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Works John Chrysostom (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Neunzehnte Homilie. Kap. VI, V.1-15.

6.

Was wir aber ganz besonders merken müssen, ist dies: Indem der Herr in jedem einzelnen Satz die Gesamtheit der Tugenden in Erinnerung bringt, schließt er darin auch das Verbot der Rachsucht ein. So kann den Namen Gottes nur heiligen, wer ein vollkommen tadelloses Leben führt. Dasselbe gilt von der Bitte, es möge sein Wille geschehen. Um ferner Gott seinen Vater nennen zu können, ist ebenfalls ein reiner Lebenswandel erforderlich. In all dem ist aber auch das Gebot mit inbegriffen, allem Hass gegen jene zu entsagen, die wider uns sich versündigt haben. Gleichwohl genügte ihm das noch nicht. Um zu zeigen, wieviel ihm an dieser Sache liege, hat er sie auch ausdrücklich erwähnt, und nach dem Gebet kommt er auf kein anderes Gebot mehr zurück als gerade auf dieses; er sagt da: „Wenn ihr den Menschen ihre Sünden verzeiht, so wird euch auch euer Vater verzeihen, der im Himmel ist“1. Der Anfang S. 356 steht also bei uns, und in unserer Hand liegt unser eigenes Gericht. Damit nämlich keiner, auch von den Roheren nicht, sich irgendwie über das Urteil beklagen könne, sei es in Kleinem oder in Großem, so macht er dich zum verantwortlichen Herrn über das Gericht und sagt: So, wie du dich selber gerichtet hast, so richte auch ich dich. Wenn du deinem Mitmenschen verzeihst, so wirst du auch von mir die gleiche Gnade erlangen, obwohl zwischen beiden ein großer Unterschied besteht. Denn du verzeihst, weil du selbst der Verzeihung bedarfst; Gott hingegen hat niemandes Verzeihung nötig. Du verzeihst einem Mitmenschen, Gott dagegen seinem Diener; du bist tausendfacher Missetaten schuldig, Gott ist sündelos. Gleichwohl gibt er dir auch so einen Beweis seiner Huld. Er hätte dir ja deine Sünden auch ohnedies nachlassen können: doch will er, dass du auch daraus Vorteil schöpfest, dass er dir auf jede Weise und unzähligemale Gelegenheit zur Übung der Sanftmut und der Nächstenliebe bietet, um deine ungezähmte Wildheit auszutreiben, deinen Zorn zu ersticken und dich auf jede Weise mit dem zu vereinen, der ein Glied von dir selbst ist. Oder was hättest du denn dagegen einzuwenden? Dass du von deinem Nächsten ein Unrecht erfuhrest? Nein, wo ein Unrecht ist, da ist eben Schuld, so wie da keine Schuld ist, wo Gerechtigkeit geübt wird. Aber auch du kommst ja zu Gott in der Absicht, für solche Schulden Verzeihung zu erlangen, ja für noch viel größere. Und selbst bevor du noch Verzeihung erlangst, empfängst du kein geringes Geschenk, nämlich die Erkenntnis, eine menschliche Seele zu besitzen, und die Anleitung zu jeglicher Übung der Sanftmut. Zu all dem erwartet dich im Himmel auch noch ein großer Lohn, indem dich niemand für deine Sünden zur Rechenschaft zieht. Welche Strafe würden wir also nicht verdienen, wenn wir unser Heil verscherzten, das in unsere Hand gelegt worden ist? Wie verdienten wir für unsere sonstigen Anliegen Erhörung, wenn wir gegen uns selbst keine Schonung kennen in Dingen, die unserer Entscheidung anheimstehen?

S. 357

V.13: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel. Denn Dein ist die Herrschaft und die Macht und die Ehre in Ewigkeit. Amen.“

Hier belehrt uns Christus in klarer Weise über unsere eigene Armseligkeit und vernichtet unseren Hochmut durch die Weisung, dem Kampfe aus dem Wege zu gehen, nicht aber ihn zu suchen. So wird nämlich der Sieg auch für uns ehrenvoller sein, die Niederlage für den Teufel demütigender. Wenn wir zum Kampf genötigt werden, dann müssen wir mannhaft hinstehen; wo wir nicht gerufen sind, ruhig bleiben, die rechte Zeit zum Kampfe abwarten und dadurch zeigen, dass wir nicht ruhmsüchtig sind und dennoch Mut besitzen. Wenn aber der Herr den Teufel hier das Übel nennt, so will er uns damit gebieten, einen unerbittlichen Kampf gegen ihn zu führen, und will zeigen, dass der Teufel nicht von Natur aus so böse ist. Schlechtigkeit ist ja nicht ein Ausfluss der Natur, sondern des freien Willens. Der Teufel wird aber so recht eigentlich der Böse genannt wegen des Übermaßes seiner Bosheit, und weil er gegen uns einen unversöhnlichen Krieg führt, obwohl wir ihm gar nichts zuleid getan haben. Darum, sagte der Herr auch nicht: Erlöse uns von den Übeln, sondern: Von dem Übel. Er gibt uns damit die Lehre, niemals unwillig gegen unsere Nächsten zu sein, wenn wir etwa etwas Böses von ihnen zu ertragen haben, sondern unsere Feindschaft von diesen auf jenen zu übertragen, da ja er an allem Übel schuld ist. Nachdem uns also der Herr durch die Erwähnung des „Feindes“ zum Kampfe gerüstet und alle Trägheit aus uns ausgetrieben hat, so macht er uns auch wieder Mut, und rüstet uns geistig auf durch den Hinweis auf den König, unter dem wir streiten, und der mächtiger ist als alles. „Denn“, sagt er, „Dein ist die Herrschaft und die Macht und die Ehre.“ Wenn also er die Herrschaft besitzt, so brauchen wir niemand zu fürchten, da es ja keinen gibt, der ihm zu widerstehen vermöchte und die Herrschaft mit ihm teilen könnte. Durch den Ausdruck: „Dein ist die Herrschaft“, zeigt er eben, dass auch jener unser Widersacher ihm, unterworfen ist, wenn es S. 358auch den Anschein hat, als könne er ihm Widerstand leisten. Das lässt eben Gott vorläufig so zu. Auch er gehört ja zu den Dienern Gottes, freilich zu den entehrten und verstoßenen. Auch würde er es nicht wagen, irgendeinen seiner Mitdiener anzugreifen, hätte er nicht vorher von oben die Macht dazu erhalten. Und was rede ich von den Mitdienern? Nicht einmal gegen Schweine vermochte er etwas auszurichten, bis der Herr es ihm erlaubte; auch gegen Schafe und Rinderherden kann er nichts, ohne dass er die Macht dazu von oben erhält. „Und die Macht“, heißt es. Wenn du also auch unendlich schwach wärest, du dürftest doch mit Recht Zuversicht hegen im Bewusstsein, einen solchen König zu besitzen, der imstande ist, auch durch dich alles ohne Mühe zurechtzubringen. „Und die Ehre in Ewigkeit. Amen.“


  1. Mt 6,14 ↩

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