13. Kap. Kirchliche Vorsteher, welche mit ihrem eigenen Blute die Echtheit ihres Glaubens bezeugten.
Unter den kirchlichen Vorstehern, die in den hervorragenden Städten Märtyrer geworden,1 sei von uns als Zeuge für das Reich Christi an erster Stelle Anthimus, der Bischof der Stadt Nikomedien, der enthauptet wurde, in die Gedenksäulen der Frommen eingetragen, von den Märtyrern Antiochiens Luzian, der in seinem ganzen Wandel ausgezeichnete Priester der dortigen Gemeinde, der zu Nikomedien in Gegenwart des Kaisers2 zuerst in Worten durch eine Verteidigungsrede3 , S. 393 sodann auch durch die Tat das himmlische Reich Christi verkündete.
Unter den Märtyrern Phöniziens dürften die hervorragendsten sein die in allem gottgefälligen Hirten der geistigen Herden Christi: Tyrannion, Bischof der Kirche zu Tyrus, Zenobius, Priester der Kirche zu Sidon, und Silvanus, Bischof der Kirchen um Emisa. Letzterer wurde nebst anderen in Emisa selbst wilden Tieren zum Fraße gegeben und so in die Reihen der Märtyrer aufgenommen. Die beiden anderen verherrlichten in Antiochien das Wort Gottes durch ihre Standhaftigkeit bis zum Tode. Der eine, der Bischof, wurde in die Tiefe des Meeres versenkt, der treffliche Arzt Zenobius starb mutvoll an den Wunden, die sie ihm an den Seiten beigebracht.Von den Märtyrern in Palästina wurde Silvanus, Bischof der Kirchen um Gaza, in den Erzbergwerken von Phäno4 mit 39 andern enthauptet. Daselbst erlitten die ägyptischen Bischöfe Peleus und Nilus nebst andern den Feuertod. Hier müssen wir auch der großen Zierde der Kirche von Cäsarea gedenken, des Priesters Pamphilus, des bewundernswertesten Mannes unserer Zeit. Die Größe seines edlen Wirkens werden wir zu gegebener Zeit schildern.5
Unter denen, welche in Alexandrien und in ganz S. 394 Ägypten und der Thebais einen ruhmvollen Tod gefunden, sei als erster Petrus, Bischof von Alexandrien selbst, einer der hervorragendsten Lehrer der Gottesfurcht in Christus, aufgezeichnet, von seinen Priestern sodann Faustus, Dius und Ammonius, die vollendeten Märtyrer Christi, Phileas, Hesychius, Pachymius und Theodor, Bischöfe ägyptischer Kirchen, und dazu noch unzählige andere berühmte Männer, deren Gedächtnis die Gemeinden jener Bezirke und Orte feiern.
Die Kämpfe der Männer,6 welche auf dem ganzen Erdkreis für den göttlichen Glauben gestritten haben, zu beschreiben und ihre Geschicke in allen Einzelheiten genau zu schildern, dürfte nicht unsere Aufgabe sein, sondern Sache derer, welche die Ereignisse mit eigenen Augen gesehen haben. Ich werde dementsprechend die Kämpfe, bei denen ich selbst zugegen war, in einem anderen Werke7 der Nachwelt zur Kenntnis bringen. In vorliegender Schrift aber will ich dem Gesagten noch den Widerruf8 des gegen uns geübten Vorgehens beifügen und das, was vom Beginne der Verfolgung an sich ereignete. Es möchte den Lesern von großem Nutzen sein.9 Welche Worte könnten genügen, um die Fülle des Glückes und Wohlstandes zu schildern, deren das römische Reich vor seinem Kriege gegen uns gewürdigt ward, als die Herrscher noch freundschaftliche und friedliche Gesinnung gegen uns hegten? Damals konnten die obersten Machthaber die Gedenktage einer zehn- und zwanzigjährigen Regierung in dauerndem und tiefem Frieden mit Festen, Schauspielen, fröhlichsten Gelagen und Be- S. 395 lustigungen begehen. Obwohl sich so ihre Macht ungehindert ausbreitete und täglich größer wurde, änderten sie plötzlich ihre friedliche Gesinnung gegen uns und entfachten einen unversöhnlichen Krieg. Doch war das zweite Jahr dieser Verfolgung noch nicht zu Ende, da brachte ein unerhörtes, die ganze Regierung treffendes Ereignis einen Umsturz aller Verhältnisse. Den obersten der erwähnten Herrscher10 nämlich befiel eine unheilvolle Krankheit, die auch eine geistige Störung bei ihm zur Folge hatte. Und so zog er sich zugleich mit dem, der den zweiten Rang nach ihm einnahm,11 ins gewöhnliche Privatleben zurück. Das aber war noch nicht geschehen, als das gesamte Reich in zwei Teile zerfiel, eine Katastrophe, wie sie die Geschichte aus früheren Tagen nie zu berichten wußte.
Nach nicht sehr langer Zwischenzeit12 starb Kaiser Konstantius13 eines natürlichen Todes. Er war sein ganzes Leben lang voll Milde und Wohlwollen gegen seine Untertanen und dem göttlichen Worte sehr gewogen. Als Selbstherrscher und Augustus hinterließ er an seiner Statt seinen leiblichen Sohn Konstantin. Konstantius war so der erste,14 der von ihnen unter die Götter versetzt und als der beste und mildeste der Kaiser nach seinem Tode aller jener Ehren gewürdigt wurde, die man einem Herrscher schuldet. Er war der einzige unter S. 396 den Regenten unserer Tage, der während der ganzen Dauer seiner Regierung des hohen Amtes sich würdig erwies. Überaus freundlich und gütig gegen jedermann, beteiligte er sich in keiner Weise an dem Kriege gegen uns, stellte vielmehr die ihm untergebenen Gläubigen gegen Schädigung und Mißhandlung sicher. Er zerstörte weder Kirchengebäude, noch traf er sonstwie eine Neuerung gegen uns. So war ihm ein glückliches und dreimalseliges Ende beschieden. Er war auch der einzige, der als regierender Kaiser in Frieden und Ruhm starb mit einem leiblichen Sohne als Nachfolger, der in allem durch Weisheit und Gottesfurcht sich auszeichnete. Sein Sohn Konstantin wurde gleich zu Anfang von den Soldaten und lange zuvor schon von Gott selbst, dem König der Könige, als höchster Kaiser und Augustus ausgerufen15 und erwies sich als treuen Nachahmer der väterlichen Ehrfurcht gegenüber unserer Lehre. Soviel über Konstantius.
Hierauf wurde Licinius durch gemeinsamen Beschluß der Regenten zum Kaiser und Augustus erhoben. Das verdroß den Maximinus in hohem Grade, da er gegenüber allen bis dahin allein noch den Cäsarentitel führte. Ein überaus herrschsüchtiger Mensch, riß er die Würde trügerisch an sich und wurde Augustus, indem er sich selbst dazu machte. Inzwischen wurde der Mann,16 der dem Konstantin nachstellte, ergriffen und starb wegen des Mordversuches, den er nach seinem Abgang gemacht, eines sehr schimpflichen Todes.17 Er war der erste Herrscher, dessen Ehreninschriften, Bildsäulen und was man sonst dem Herkommen gemäß ihm geweiht hatte, mit Rücksicht auf den frevelhaften und durchaus gottlosen Menschen entfernt wurden.18
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Von den im folgenden aufgezählten Märtyrern werden Luzian von Antiochien, Silvanus von Emisa sowie Petrus von Alexandrien nebst andern ägyptischen Bischöfen auch unten im neunten Buche Kap. 6 behandelt. Da diese Männer erst unter Maximinus gemartert wurden und Eusebius erst im neunten Buche die Verfolgung unter Maximinus darstellt, so ist das neunte Buch der gehörige Platz für die Behandlung dieser Märtyrer. In das achte Buch wurden sie von Eusebius erst gesetzt, als er dieses Buch umarbeitete und den früheren Plan, nur die achtjährige Verfolgung von 303—311 zu schildern und mit dem Restitutionsedikt des Galerius von 311 seine KG abzuschließen, aufgab. Laqueur, S. 3 und 40—70. ↩
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d. i. Maximinus. ↩
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Luzian war längere Zeit als Anhänger des Paulus von Samosata von der Kirche ausgeschlossen. Er ist der eigentliche Vater des Arianismus; die Arianer verehrten ihn als Heiligen. Er hat eine Revision der Septuaginta und eine Rezension des Neuen Testamentes oder doch der Evangelien besorgt. Großen Einfluß gewann er durch Gründung einer theologischen Schule in Antiochien. Die oben erwähnte Verteidigungsrede ist von Rufinus in seiner Übersetzung bzw. Neubearbeitung der Eusebianischen KG (IX 6) mitgeteilt (Schwartz, Eusebius II 813—815). Vgl. J. Bidez, „Philostorgius’ KG“, in „Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte“ 21 (Leipzig 1913) S. 184—201: „Leben und Martyrium des Luzian von Antiochien“. ↩
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Phäno lag zwischen Zoara und Petra in Ost-Edom. Der noch gebliebene Ruinenhaufen heißt jetzt Phenan. ↩
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Vgl. „Die Märtyrer von Palästina“ 11. — Die Handschriften lesen teils ἀμαγράψομεν, teils ἀνεγράψαμεν. „Die Variante dürfte auf den Autor zurückgehen, der von seinem Standpunkte aus mit gleichem Rechte das Futur und den Aorist verwenden konnte“ (Laqueur S. 46). ↩
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Nach den gründlichen Untersuchungen von Laqueur schloß sich der folgende Satz ehedem unmittelbar an die Worte „Allein dies gelang ihnen nicht bei den heiligen Märtyrern“ (Schluß von Kap. 3) an. Wie die Epitome stand also auch der soeben gegebene Überblick über die gemarterten Kirchenvorsteher ursprünglich nicht im achten Buche, Laqueur S. 43 ff. ↩
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d. i. in den „Märtyrern von Palästina“ ↩
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παλινῳδίαν = das Toleranzedikt des Galerius von 311. ↩
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Vgl. Laqueur S. 48 f. ↩
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d. i. Diokletian. ↩
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d. i. der Augustus Maximianus Herkulius. ↩
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Mit den folgenden Sätzen wird der Gedankengang unterbrochen. Der logisch richtige Anschluß an den vorhergehenden Satz findet sich erst in Kap. 15, wo die Spaltung des Reiches genauer geschildert wird. Die oben folgende Kaisergeschichte ist von Eusebius nicht schon von Anfang an in das achte Buch eingefügt worden; sie ist das Ergebnis erst späterer Forschungsarbeit des Eusebius. Vgl. Laqueur S. 50 ff. ↩
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Nach der Abdankung des Diokletian (1. Mai 305) wurden seine beiden Cäsaren Konstantius Chlorus und Galerius Maximianus Augusti. Galerius bestellte als Cäsaren Severus und Maximinus. An Stelle des Severus trat 307 Licinius als Augustus. ↩
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d. h. von den vier gleichzeitig regierenden Herrschern. ↩
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Konstantin wurde 306 in Britannien zum Kaiser ausgerufen. ↩
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= Maximianus Herkulius. ↩
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Vgl. Laqueur, S. 59—61. ↩
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Vgl. Eusebius, Leben Konstantins I 47 (Ausgabe von J. A. Heikel in „Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte“. Leipzig 1902.) ↩