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Works John Chrysostom (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Neunzehnte Homilie. Kap. VI, V.1-15.

5.

Eben darnach verlangt auch der hl. Paulus Tag für Tag; darum sagte er: „Auch wir, die wir den Anfang des Heiligen Geistes besitzen, wir seufzen in der Erwartung der Gotteskindschaft und der Befreiung unseres Leibes“1. Wer nämlich eine solche Liebe besitzt, der kann weder von dem Glück dieses Lebens aufgeblasen, noch vom Unglück niedergebeugt werden; vielmehr hält er sich von beiden Extremen fern, wie einer, der schon im Himmel weilt. „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden!“ Siehst du, wie folgerichtig dies ist? Der Herr hieß uns nach den zukünftigen Dingen verlangen tragen und nach dem Heimgang in die andere Welt uns sehnen. Solange aber der Zeitpunkt hierfür noch nicht gekommen ist, sollen wir uns bemühen, auch hienieden schon das gleiche Leben zu führen wie die Himmelsbewohner. Wir sollen, sagt er, uns nach dem Himmel S. 353 sehnen und nach dem, was im Himmel ist; wir sollen aber auch schon vorher, bevor wir in den Himmel kommen, die Erde zum Himmel machen und hienieden so leben, als befänden wir uns schon drüben, sollen alles so tun und so reden und auch in dieser Absicht zum Herrn beten. Das Leben auf dieser Erde ist nämlich durchaus kein Hindernis, die Vollkommenheit der himmlischen Mächte zu erreichen; vielmehr kann man auch in dieser Welt schon in allem so leben, als wäre man bereits im Himmel. Was also der Herr sagen will, ist dies: So, wie dort alles ohne Hindernis geschieht, und die Engel nicht dem einen Befehl gehorchen, dem anderen sich widersetzen, vielmehr in allem willfährig und gehorsam sind23, so gib, dass auch wir Menschen Deinen Willen nicht halb tun, sondern alles beobachten, so wie Du es willst. Siehst du, wie Christus uns auch Bescheidenheit lehrte, indem er uns zu verstehen gab, dass die Tugend nicht nur ein Werk unseres Eifers ist, sondern auch der Gnade von oben. Und auch hier hieß er wieder einen jeden von uns im Gebete für das Wohl der ganzen Welt bedacht zu sein. Er sagte nämlich nicht; Es geschehe Dein Wille an mir, oder an uns, sondern: Auf der ganzen Welt, auf dass aller Irrtum verschwinde, die Wahrheit erscheine, jegliches Böse ausgerottet werde, die Tugend ihren Einzug halte und so kein Unterschied mehr bestehe zwischen Himmel und Erde. Wenn das geschähe, meint er, wären Irdisches und Himmlisches gleich, wenn auch der Natur nach verschieden, indem wir uns auf der Welt wie andere Engel aufführten.

V.11: „Gib uns heute unser tägliches Brot.“

Was heißt das: Unser tägliches Brot? Das ist das Brot, das für je einen Tag ausreicht. Der Herr hatte ja gesagt: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden“; das sagte er aber zu Menschen, die im Fleische leben und den Gesetzen der Natur unterworfen sind, und nicht ebenso empfindungslos sein können, wie S. 354 die Engel. Dennoch will er allerdings, dass wir seine Gebote ebenso gut halten, wie sie von jenen erfüllt werden; dafür nimmt er dann aber auch Rücksicht auf die Schwäche unserer Natur. Denn, sagt er, was ich verlange, ist die gleiche Gewissenhaftigkeit in der Beobachtung der Gebote, nicht aber die Unempfindlichkeit; das lässt ja das unbeugsame Gesetz der Natur nicht zu; sie bedarf eben der notwendigen Nahrung. Du aber beachte, wie auch in den materiellen Dingen viel geistiger Inhalt verborgen liegt. Der Herr hieß uns ja nicht um Reichtum bitten, nicht um üppiges Leben, nicht um kostbare Kleider, um nichts dergleichen; nur um Brot, und zwar um soviel Brot, als für einen Tag genügt, so dass wir uns nicht um den nächsten Tag kümmern sollen. Darum fügt er hinzu: das tägliche Brot, d.h. soviel, als für den Tag genügt. Aber auch dieser Ausdruck genügte ihm noch nicht. Er setzte noch ein zweites Wort hinzu, und sagte: „Gib uns heute“, damit wir uns nicht unnötigerweise mit der Sorge um den nächstfolgenden Tag beunruhigen. Da du nämlich gar nicht weißt, ob du den kommenden Tag erleben wirst, was bist du in Sorge um ihn? Die gleiche Weisung schärfte der Herr im Folgenden noch mehr ein, indem er sagte: „Seid nicht in Sorge um den folgenden Tag“4. Auch will er, dass wir jederzeit gegürtet und marschbereit seien, und der Natur nur soviel zugestehen, als die notwendigen Bedürfnisse von uns erheischen. Da es aber sodann vorkommt, dass man auch nach dem Bade der Wiedergeburt Sünden begeht, so gibt er auch da wieder einen Beweis seiner Liebe, indem er uns befiehlt, uns um Nachlass unserer Sünden an den liebenden Gott zu wenden, und also zu beten:

V.12: „Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“

Siehst du da das Übermaß der Liebe? Nachdem er uns von so vielen Übeln befreit und uns ein unaussprechlich hohes Geschenk verliehen, gewährt er den Sündern noch einmal Verzeihung! Dass nämlich diese Bitte die S. 355Gläubigen betrifft, lehren uns sowohl die Satzungen der Kirche, als auch der Anfang des Gebetes. Ein Ungetaufter kann ja doch Gott noch nicht seinen Vater nennen. Wenn also dieses Gebet die Getauften im Auge hat, und diese um Nachlass ihrer Sünden bitten sollen, so ist es klar, dass die Wohltat der Buße auch dem Getauften nicht entzogen ist. Hätte Christus das nicht dartun wollen, so hätte er uns auch nicht darum zu beten befohlen. Nachdem er aber die Sünden erwähnt und uns um deren Nachlass zu bitten geheißen, ja uns auch die Art und Weise gezeigt, wie wir die Verzeihung erlangen können, und uns den Weg dazu geebnet hatte, so ist es klar, dass er uns absichtlich zeigen wollte, dass es auch nach der Taufe eine Abwaschung der Sünden gibt; darum hat er uns diese Bitte vorgeschrieben. Durch die Erinnerung an die Sünde leitete er uns zur Bescheidenheit an; durch den Befehl, anderen zu verzeihen, befreite er uns von jeglicher Rachsucht; dadurch endlich, dass er dafür auch uns Verzeihung verheißt, erfüllt er uns mit froher Hoffnung und veranlasst uns, über die unaussprechliche Liebe Gottes zu uns nachzudenken.


  1. Röm 8,23 ↩

  2. „denn“, heißt es, „sie sind mächtig in ihrer Kraft und gehorsam seinem Willen“ ↩

  3. Ps 102,20 ↩

  4. Mt 6,34 ↩

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