16.
1. Fälschlich gibt sich als Glaube die Vermutung aus, die nur eine schwache Annahme ist,1 ähnlich wie sich der S. a161 Schmeichler als Freund und der Wolf als Hund ausgibt.2 Da wir aber sehen, daß der Zimmermann nur dadurch, daß er etwas lernt, Meister in seinem Fach wird, und der Steuermann erst, wenn er in seinem Beruf ausgebildet ist, das Schiff wird steuern können, wobei er sich sagt, daß der Wille allein, gut und tüchtig zu werden, nicht genügt, so ist es in der Tat notwendig, daß man Gehorsam übt und lernt.3
2. Wenn man aber dem Logos gehorcht, den wir als unseren Lehrer anerkannt haben, so bedeutet das, daß man eben jenem Glauben schenkt und sich ihm in keiner Weise widersetzt. Wie sollte es denn auch möglich sein, sich gegen Gott aufzulehnen? Gegenstand des Glaubens wird demnach die Erkenntnis und Gegenstand der Erkenntnis der Glaube durch eine Art göttlicher, notwendig erfolgender Wirkung und Gegenwirkung.
3. Indessen hält auch Epikuros, der vor allem die Lust höher einschätzte als die Wahrheit, den Glauben für eine im Denken gebildete Vorstellung; die Vorstellung ((xxx) proläpsis) definiert er aber als den auf etwas Augenscheinliches und auf das augenscheinlich richtige Bild von einer Sache aufgebauten Begriff; niemand könne aber weder untersuchen noch Fragen aufwerfen noch gar eine Meinung aufstellen, aber auch nicht etwas widerlegen ohne eine Vorstellung.4
-
Zum Gegensatz von Glaube und Vermutung vgl. Platon, Staat VI p. 511 E; VII p. 534 A und Aristoteles, Top. IV 5 p. 126b 18, wo der Glaube als „starke Annahme“ bezeichnet ist; ähnlich auch Pseudo-Platon, Defin. p. 413 C. ↩
-
Zum Bild vom Wolf und Hund vgl. Platon, Sophistes p. 231 A. ↩
-
Der ganze Satz berührt sich im Wortlaut sehr nahe mit Epiktetos, Arrian. dissert. II 14,10 p. 146, 10-13 Schenkl; durch diese Parallelstelle ist auch die Richtigkeit der in den Clemenstext gesetzten Änderungen erwiesen. ↩
-
Epikuros Fr. 255 Usener. ↩