Kap. 48. Zachäus.
Ehe wir die Erzählung beenden, müssen wir zur Erbauung und zum Nutzen der Leser außerdem noch eines Mannes Erwähnung tun, der über alles menschliche Lob erhaben war, namens Zachäus.1
Dieser wurde nach einer langen Zeit der Askese vom Aussatz ergriffen; seine Zelle war getrennt von denen der Brüder, er verbrachte sein ganzes Leben bei Salz und Brot, jeden Tag fertigte er eine Matte, und so heftig war die Verletzung, die er sich bei der Arbeit zuzog, daß oft seine Hände, wenn er die Schnüre der Matten flocht, zerstochen wurden und bluteten, indem sie so bei der Arbeit selbst die Ausdauer des Mannes bekundeten. Obgleich er nun in eine so schwere körperliche Schwäche verfallen war, bliebS. 895er doch niemals von der Versammlung der Brüder fern, noch schlief er jemals bei Tage bis zu seinem Heimgang. Er hatte die Gewohnheit, des Nachts vor dem Einschlafen laut Worte der Heiligen Schrift sich einzuprägen und, nachdem er den ganzen Körper mit dem Kreuz bezeichnet und Gott gelobt hatte, so sich zum Schlafen zurückzulehnen, dann aber um Mitternacht aufzuwachen und bis zum Morgen im Hymnengesang zu verweilen.
Als einmal ein Bruder seine Hände sah, die durch die Anstrengung bei der Arbeit ganz blutig waren, sprach er zu ihm: „Bruder, warum plagst du dich so bei der Arbeit, besonders da du doch von einer so schweren Krankheit heimgesucht wirst? Es ist doch keine Sünde, wenn du untätig bist, und du wirst von Gott nicht verurteilt, wenn du nicht arbeitest. Er weiß doch selbst, daß du leidest. Niemals hat einer, der in einer solchen Trübsal schmachtete, Hand an eine Arbeit gelegt, besonders wenn er nicht gezwungen wurde. Anderen, Fremdlingen und Armen, stehen wir mit Gott bei, und dir, der du unser eigener Vater und so alt bist, sollen wir nicht gern dienen?“ Der Greis warf dagegen ein, es sei ihm unmöglich, nicht zu arbeiten. „Wenn du dies meinst“, sprach der andere wieder, „dann bestreiche wenigstens abends deine Hände mit Öl, damit sie nicht ermüden und bluten.“ Zachäus ließ sich überreden und tat, wozu er aufgefordert worden war. Seine Hände waren von den Binsen so zerstochen und verletzt, daß er die daraus entstehenden Schmerzen nicht mehr ertragen konnte.
Da kam Pachomius in seine Zelle und erkundigte sich nach dem Verlauf der Krankheit, und er sagte zu ihm: „Glaubst du, Bruder, daß das Öl etwas nützt? Wer hat dich denn auch genötigt, dich so zu plagen, daß du unter dem Vorwand der Arbeit auf dieses körperliche Öl für deine Gesundheit größere Hoffnungen setzest als auf Gott? Es wäre für Gott doch nicht unmöglich gewesen, dich zu heilen! Oder kennt er unsere Schwächen nicht und bedarf er der Erinnerung? Oder will er von uns nichts wissen, weil er uns haßt, er, der von Natur menschenfreundlich ist?S. 896Nein, um die Förderung der Seele zu bewirken, läßt er die Drangsale zu, damit wir sie mutig ertragen und Standhaftigkeit zeigen und ihm anheimstellen, wann und wie er will, die Erlösung von den Leiden zu gewähren.“
Der Bruder antwortete und sprach: „Verzeihe mir, Vater, und bete über mich, damit mir der Herr Christus diese und alle meine Sünden vergebe.“ Einige versicherten von ihm, daß er über sich ein ganzes Jahr wehklagte, weil er zwei Tage lang Nahrung zu sich genommen hatte. Ihn stellte der Selige als ein Vorbild in guten Werken und Grundsätzen den Brüdern hin; denn er verstand zu ermuntern wie nur irgendeiner. Bis an das Ende kämpfte er nach der Vorschrift und sehnte sich danach, ein auserwähltes Ziel zu erreichen und den Lohn für seine Mühen zu erlangen, nämlich das Himmelreich.
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Vgl. S. 104 [882]. ↩