8.
Aber wie, mochten die Apostel fragen, soll Gott durch uns verherrlicht werden, wenn die Menschen uns schmähen werden? Ja, aber doch nicht alle Menschen werden dies tun; und selbst jene, die aus Hass so handeln, werden euch in ihrem Herzen bewundern und euch Recht geben, wie sie anderseits diejenigen in ihrem Inneren verurteilen, die offen den Sündern schmeicheln. Was ist also dann zu tun? Willst du, dass wir unser Leben zur Schau stellen, um recht geehrt zu werden? Durchaus nicht; so ist es nicht gemeint. Ich habe ja auch nicht gesagt: Sorget ihr dafür, dass eure guten Werke öffentlich bekannt werden, und ebenso wenig habe ich gesagt: Stellet dieselben zur Schau, sondern: „euer Licht soll leuchten“, das heißt: ihr sollt große Tugend besitzen, reichliches Feuer und sehr viel Licht. Wenn nämlich die Tugend so groß ist, dann kann sie auch nicht verborgen bleiben, wenn auch derjenige, der sie besitzt, sie tausendmal verbergen möchte. Führet vor ihnen ein tadelloses Leben, und gebt ihnen keinerlei begründeten Anlass zur Klage; dann kann euch niemand in Schatten stellen, wenn auch tausend Kläger kommen. Auch sagte der Herr mit Recht: das Licht; denn nichts fällt am Menschen so in die Augen als Zeichen der Tugend, wenn er sie auch noch so sehr verbergen will. Ja, als wäre er selbst mit dem Lichte der Sonne bekleidet, so strahlt der Tugendhafte noch heller als diese, und sendet seine Lichtstrahlen nicht bloß über die Erde hin, sondern sogar über den Himmel hinaus. Deshalb spricht der Herr den Aposteln noch mehr Trost zu. Wenn ihr es auch schmerzlich empfindet, sagt er, gelästert zu werden, ihr werdet doch auch viele finden, die euretwegen Gott bewundern werden. Für beides werdet ihr belohnt werden, sowohl dafür, dass durch euch Gott verherrlicht wird, als auch dafür, dass ihr um S. 259Gottes willen gelästert werdet.
Damit wir aber dann Schmähungen nicht geradezu suchen, wegen des Lohnes, der darauf gesetzt ist, so hat Christus seine Verheißung auch nicht so ohne weiteres gegeben, sondern mit zwei Beschränkungen: nämlich, dass es nicht wahr sei, was man gegen uns sagt, und dann, dass es Gottes wegen geschehe. Außerdem zeigt er, dass nicht bloß böse, sondern auch gute Nachreden großen Nutzen stiftet, weil die Ehre davon auf Gott zurückfällt; und so weckt er in ihnen die besten Hoffnungen. Die Verleumdungen der Bösen, will er sagen, vermögen nicht soviel, dass sie auch den anderen die Möglichkeit nähmen, das Licht zu sehen, das in euch ist. Nur wenn ihr schal geworden seid, dann werden sie euch mit Füßen treten, nicht aber, wenn ihr eure Pflicht tut und dafür verleumdet werdet. In diesem Falle werdet ihr sogar viele finden, die euch bewundern, und nicht bloß euch, sondern in euch auch euren1 Vater. Auch sagte er hier nicht: Gott, sondern: den Vater, und legt damit schon die Grundlage für den zukünftigen Adel, der ihnen verliehen werden soll. Um sodann zu zeigen, dass auch ihm gleiche Ehre2 zukommt, hat er oben gesagt: Seid nicht traurig, wenn man Böses gegen euch redet; es genügt euch, wenn es um meinetwillen geschieht. Hier dagegen nennt er den Vater, und offenbart damit, dass er ihm in allem gleich ist. Nachdem wir also wissen, welcher Lohn des Eifrigen harrt, und welche Gefahr demjenigen droht, der nachlässig ist3 , so bemühen wir uns, kein Ärgernis zu geben, weder den Juden noch den Heiden, noch auch der Kirche Gottes. Solange aber unser Leben die Sonne an Reinheit und Glanz übertrifft, solange mag einer schlecht von uns reden; wir brauchen uns über die böse Rede nicht zu betrüben, sondern nur dann, wenn man uns mit Recht Böses nachsagt. Wenn wir nämlich in Sünde leben, so braucht uns niemand erst Böses nachzusagen, S. 260wir sind doch schlimmer daran, als alle anderen. Wenn wir uns aber der Tugend befleißen, so mag die ganze Welt uns schmähen, wir werden gerade dann am beneidenswertesten sein, und werden alle an uns ziehen, denen an ihrem Seelenheil gelegen ist. Diese werden sich eben nicht um die Verunglimpfungen der Bösen kümmern, sondern lieber auf ein tugendhaftes Leben bedacht sein. Der Beweis aus euren Werken spricht lauter als der lauteste Herold und ein reines Leben glänzt mehr, als selbst das Licht, auch wenn tausend Verleumder wider euch aufträten.
Wenn wir also alle die obengenannten Tugenden besitzen, wenn wir sanftmütig, demütig und barmherzig sind, reinen Herzens und friedfertig, wenn wir Schmähreden nicht mit Schmähungen vergelten, sondern uns sogar freuen über sie, dann werden wir diejenigen, die uns beobachten, nicht weniger an uns ziehen, als Wunderzeichen dies tun könnten, und alle werden mit Freude zu uns kommen und wäre einer auch ein wildes Tier oder ein Teufel oder sonst etwas. Wenn aber auch einige mit Verleumdungen kommen, so verliere deswegen die Fassung nicht, und mache dir nichts daraus, dass sie dich öffentlich schmähen, prüfe nur ihr eigenes Gewissen und du wirst sehen, dass sie dir Beifall spenden und dich bewundern und tausend Dinge zu deinem Lobe aufzuzählen wissen. Siehe nur, wie Nabuchodonosor die Jünglinge im Feuerofen lobt; und doch war er ihr Gegner und Feind. Nachdem er aber gesehen, wie standhaft sie waren, da lobte er sie und spendete ihnen den Siegespreis, und das aus keinem anderen Grunde, als weil sie seinen Befehl missachtet und das Gesetz Gottes befolgt hatten. Wenn nämlich der Teufel sieht, dass er nichts ausrichtet, so zieht er sich zurück aus Furcht, er könnte uns sonst noch mehr Lorbeeren einbringen. Sobald er aber fort ist, da mag einer noch so schlecht und verdorben sein, er wird die Tugend erkennen, nachdem die Ursache seiner vorigen Blindheit gehoben ist. Wenn dann aber auch Menschen irren, von Gott erlangst du nur um so mehr Lob und Bewunderung.