28. Kap. Der Häresiarch Cerinth.
Zur erwähnten Zeit1 lebte, wie wir erfahren haben, Cerinth, der Führer einer anderen Häresie. Gaius, den wir schon oben2 zitiert haben, schreibt über ihn in seiner S. 137 Untersuchung: „Und Cerinth gibt uns in Offenbarungen die den Anschein erwecken, als wären sie von einem großen Apostel geschrieben, falsche, wunderliche Berichte, von welchen er behauptet, daß sie ihm von Engeln gegeben worden seien. Er erzählt nämlich, daß nach der Auferstehung das Reich Christi auf Erden sein werde und daß die Leiber in Jerusalem leben und sich wiederum Leidenschaften und Vergnügungen hingeben werden. Und im Widerspruch mit den Schriften Gottes und in verführerischer Absicht erklärt er, daß ein Zeitraum von tausend Jahren in freudiger Hochzeitsfeier verfließen werde.“ Dionysius, der zu unserer Zeit Bischof der Kirche von Alexandrien geworden war, erwähnt im zweiten Buche seiner „Verheißungen“,3 in denen er unter Berufung auf alte Überlieferung einiges über die Offenbarung des Johannes berichtet, Cerinth mit folgenden Worten: „Cerinth, der auch die nach ihm genannte cerinthische Sekte gestiftet hatte, wollte seinem Werke einen Namen von Klang geben. Der Inhalt seiner Lehre war nämlich: das Reich Christi wird auf Erden erscheinen. Wonach er selbst, der in seinen Leib verliebt und ganz fleischlich gesinnt war, verlangte, darin würde — so träumte er — das Reich Christi bestehen, d. i. in der Befriedigung des Magens und der noch tiefer gelegenen Organe, also in Speise und Trank und ehelichen Genüssen und — wodurch er besseren Eindruck zu erwecken glaubte — in Festen, Opfern und Schlachtungen von Opfertieren.“ So berichtet Dionysius, Irenäus hat, nachdem er im ersten Buche seiner Schrift „Gegen die Häresien“ einige geheime Truglehren des Cerinth angeführt hatte,4 im dritten Buche eine Geschichte, die nicht vergessen werden darf, überliefert. Auf Grund einer Mitteilung Polykarps berichtet er nämlich:5 „Der Apo- S. 138 stel Johannes ging einmal in eine Badeanstalt, um sich zu baden. Doch als er erfuhr, daß Cerinth im Bade sei, verließ er die Anstalt und eilte dem Ausgang zu, da er es nicht über sich brachte, unter einem Dache mit ihm zu weilen. Seine Umgebung aber forderte er auf, das gleiche zu tun, mit den Worten: ‚Lasset uns fliehen! Denn es ist zu fürchten, daß die Badeanstalt einstürze, da Cerinth, der Feind der Wahrheit, drinnen ist.’“6
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d. i. zur Zeit Trajans. ↩
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II 25 (S. 97). ↩
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Dionysius wandte sich in dieser verlorengegangenen Schrift gegen den Bischof Nepos von Arsinoë, der unter Ablehnung der allegorischen Exegese des Origenes die Apokalypse in chiliastischem Sinne erklärt hatte. Vgl. unten VII 24 und 25. ↩
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I 26, 1. ↩
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III 3, 4. ↩
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Vgl. G. Bardy, „Cérinthe”, in Révue biblique 1921, S. 344—371. ↩