7. Kap. Das gegen uns an Säulen veröffentlichte Edikt.
Mitten in den Städten wurden, was zuvor nie der Fall war, die gegen uns eingereichten Bittgesuche der Städte1 und die Reskripte mit den darauf erfolgten kaiserlichen Verordnungen öffentlich durch Eingrabung auf ehernen Säulen bekanntgegeben. Die Kinder in den Schulen führten täglich den Namen Jesus und Pilatus und die zum Hohne erdichteten Akten im Munde. Es scheint mir geboten, eben diesen Erlaß des Maximinus, wie man ihn den Säulen anvertraut, hier einzufügen. Es soll damit die prahlerische und übermütige Anmaßung dieses Gottesfeindes ebenso offenbar werden wie die heilige, nimmer schlummernde, gegen die Gottlosen gerichtete, die Sünden hassende Gerechtigkeit, die seinen Fersen folgte. Denn von dieser getrieben, faßte er bald darauf entgegengesetzte Beschlüsse in unserer Angelegenheit und gab sie in schriftlich niedergelegten Gesetzen kund.
Abschrift einer Übersetzung des Reskriptes, das Maximinus auf die gegen uns eingereichten Bittgesuche erlassen, entnommen der Säule in Tyrus:2
„Endlich einmal hat die schwächliche Kühnheit des menschlichen Verstandes alle Nacht und allen Nebel des S. 416 Irrtums, der ehedem die Gemüter der nicht so sehr gottlosen als unglücklichen Menschen in dem verderblichen Dunkel der Torheit verstrickt und gefangen gehalten, abgeschüttelt und zerstreut und zu erkennen vermocht, daß alles von der gütigen Vorsehung der unsterblichen Götter gelenkt und geordnet werde. Es läßt sich nicht in Worte fassen, wie erfreulich, wie erwünscht und angenehm uns diese Tatsache ist; denn ihr habt einen herrlichen Beweis eurer gottesfürchtigen Gesinnung gegeben. Es war ja schon früher allgemein bekannt, welche Hochachtung und Verehrung ihr gegen die unsterblichen Götter hegtet, in denen nicht ein Glaube an leere und gehaltlose Worte, sondern eine ununterbrochene Reihe wunderbarer und herrlicher Taten sich offenbart. Darum dürfte eure Stadt billig ‚Sitz und Wohnung der unsterblichen Götter’ genannt werden. Viele Beispiele bekunden wenigstens, daß sie durch die Anwesenheit der himmlischen Götter ausgezeichnet sei. Und siehe da, als nun eure Stadt das, was ihr am Herzen hätte liegen sollen, vernachlässigt und die Gebete für das eigene Wohl beiseite gesetzt, dann aber erfuhr, wie die Anhänger der verfluchten Torheit von neuem um sich zu greifen begannen gleich einem Scheiterhaufen, der, vernachlässigt und schlummernd, sobald der Brand wieder angefacht wird, in mächtigen Flammen emporlodert, da nahm sie sofort ohne Zögern zu unserer Frömmigkeit als dem Mutterlande aller Religion ihre Zuflucht und flehte um Rettung und Hilfe. Sichtlich haben euch die Götter diesen heilbringenden Gedanken wegen eures Glaubens und eurer Frömmigkeit eingegeben. Wahrlich unser höchster und größter Jupiter, der über eurer glänzenden Stadt thront, der eure heimischen Götter, eure Frauen S. 417 und Kinder, euren Herd und eure Häuser vor jedem Unheil und Verderben bewahrt, er ist es, der euren Seelen das rettende Wollen eingehaucht und euch gezeigt und kundgetan, wie erhaben, herrlich und heilsam es ist, mit der schuldigen Ehrfurcht dem Dienste und den heiligen Bräuchen der unsterblichen Götter sich zu nahen. Denn wo könnte man jemanden finden, der so töricht und so sehr allen Verstandes bar wäre, daß er nicht erkennte: der Güte und Sorge der Götter ist es zu danken, daß die Erde den ihr anvertrauten Samen nicht zurückweist und so die Landleute, eitel wartend, in ihrer Hoffnung täuscht, daß nicht das Gespenst eines ruchlosen Krieges unbehindert Fuß fasse auf der Erde, die Atmosphäre nicht verpeste und die Körper entstellt dem Tode entgegensiechen, daß das Meer nicht, aufgepeitscht von gewaltigen Winden, zu hohen Wogen sich türme, und nicht unerwartet ausbrechende Orkane zerstörende Ungewitter bringen, daß nicht die Erde, die Ernährerin und Mutter aller, in furchtbarem Beben aus ihren tiefsten Schlünden versinke und die Berge, die auf ihr lasten, in den sich öffnenden Abgründen verschlinge. Solche und noch viel schlimmere Übel waren ehedem, wie jedermann weiß, oftmals hereingebrochen. Und all das war geschehen wegen des verderblichen Irrwahns und der eitlen Torheit jener ruchlosen Menschen, da diese Macht bekommen über ihre Seelen und, man könnte fast sagen, den ganzen Erdkreis mit Schmach bedeckten.“
Diesen Worten fügt er nach anderem hinzu:
„Sie mögen betrachten auf den weiten Ebenen die Saaten, wie sie blühen und wie ihre Ähren wogen, die Wiesen, wie sie infolge wohltuenden Regens mit Kräutern und Blumen sich schmücken, die Luft, wie sie wiederum milde und ganz ruhig geworden! Alle sollen sich freuen, daß durch unsere Frömmigkeit und Ehrfurcht und unser Opfern die Macht des gar gewaltigen S. 418 und starken Mars besänftigt ist,3 und frohlocken über den heiteren Frieden, den sie darob in Sicherheit und Ruhe genießen. Und alle jene, die aus dem blinden Irrtum und Abweg gänzlich herausgefunden haben und zur richtigen und völlig gesunden Einsicht zurückgekehrt sind, mögen sich noch mehr freuen, da sie, wie aus unerwartetem Gewittersturm oder schwerer Krankheit befreit, für die Zukunft des Lebens frohen Genuß gewonnen. Die aber an ihrer verfluchten Torheit festhalten sollen eurem Wunsche gemäß aus eurer Stadt und deren Umgebung entfernt und verbannt werden, damit eure Stadt zum Lohne für euren lobenswürdigen Eifer so vor jeder Befleckung und Gottlosigkeit bewahrt bleibe und nach dem ihr eigenen Verlangen mit der schuldigen Ehrfurcht dem Dienste der unsterblichen Götter obliege. Damit ihr aber wisset, wie angenehm uns diese eure Bitte war, und wie sehr unsere Seele zum Wohltun neigt, aus freiem Antrieb und abgesehen von Gesuchen und Bitten, so stellen wir eurer Erhabenheit anheim, als Lohn für eure gottliebende Gesinnung eine Gnade, so groß sie sei, zu erbitten. Geruhet, diese Bitte zu stellen und die Gabe entgegenzunehmen! Ohne Verzug sollt ihr sie empfangen. Und dieses eurer Stadt gewährte Geschenk wird für alle Zeiten Zeugnis geben von eurer frommen Gesinnung gegen die unsterblichen Götter und euren Kindern und Enkeln verkünden, daß ihr in Ansehung dieser eurer Lebensführung geziemenden Lohn von unserer Güte empfangen habt.“
Dieses gegen uns erlassene Reskript wurde in jeder Provinz öffentlich bekannt gegeben. Nach menschlichem Ermessen war damit jede Hoffnung für unsere Sache ausgeschlossen. Die Verhältnisse lagen so, daß gemäß dem bekannten Gottesworte4 selbst die Auserwählten, wenn es möglich wäre, daran Anstoß genommen hätten. Schon war bei den meisten die Hoffnung im Sin- S. 419 ken,5 als plötzlich, da die mit dem Schreiben gegen uns betrauten Boten in manchen Gebieten noch unterwegs waren, Gott, der Streiter für seine eigene Kirche, seine himmlische Hilfe uns offenbarte und dem Übermut des Tyrannen wider uns ein Ziel setzte.
-
Vgl. oben S. 413 Anm. 1. ↩
-
Zu dem folgenden kaiserlichen Erlasse vgl. die berühmte Urkunde von Arykanda, veröffentlicht in „Archäol.-epigraph. Mitt. aus Österreich-Ungarn“, hrsg. von Benndorf und Bormann (1893), S. 93 f. 108; „Orientis Graeci inscriptiones“, hrsg. von W. Dittenberger, S. 569; O. Gebhardt, „Ausgewählte Märtyrerakten“ (1902), S. 184 f. — Der Text des kaiserlichen Erlasses war Eusebius bei der ersten Niederschrift des 9. Buches noch nicht bekannt. Laqueur, S. 106—114. ↩
-
Der Text ist hier verderbt. ↩
-
Matth. 24, 24. ↩
-
Vgl. Luk. 21. 26. ↩