9.
Jedoch nicht nur bei den Schriften vor der Erscheinung (Christi) hat der Geist dieses veranstaltet, sondern als derselbe Geist und von Einem Gotte stammend hat er das S. 270 Gleiche auch in den Evangelien und bei den Aposteln gethan. Denn auch diese enthalten ebensowenig überall reine Geschichte nach dem Buchstaben des Eingewobenen, Nichtwirklichen: 1 als das Gesetz und die 10. Gebote 2 lauter Angemessenes. Welcher vernünftige Mensch wird z. B. glauben, daß der erste und zweite und dritte Tag, Abend wie Morgen, ohne Sonnen Mond und Sterne geworden sey? 3 der erste sogar ohne Himmel? Wer ist ferner so einfältig, zu glauben, daß Gott nach Art eines landbauenden Menschen ein Paradis in Eden gegen Morgen gepflanzt, und einen sichtbaren und genießbaren Baum des Lebens darein gesetzt habe, so daß, wer mit körperlichen Zähnen dessen Frucht kostete, das Leben empfieng, und anderseits einer der Erkenntniß des Guten und Bösen mächtig wurde, sobald er von diesem 4 Baume genossen hatte? Wenn es ferner heißt, Gott habe gegen Abend im Garten gewandelt, und Adam sich hinter den Baum versteckt: so glaube ich, wird Niemand zweifeln, daß dieß bildlich, unter einer scheinbaren nicht wirklichen, leibhaften Thatsache, einen geheimen Sinn andeute. Auch Kain, wenn er „vom Angesichte Gottes weggeht“, soll augenscheinlich den Leser aufmerksam machen, zu forschen, was Gottes Angesicht und was das Weggehen von demselben heiße. 5 Was brauch’ ich weiter anzuführen, da Jeder nicht ganz stumpfsinnige unzählige Fälle der Art sammeln kann, die zwar als Thatsache aufgezeichnet, aber nicht wörtlich so geschehen sind? Uebrigens sind auch die Evange- S. 271 lien voll von Stellen derselben Art: z. B. wenn der Teufel Jesum auf einen hohen Berg führt, um ihm von dort aus die Königreiche der ganzen Welt und ihre Herrlichkeit zu zeigen. Denn welcher aufmerksame Leser wird nicht diejenigen belachen, die da wähnen, daß die Reiche der Perser, Scythen, Indier und Parther, und wie die Könige von den Menschen verherrlichet werden, mit dem leiblichen Auge gesehen worden seyen, das der Höhe bedürfte, um nur das untenliegende Niedrige zu überschauen? Aehnlich wie dieses kann der aufmerksame Beobachter aus den Evangelien unzählige andere Fälle merken, um sich zu überzeugen, daß 6 in die buchstäblich wahre Geschichte Anderes nicht Wirkliche eingewoben ist.
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των προσυφασμενων — μη γεγενημενων. Eine Hdschr. gibt zu μη γεγενημενην, zu ιστοριαν bezogen; worüber Tarin ausruft: imploro fidem codicum. ↩
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η νομοθεσια και αι εντολαι die 5 Bücher Mosis. ↩
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Auch bei Justin. ad M. ↩
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απο τουδε του, nemlich του καλου και πονηρου. Ebendarum ist diese Lesart der andern „υπο του ξυλου“ vorzuziehen. ↩
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Es ist nicht nöthig, mit Tarin und de la Rue zu ergänzen: τι προσωπον θεου και τι το εξερχεσθαι u. s. w. indem man in gleichem Sinne wohl sagen kann ζητειν προσωπον θεου και το εξερχεσθαι. ↩
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υπερ του συγκαταθεσθαι, συνυφαινεσθαι ταις — ιστοριαις u. s. w. Unnöthig, ja unpassend ist die Vermuthung Tarins, nach συγκαταθεσθαι sey και ausgefallen; und irrig die Uebersetzung composita et connexa iis. Aus gleichem Irthum ist συνυφαινεσθαι in Einer Hdschr. ausgelassen. Συγκατατιθεμαι, med. eig. „beistimmen“; wo gewöhnlich so δοξαν fehlt. ↩