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S. 3 Das vorliegende Werk verdient in mehr als einer Beziehung eine aufmerksame Behandlung: als Inbegriff der Hauptlehren einer eigenthümlichen theologischen Richtung und zumal als erster Versuch einer christlichen Dogmatik; dann in Rücksicht auf die Folgen, die es seinem Verfasser zuzog, und auf die Schicksale, die es selber erfahren hat. Diese vier Gesichtspunkte werde ich in der Einleitung festhalten, welche die Geschichte des Werkes erzählen soll. Die beiden ersten, auf den Ursprung und den Zweck desselben gerichtet, führen hauptsächlich von dem jetzigen Standpunkt der Wissenschaft zu einer neuen Betrachtung, und erfordern auch eine ausgedehntere Entwicklung, als sie hier gegeben werden kann. Jede christliche Dogmatik unserer Zeit enthält Elemente aus den verschiedensten vorausgegangenen Perioden, sie kann also nur auf dem Wege historischer Vermittlung zum Begriff gelangen und begriffen werden. Diese Vermittlung ist die dogmatische Aufgabe der Zeit, und spricht sich in der ganzen theologischen Richtung aus, thatsächlich aber durch die — nach einer fünfjährigen politischen Ueberschwemmung — neu erwachte Fruchtbarkeit auf dem Gebiete der historischen Theologie. Auf jenem Wege muß erkannt werden, aus welchen historischen und philosophischen Elementen die christliche Glaubenswissenschaft, oder das Christenthum überhaupt zum Wissen, sich gebildet hat. Ich S. 4 möchte dieß als den eigentlich historisch-kritischen Standpunkt, gegenüber dem speculativ-historischen, welcher jetzt offen der mythische genannt wird, bezeichnen. Hier entsteht die Frage: können wir die Gestaltung der christlichen Dogmatik zurück bis zu ihrem Anfang, im ersten Auftreten als System, verfolgen? Und dann, wenn wir das können, wird die weitere Aufgabe seyn: diese erste Erscheinung eines Christenthums als Wissenschaft, einer Glaubenswissenschaft, so in ihre Elemente zu zerlegen und sie bis zum Ursprung zu verfolgen, daß hieraus erst die Grundlage der Dogmatik und ihr wesentliches Verhältniß zum Urchristenthum erkannt werden mag. Allernächst beschäftigt uns nur die erstere Frage. Ich habe zu zeigen, daß diese durch eine kritische Bearbeitung des vorliegenden Werkes von Origenes in der Hauptsache bejaht sey.