• Home
  • Works
  • Introduction Guide Collaboration Sponsors / Collaborators Copyrights Contact Imprint
Bibliothek der Kirchenväter
Search
DE EN FR
Works John Chrysostom (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Achtzehnte Homilie. Kap. V, V.38-48.

4.

S. 331 Wenn aber jemand genau zusehen will, so kann er noch eine ganz andere Steigerung finden, die noch viel mehr besagt als dies. Der Herr befahl nämlich, den Feind nicht einfach bloß zu lieben, sondern auch für ihn zu beten. Siehst du jetzt, wie viele Stufen der Herr uns emporführt, und wie er uns damit auf die höchste Höhe der Tugend gestellt hat? Betrachte aber die Stufenleiter so, dass du von unten an zählst. Die erste Stufe ist die, kein Unrecht entstehen zu lassen; die zweite, wenn doch schon ein Unrecht geschehen ist, Gleiches mit Gleichem zu vergelten; die dritte, dem, der uns misshandelt hat, nicht dasselbe zuzufügen, sondern uns in Geduld zu fassen; die vierte, sich zum Empfang von Unbilden sogar selber anzubieten; die fünfte, noch mehr zu tun, als jener will, der uns Böses tat; die sechste, den nicht zu hassen, der uns solches angetan; die siebte, ihn sogar noch zu lieben; die achte, ihm auch noch Gutes zu tun, die neunte, selbst noch bei Gott für ihn zu beten. Siehst du da den Gipfel der Tugend! Dafür empfängt ein solcher aber auch einen herrlichen Lohn. Da nämlich das Gebot schwer war, und1 eine jungendfrische Seele erheischte, sowie auch großen Eifer, so setzt der Herr auch einen solchen Lohn darauf wie auf kein anderes der vorausgehenden Gebote. Hier erwähnt er nicht die Erde, wie bei den Sanftmütigen, nicht Trost und Erbarmen, wie bei den Trauernden und Barmherzigen, auch nicht das Himmelreich, nein, etwas, das viel größer und schauererregender ist: Das Ähnlichwerden mit Gott, soweit dies für Menschen möglich ist. „Auf dass ihr“, sagt er, „ähnlich werdet eurem Vater, der im Himmel ist.“

Du aber beachte, wie Christus weder hier noch im vorausgehenden Gott seinen eigenen Vater nennt, sondern das eine Mal, wo er vom Schwören redet, nennt er ihn „Gott“ und „großer König“, hier dagegen „ihren Vater“. Das tut er aber deswegen, weil er seine Mitteilungen hierüber für die richtige Zeit vorbehält. Sodann erklärt er aber auch noch des weiteren diese Gottähnlichkeit und sagt: „Er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute, lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“ Gott, will er sagen, hegt nicht nur keinen S. 332 Hass, er spendet sogar Wohltaten denen, die ihn beleidigen. Freilich ist das beiderseitige Tun durchaus nicht gleich, nicht nur hinsichtlich der Größe der Wohltat, sondern auch, weil Gott an Würde unendlich erhabener ist. Du wirst ja nur von einem Mitsklaven beleidigt, er aber von seinem Diener, dem er tausendfach Gutes getan; du spendest nur Worte, wenn du für deinen Feind betest, er hingegen gar große, wunderbare Gaben, er gibt uns die gemeinsame Sonne und den zu bestimmten Zeiten wiederkehrenden Regen. Aber trotzdem,2 verleihe ich euch die Gottähnlichkeit, soweit ein Mensch sie besitzen kann. Hasse also nicht den, der dir Böses zufügt, da er dir ja solche Vorteile einbringt und dich zu so hoher Ehre emporführt; fluche nicht dem, der dich schlägt, sonst bleibt dir zwar die Beschwerde, des Lohnes aber gehst du verlustig; ihm wirst du zwar Schaden verursachen, damit aber deinen Verdienst zerstören. Es wäre aber doch höchst töricht, wenn wir das nicht ertragen wollten, was leichter ist, nachdem wir das schwerere über uns hatten ergehen lassen.

Aber, fragst du, wie soll ich das zustande bringen? Nun, wenn du siehst, wie Gott Mensch geworden, so tief herabgestiegen ist und so viel für dich gelitten hat, da fragst du noch und zweifelst, wie es möglich sein sollte, unseren Mitsklaven ihr Unrecht zu verzeihen? Hörst du nicht, wie Christus am Kreuze spricht: „Verzeihe ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“3. Hörst du nicht Paulus sagen:„Derjenige, der hinaufgestiegen ist, und zur Rechten Gottes sitzt, legt Fürbitte ein für uns“?4 Siehst du nicht, dass er auch nach seinem Tod am Kreuze und nach seiner Himmelfahrt den Juden, die ihn getötet hatten, die Apostel sandte, die ihnen unendlich viele Wohltaten bringen sollten, während sie selber tausendfaches Böse von ihnen zu erfahren hatten? Aber dir hat man ein großes Unrecht angetan? Aber wann hattest du etwas Ähnliches zu leiden, wie dein Herr, den man gefesselt, gegeißelt, ins Gesicht S. 333 geschlagen hat, der von den Dienern angespuckt wurde, der den Tot erlitt, und zwar von allen Todesarten die schimpflichste, und dies alles, nachdem er unendlich viel Gutes getan hatte? Allein, selbst wenn dir großes Unrecht geschehen ist, vergilt es gerade deshalb mit Gutem, damit so dein einstiger Siegeskranz nur um so herrlicher glänze und du deinen Bruder von seiner äußerst gefährlichen Krankheit befreiest. Auch die Ärzte haben ja gerade dann, wenn sie von ihren Kranken im Fieberwahn geschlagen und beschimpft werden, am meisten Mitleid mit ihnen und geben sich Mühe, dieselben zu heilen, da sie wohl wissen, dass die Schimpfworte nur eine Folge des übermäßigen Fiebers sind. Denke also auch du so von denen, die es auf dich abgesehen haben und verhalte dich ebenso gegen die, die dir Unrecht tun. Gerade diese sind es ja, die eigentlich krank sind und unter der Herrschaft eines unwiderstehlichen Zwanges stehen. Befreie ihn also von diesem bösen Frevelmut, hilf ihm seinen Zorn abzulegen, und errette ihn von dem bösen Dämon des Hasses. Wir sind ja auch zu Tränen gerührt, wenn wir einen Besessenen sehen, und hüten uns wohl, auch selbst vom Dämon erfasst zu werden. Machen wir es auch hier so bei denen, die uns zürnen. Die Zornmütigen sind ja den Besessenen ganz ähnlich, oder besser gesagt, sie sind noch schlimmer daran als sie, da sie trotz ihres Verstandes sich rasend gebärden. Darum verdient auch ihr Irrsinn keine Nachsicht.


  1. zu seiner Erfüllung ↩

  2. sagt der Herr, ↩

  3. Lk 23,34 ↩

  4. Röm 8,34 ↩

pattern
  Print   Report an error
  • Show the text
  • Bibliographic Reference
  • Scans for this version
Download
  • docxDOCX (1.04 MB)
  • epubEPUB (1.01 MB)
  • pdfPDF (3.23 MB)
  • rtfRTF (3.18 MB)
Translations of this Work
Commentaire sur l'Evangile selon Saint Matthieu Compare
Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)

Contents

Faculty of Theology, Patristics and History of the Early Church
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Imprint
Privacy policy