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Works Gregory of Nyssa (335-394) Dialogus de anima et resurrectione Gespräch mit Makrina über Seele und Auferstehung (BKV)
§4 Die Tätigkeit der Seele überragt die der Sinne.

2.

„Wie könnte uns die Hand durch sich allein eine Kunde verschaffen, wenn nicht Denken das Tasten zur Erkenntnis des betreffenden Gegenstandes emporleitete? Oder wie würde das Gehör, getrennt vom Denken, oder das Auge oder die Nase oder sonst ein Sinneswerkzeug zur Erkenntnis der Sache verhelfen, die zur Untersuchung steht? Vielmehr ist vollkommen wahr, was bereits einer der heidnischen Weltweisen trefflich gesagt haben soll, der Geist sei es, der sieht, der Geist, der S. 254 hört1. Gäbe man die Berechtigung dieses Ausspruches nicht zu, wie könntest du dann, wenn du die Sonne so, wie du es von deinem Lehrer2 gelernt hast, anschauest, bestimmt erklären, sie sei nicht so klein an Umfang, wie es der Menge erscheint, sondern vielmal größer als die Erde? Nicht etwa deshalb, weil du, von den Erscheinungen zwar ausgehend, der Art der Bewegung, den zeitlichen und räumlichen Abständen und den Ursachen der Verfinsterung mit deinem Denken nachspürest, kannst du kühn behaupten, daß es sich so verhalte? Desgleichen wirst du, wenn du die Ab- und Zunahme des Mondes überlegst, auf Grund der äußeren Erscheinung desselben andere Kenntnisse von ihm gewinnen (als es durch die bloße Sinneswahrnehmung möglich wäre), nämlich daß er seiner eigenen Natur nach ohne Licht ist und sich im Kreise um die Erde bewege, sein Licht aber von den Sonnenstrahlen empfange, wie es bei Spiegeln zu geschehen pflegt, welche, wenn die Sonne auf sie scheint, zwar keine Strahlen aus sich selbst aussenden können, aber doch die des Sonnenlichtes, das von dem glatten und blinkenden Körper zurückgeworfen wird. Freilich jenen, welche den Mond bloß anschauen, ohne näher zu prüfen, scheint er den Glanz von sich selbst aus zu verbreiten. Daß dem aber nicht so ist, erhellt daraus, daß, wenn er der Sonne gerade gegenübersteht, seine ganze Scheibe durchleuchtet ist, welche er uns zuwendet. Da aber der Kreis, den er zu durchlaufen hat, kleiner ist und darum in kürzerer Zeit durchmessen werden kann, so durchwandert er seine Bahn mehr als zwölfmal, ehe die Sonne nur einmal die ihrige zurücklegt. Daher kommt es, daß dieser Himmelskörper nicht immer vollständig durchleuchtet ist; denn bei der Oftmaligkeit seines Umlaufes nimmt er der Sonne gegenüber, welche erst in einem langen Zeitraume ihre Kreisbahn vollendet, während er die seinige in kurzer Zeit oftmals durchläuft, nicht immer die gleiche Stellung ein, S. 255 sondern wie jene Stellung, in welcher er der Sonne gerade gegenüber sich befindet, den ganzen uns zugekehrten Teil des Mondes durch die Sonnenstrahlen durchleuchten ließ, so muß, wenn er in schräge Richtung zur Sonne kommt, die jeweilig ihr zugekehrte Hälfte des Mondes von ihren Strahlen beschienen werden, die uns zugekehrte dagegen in den Schatten treten, indem der Glanz von dem der Sonne abgewendeten Mondteil auf den ihr zugewendeten Teil übergeht, bis der Mond ganz unter die Sonnenscheibe getreten ist und nun auf der Rückseite die Strahlen aufnimmt, so daß die obere Hälfte ganz beleuchtet, der untere uns zugekehrte Teil aber dunkel wird, da er eben überhaupt an sich selbst glanz- und lichtlos ist; dies heißt dann die völlige Abnahme des Mondes oder Neumond. Wenn er aber gemäß der Bewegung seines Laufes wieder mehr neben die Sonne und in schräge Richtung zu den Strahlen getreten, so beginnt der vor kurzem noch dunkle Teil wieder zu leuchten, da die Strahlen von dem beleuchteten Abschnitt auf den bisher noch dunklen übergehen.“

„Siehst du also, in welch bedeutenden Dingen das Auge ein Lehrmeister für dich wird? Freilich könnte es dir niemals eine solche Anschauung durch sich selbst verschaffen, wenn nicht etwas wäre, das sich des Auges als eines Mittels bedient, um zu sehen, und dem die sinnliche Wahrnehmung nur der Wegweiser ist, um durch das Sichtbare zum Unsichtbaren vorzudringen. Was soll ich noch die geometrischen Beweisgänge anführen, die uns an der Hand der sinnlichen Figuren zu übersinnlichen Erkenntnissen hinleiten, und außerdem noch unzählig anderes, woraus hervorgeht, daß durch die Funktionen unseres Leibes das geistige Wesen sich kundgibt, das in unserer Natur verborgen ist?“§ 5. Auch die Erfindungen sprechen für den geistigen Charakter der Seele.


  1. Epicharmos bei Theodoret de fide I. S. 15 ed. Sylb. Hayd bemerkt, daß diese Anschauung in der griech. Philosophie uralt ist. ↩

  2. Fraglich ist, ob hier Basilius gemeint sei; Öhler übersetzt daher „in der Schule“. ↩

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Translations of this Work
Gespräch mit Makrina über Seele und Auferstehung (BKV)
Commentaries for this Work
Einleitung zum Gespräch mit Makrina „Über die Seele und die Auferstehung"

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