füßen, seine Weinberge mit seinen Händen verglichen werden. Entwende ihm nicht seine Weinberge; denke an Achab und schaudere zurück! Und was ist der Leib der Witwe anders als das ihr angehörige Gewand? Die Worte: „Ziehet nicht die Haut der Witwe ab“ bedeuten also: Beraube sie nicht ihres Gewandes! Das Fell deines Schafes forderst du von dem Hirten, wenn es dir abhanden gekommen ist; [230] um wie viel mehr wird Gott das Gewand der Witwe von dir fordern? Gott hat euch zu Hirten für die Scharen der Waisen bestellt; seid also nicht wie Wölfe, welche sich fortwährend auf die Herde stürzen um sie zu würgen! Von den Priestern und Diakonen fordert Gott Rechenschaft über die Herde der Kirche, und von den Reichen S. 222 über die Herde der Armen. [240] Wenn er einst wiederkommt, wird er seine Hirten zur Verantwortung ziehen, wie sie die durch das kostbare Blut erkaufte Herde geweidet haben; und wenn er dereinst erscheint, wird er von den Richtern Rechenschaft fordern, wie sie die durch seine Güte erschaffene Welt regiert haben. Vergesset also nicht, ihr Reichen, daß er wiederkommen und die Unterdrückten rächen, [250] ja bis auf den letzten Heller Rechenschaft fordern wird! Denn gleichwie ihr Verwalter über euere Güter haltet, ebenso seid auch ihr selbst zu Verwaltern für die Dürftigen bestellt, und gleichwie ihr Herren über Diener seid, ebenso seid auch ihr selbst wieder nur Diener jenes höchsten Herrn, [260] welcher euch geradeso behandelt, wie ihr euere zur Rechenschaft gezogenen Untergebenen und gemäß euren eigenen Anforderungen von euch einfordert. Wenn du mit deinem Verwalter abrechnen kannst, ohne dich bei deiner Abrechnung zu irren, um wie viel mehr wird jener Allwissende, der sich sogar jedes Winkes deiner Augen erinnert, alles ohne Buch wissen? Wenn dein Verwalter dich bestiehlt und seine Mitknechte mißhandelt5, [270] so wird er mit Recht wegen dessen, was seine Zunge ausgesprochen hat, verurteilt. Ebenso verurteilt er auch dich, wenn du gegen deinen Herrn und die Armen sündigst, im gerechten Gerichte, weil du deine Mitknechte beraubt hast. Oder willst du etwa in deinem Übermute nichts davon wissen, daß du einen Herrn über dir hast? So blicke doch zum Himmel auf, wo dein verborgener Herr thront, und versinke in Staunen! [280] Er ist dein Herr, so gut wie der Herr der Armen, deiner Mitknechte. Uns hat er in seiner Güte reichlich beschenkt, während er diese nach seinem Willen dürftig gemacht hat. Aber er macht diesen Unterschied nur, um beide Stände, Arme und Reiche, in zwei verschiedenen Schmelztiegeln gleichmäßig zu prüfen, damit sich so bei einem jeden einzelnen herausstelle, ob er trügerische oder aufrichtige Gesinnung hege. Wenn der Arme geduldig ausharrt, ohne sich durch seine Not zur Lästerung hinreißen zu lassen, S. 223 [290] so geht er als Gold aus dem Schmelztiegel hervor und wandert in den königlichen Schatz; wenn aber sein Sinn murrt und seine Zunge feindlich lästert, so muß er in diesem Leben Leiden erdulden und findet im jenseitigen Qualen vor. Ebenso prüft er auch dich durch deinen Reichtum wie in einem Schmelztiegel, in welchem du entweder als kostbares Gold oder als nichtige, falsche Münze erfunden wirst. [300] Wenn du übermütigen Sinn hegst und deine Mitknechte beraubst, so wirst du mit Achab zusammengestellt und verurteilt. Wenn du aber Gott danksagest und dich der Armen erbarmst, so wirst du mit Abraham verglichen und empfängst mit ihm die Siegeskrone. Wenn deine Werke den seinigen gleichen, beobachtest du ein gutes Fasten; [310] wenn du aber anderen das Ihrige nimmst, so will Gott von deinem Fasten nicht einmal etwas wissen. Denn was kann Gott daran gelegen sein, daß du dich der Speisen und Getränke enthältst, wenn du dabei die Armen aufzehrst und das Blut der Waisen trinkst?


  1. Dan. 1, 6 ff. ↩

  2. Vergl. Js. 1, 10 ff. ↩

  3. nämlich Naboth, vergl. 3 Kön. 21, 4. ↩

  4. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Stelle Mich. 3, 2—3, zugleich mit Anspielung auf Js. 1, 23. ↩

  5. Luk. 7, 41. ↩

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Translations of this Work
Ausgewählte Schriften des Isaak v. Antiochien (BKV)
Commentaries for this Work
Einleitung über die unter dem Namen Isaaks von Antiochien überlieferten Schriften.

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Faculty of Theology, Patristics and History of the Early Church
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