2. Kap. Die Zerstörung der Kirchen.
Das alles ist zu unserer Zeit in Erfüllung gegangen. Denn mit eigenen Augen haben wir gesehen, wie die Bethäuser vom First bis zum Estrich niedergerissen und von Grund aus zerstört und die göttlichen und heiligen Schriften mitten auf den öffentlichen Plätzen verbrannt wurden, wie die Hirten der Kirchen teils in schimpflicher Weise sich da und dort verbargen, teils schmählich gefangengenommen und von den Feinden verhöhnt wurden. Nach einem andern Prophetenwort1 „ward Verachtung über die Herrscher ausgegossen und ließ er sie irregehen in unwegsamer Öde ohne Pfad“.
Doch halten wir es nicht für unsere Aufgabe, die traurigen Schicksale aufzuzeichnen, von welchen sie letztlich betroffen wurden, wie es uns auch nicht zusteht, ihre gegenseitigen Streitigkeiten vor der Verfolgung und ihr widersinniges Gebaren der Nachwelt zu überliefern. Wir haben uns daher entschlossen, über sie nicht mehr zu berichten, als was zur Rechtfertigung des göttlichen Strafgerichtes dienen möchte. Und so wollen wir auch derer nicht Erwähnung tun, die durch die Verfolgung in Versuchung gerieten oder an ihrem Heile völlig Schiffbruch litten und sich freiwillig in die Tiefen der Fluten stürzten. Nur das werden wir in unsere allgemeine Geschichte einfügen, was zunächst für uns selbst, dann auch für die Nachwelt von Nutzen sein dürfte. Gehen wir nun dazu über, die heiligen Kämpfe, welche S. 375 die Zeugen des göttlichen Wortes bestanden haben, im Auszug2 aufzuzeichnen. Es war das neunzehnte Jahr der Regierung des Diokletian, der Monat Dystros,3 bei den Römern Martius genannt, als beim Herannahen des Festes des erlösenden Leidens4 allenthalben ein kaiser- S. 376 licher Erlaß angeschlagen wurde, welcher befahl, die Kirchen bis auf den Grund niederzureißen und die Schriften zu verbrennen, und verfügte, daß Inhaber von Ehrenstellen die bürgerlichen Rechte und Bedienstete, sofern sie im Bekenntnis des Christentums verharrten, die Freiheit verlieren sollten.5 So lautete das erste Dekret gegen uns. Bald darauf erschien ein zweiter Erlaß, wornach alle Vorsteher allerorts zuerst in Fesseln gelegt und dann auf jede Weise zum Opfern gezwungen werden sollten.6
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Ps. 106, 40. ↩
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R. Laqueur, S. 34 A.: „Unter dieser Berichterstattung ‚in Epitome’ scheint Eusebius eine solche zu verstehen, bei der unter Verzicht auf die Einzelheiten der individuellen Vorgänge ein Überblick über die Typen bzw. lokalen Gruppen gegeben wird.“ — Diese Epitome erstreckt sich bis gegen Ende von Kap. 12. Der nun beginnende und sich bis Kap. 15 inkl. erstreckende Abschnitt stand in vorliegender Form nicht im Buch 8. An Stelle dieses Abschnittes befand sich zunächst jener Traktat, welcher die Grundlage bildete für die noch erhaltene Schrift „Die Märtyrer in Palästina“ bzw. (nach cod. E) „Die Märtyrer in Cäsarea“ (herausgeg. von Schwartz, Eusebius II, S. 907—950). Dieses nicht mehr vorliegenden, aber zu rekonstruierenden Traktates bediente sich Eusebius in einigen Einzelheiten für den Neuaufbau seiner Kirchengeschichte, d. i. für das jetzt vorliegende achte Buch. Während der Traktat sich im wesentlichen auf die palästinensischen Martyrien beschränkt, will die Kirchengeschichte grundsätzlich die Martyrien des ganzen Reiches darstellen. Während Eusebius im Traktate chronologisch vorgeht, gruppiert er in der Kirchengeschichte die Martyrien lokal und geleitet sie in den einzelnen Gebieten durch die ganze Periode der Verfolgungen hindurch. Vgl. Laqueur, S. 16ff.; 84 ff. ↩
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Der Traktat gibt als Datum für die allgemeine Publikation des Verfolgungsdekretes den Xanthikos (d. i. April) an, die Kirchengeschichte den Dystros (März). „Da wir wissen, daß die kaiserlichen Verfügungen in den verschiedenen Provinzen nicht gleichzeitig publiziert wurden, sondern begreiflicherweise um so später, je weiter die Provinz von der kaiserlichen Residenz entfernt war, ist es ganz klar, daß Eusebius zunächst aus seinem engen palästinensischen Blickfeld heraus das für Palästina zutreffende Datum als das allgemeine einsetzte, und daß er später auf Grund erweiterter Kenntnis, die ihm aus Asien oder Ägypten zugeflossen sein wird, das Datum korrigierte.“ Laqueur S. 18. ↩
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Da in Palästina die Verkündigung des Ediktes erst im April erfolgte und mit dem Feste des Leidens Jesu zusammenfiel, schrieb Eusebius in den „Märtyrern von Palastina“: τῆς τοῦ σωτηρίου πάθους ἑορτῆς ἐπιλαμβανούσης. Ἐπιλαμβάνειν drückt nämlich das plötzliche Eintreten eines neuen Momentes aus. „Für das in der Kirchengeschichte gegebene Datum traf diese Koinzidenz nicht mehr zu, und der Autor hätte sicher richtig getan, jede Reminiszenz daran wegzulassen; er konnte sich dazu nicht entschließen, formte vielmehr, um sachlich korrekt zu sein, den erwähnten Gedanken dahin um, daß das Karfest ‚sich näherte’ (ἐπιλαμβανούσης). Kein Zweifel, daß der Traktat mit seiner machtvollen Gegenüberstellung das Original und die Kirchengeschichte die schwächliche Kopie ist.“ Laqueur S. 18 f. ↩
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Vgl. Laktantius, „Über die Todesarten der Verfolger“ 13, 1. ↩
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Vgl. E. Ch. Babut, „L’adoration des empereurs et les origines de la persécution de Dioclétien“ in Revue historique 73 (1916) S. 225—252. ↩