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Bibliothek der Kirchenväter
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Works Syrian poets Ausgewählte Schriften des Isaak v. Antiochien (BKV)
2. Zweites Gedicht über die Menschwerdung des Herrn.

1.

O Herr, wenn es auch kühn ist von mir, daß ich Sünder Dein Wesen zu erklären suche, so haben doch die Zeitumstände mich zu diesem Wagnis ermutigt, damit Deine Güte nicht mit Undank vergolten werde! Denn im Bewußtsein meiner Schuld würde ich es nicht S. 130 wagen, über Deine Gerechtigkeit zu reden, aber die Tatsache meiner Erlösung darf ich nicht in Vergessenheit geraten lassen. Hast ja doch Du mich von meinen Sünden befreit. Mich, der ich meine Fehler erkenne, hat Deine Gnade unterrichtet, so daß ich nun reden kann. [10] Wenn einer über Deine Gerechtigkeit spricht, so schreibt er freilich seine eigene Anklage, denn es gibt niemand, der nach Deinem Maßstab schuldlos wäre, wie dies David schon so bestimmt ausgesprochen hat1. Aber es genügt, daß wir bekennen, daß unsere Natur durch Deine Gnade begründet worden ist. Wenn also die Schöpfung schon das Werk der Gnade ist, um wie viel mehr muß erst die Erlösung durch Deine Güte bewirkt sein? [20]

Gott ist Gnade und Gerechtigkeit eigen, wie geschrieben steht2. Der Eingeborene aber hat einen Leib und auch die Gottheit, wie es verkündet ist. Obwohl sich Gott eigentlich mit nichts vergleichen läßt, so will ich ihn doch in einem Bilde darstellen, denn es ist auch seine Natur uns vom Anbeginn in einem Bilde gezeigt worden. Es möge sprechen zu uns die Gnade wie der Lehrer zum Schüler! Die Gnade, welche seine göttliche Natur besitzt, hat auch seinen Leib zu seiner Natur gemacht3. [30] Es gibt eine Gnade und auch eine Gerechtigkeit, wie es auch Himmel und Hölle gibt; und zwischen ihnen ist die Auferstehung für den Leib, der von Adam stammt. Wer den Leib des Herrn leugnet, den wird auch er bei der Auferstehung verleugnen. Gott hat sich mit unserem Körper bekleidet und wollte wie wir aus dem Mutterleibe hervorgehen. Er betrat den Weg des Todes, um uns seine Auferstehung zu zeigen. [40] „Sehet“, so spricht er4, „meine Geburt, die der eurigen ganz ähnlich ist, und glaubet auch, was ihr seht! Von euerer Milch, die ihr trinkt, habe ich mich genährt S. 131 und auf eueren Knien bin ich erzogen worden; in euere Windel wurde ich gewickelt und euere Arme haben mich umfangen. Mit eueren Kindern bin ich aufgewachsen und auf eueren Straßen gewandelt. Aber deswegen war meine Gottheit doch diesen irdischen Dingen nicht unterworfen. [50] Mittels des Leibes, den ich von euch angenommen habe, habe ich sowohl die Werke meiner Menschheit wie die meiner Gottheit vollbracht. Meine Gottheit ist nicht ohne den Leib, und mein Leib nicht ohne die Gottheit. Dem Leiden aber war nur mein Leib unterworfen, nicht aber meine Gottheit. Diese wurde auch nicht genährt, weil ihr nichts fehlte, sie wurde auch nicht gesäugt, weil sie nicht mehr größer zu werden brauchte, sie wurde durch nichts eingeengt, weil sie in keinem Raum eingeschlossen ist, sie wandelte auch nicht umher, weil sie allgegenwärtig ist. [60] Sie schlief nicht, weil sie durch nichts beschwert wurde, sie hatte nichts unter der Hitze zu leiden, weil sie alles trägt, sie starb endlich auch nicht, weil sie die Seele und das Leben der ganzen Schöpfung ist. Der Körper aber, der sich euere Gewohnheiten angeeignet hatte, mußte auch nach eueren Regeln leben; er aß, weil er Hunger fühlte, obwohl meine Gottheit in ihm wohnte; er wuchs allmählich heran nach Art der Kinder, trotzdem meine Gottheit in ihm war. [70] Er redete nach der Weise der Kinder, obwohl meine Gottheit ihn beseelte; er kroch auf allen Vieren, wie es die Kinder tun, obwohl meine Gottheit in ihm zugegen war; er wurde getragen nach Art der Kleinen, obwohl meine Gottheit ihn bewohnte; er schlief im Schiffe5, wie Menschen es zu tun pflegen, obwohl meine Gottheit in ihm war; er wurde müde wie alles Körperliche, obwohl meine Gottheit in ihm zugegen war; [80] er fühlte die Leiden, da er ja von einem Leibe stammte, obwohl meine Gottheit ihn bewohnte; er schwitzte wie alles Irdische, obwohl meine Gottheit in ihm war.“


  1. Ps. 142, 2; 129, 3; 50, 7. ↩

  2. Ps. 84, 11. ↩

  3. d. h. hat die menschliche Natur zur göttlichen hinzu angenommen. ↩

  4. Der Dichter führt im folgenden den Heiland selbst redend ein. ↩

  5. Matth. 8, 24; Mark. 4, 37 f.; Luk. 8, 23. ↩

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Translations of this Work
Ausgewählte Schriften des Isaak v. Antiochien (BKV)
Commentaries for this Work
Einleitung über die unter dem Namen Isaaks von Antiochien überlieferten Schriften.

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Faculty of Theology, Patristics and History of the Early Church
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