4.
Auch die Samariter waren ja den Juden feindlich gesinnt. Und doch wären sie viel leichter zu bekehren gewesen; denn sie waren viel bereitwilliger zur Annahme des Glaubens. Die Juden waren dagegen schwieriger als sie. Gleichwohl schickt sie der Herr zuerst auf das schwierigere Arbeitsfeld und zeigt damit, wie groß seine Fürsorge für die Juden sei. Auch bringt er sie auf diese Weise zum Schweigen, und bereitet der Verkündigung der Apostel zum Voraus die Wege, damit man ihnen nicht vorwerfe, sie gingen in die Häuser der Unbeschnittenen, und man so einen Scheingrund hätte, sie zu fliehen und zu meiden. Auch nennt er die Juden „verlorene Schafe“, nicht solche, die von selbst davongegangen seien; er weist so darauf hin, dass sie ganz gewiss Verzeihung erhalten würden und sucht sie an sich zu ziehen. Dann fährt er fort:
V.7: „Gehet und verkündet es: Das Himmelreich ist nahe.“
Siehst du da die Größe ihrer Aufgabe; erkennst du daraus die Würde der Apostel? Nichts sinnlich Wahrnehmbares sollten sie verkünden, wie zur Zeit des Moses und der früheren Propheten; nein, etwas ganz Neues und Unerhörtes. Jene verkündeten nichts dergleichen, sondern verhießen die Erde und irdische Güter. Aber nicht bloß in dieser Beziehung sind die Apostel größer, S.d460 sondern auch ob ihres Gehorsams. Sie weigern sich nicht, sie zögern nicht wie die Propheten im Alten Bunde. Obgleich ihnen Gefahren, Kämpfe und unerträgliches Leiden in Aussicht gestellt wurden, nehmen die doch den Auftrag im Gehorsam an, da sie Herolde des Himmelreiches waren. Doch, sagst du, was ist da zu wundern, wenn sie eilig folgten? Hatten sie doch nichts Hartes und Schweres zu verkünden! Was meinst du? Nichts Schweres ward ihnen aufgetragen? Hörst du nicht von Gefängnis reden, von Todesgängen, Bruderkriegen, allseitigem Hass? All das hatte der Herr gesagt, würden sie bald nachher erleiden müssen. Zu den anderen schickte er sie als Vermittler und Herolden von tausend guten Dingen; ihnen selbst aber würden unerträgliche Leiden bevorstehen, und kündet ihnen dies im voraus an. Um ihnen sodann Anspruch auf Glaubwürdigkeit zu verleihen, sagt er:
V.8: „Heilet die Kranken, reinigt die Aussätzigen, treibet die Teufel aus; umsonst habt ihr es erhalten, umsonst gebet es.“
Siehst du, wieviel ihm am rechtschaffenen Handeln liegt, nicht weniger als an den Wunderzeichen, und wie er dadurch zeigt, dass ohne jenes die Wundertaten nichts bedeuten? Er hält sie zur Demut an mit den Worten: „umsonst habt ihr erhalten, umsonst gebet es“. Damit hat er auch schon zum voraus dem Laster des Geizes einen Riegel vorgeschoben. Damit denn niemand glaube, sie wirkten die Wundertaten aus eigener Kraft, und damit die selbst nicht hochmütig würden ob der Zeichen, die durch sie geschehen, so sagt er auch deshalb: „umsonst habt ihr es erhalten“. Nicht ihr seid es, die denen Glauben spenden, die euch aufnehmen; denn ihr habt diese Gabe nicht als Lohn bekommen, noch durch euer Bemühen; sie ist freies Gnadengeschenk. So geht es auch den anderen; es ist ja ohnehin nicht möglich, einen Lohn zu finden, der der Wundertat würdig wäre. Um aber dann das Übel alsbald mit der Wurzel auszureißen, sagt er:
V.9: „Habet weder Gold noch Silber noch Geld in euren Gürteln,
V.10: keine Tasche für die Reise, keine zwei Gewänder, keine Schuhe, keinen Stab.“
Der Herr sagte nicht: nehmet nichts mit euch, sondern: Wenn du es auch sonst nehmen könntest, fliehe doch schon den bösen Gedanken daran. Damit hat der Herr viel Gutes erreicht. Fürs erste hat er verhindert, dass irgendwelcher Verdacht auf die Jünger falle; fürs zweite, hat er sie von allen Sorgen befreit, so dass sie ihre ganze Zeit der Predigt widmen konnten; drittens hat er ihnen dadurch seine eigene Macht gezeigt. Darauf weist er sie auch später wieder hin mit den Worten: „Habt ihr vielleicht an irgend etwas Mangel gelitten, als ich euch von allem entblößt und barfuß aussandte?“1. Doch sagt er nicht sofort: „Besitzet nicht“, sondern erst nach den Worten: „Macht die Aussätzigen rein, treibt die Teufel aus“, erst dann fügt er hinzu: „Besitzet nicht“; „Umsonst habt ihr erhalten, umsonst gebet.“ Was für die Apostel in ihren Verhältnissen geziemend, nützlich und möglich war, das gab er ihnen. Da könnte nun aber vielleicht jemand sagen: Alles andere hat wohl noch einen Sinn; dagegen keine Tasche für den Weg zu haben, keine zwei Kleider, keinen Stab, keine Schuhe! Weshalb hat er denn das verboten? Der Herr wollte sie eben zu aller Strenge erziehen. Auch oben hat er gesagt, man solle nicht einmal für den kommenden Tag sorgen. War es ja doch auch der ganze Erdkreis, für den er sie als Lehrer aussenden sollte. Deshalb berief er sie auch gleichsam wie Engel aus der Zahl der Menschen, und befreit sie von allen irdischen Sorgen, so dass nur eine Sorge sie noch beherrschte: die für ihr Lehramt. Ja, er benimmt ihnen auch diese noch und sagt: „Macht euch keine Sorgen, wie und was ihr reden werdet“2. Gerade das macht er ihnen angenehm und leicht, was recht hart und schwer zu sein schien. Nichts macht ja wohlgemuter, als wenn man von Sorgen und Kummer befreit ist; zumal dann, wenn man von S. d462 ihnen befreit ist und doch deshalb keinerlei Nachteil leidet, weil eben Gott zugegen ist, der ihnen alles geworden.
Die Apostel sollen auch nicht sagen: Woher werden wir die notwendige Nahrung erhalten; deshalb sagt er nicht zu ihnen: Ihr habt gehört, dass ich früher gesagt habe: „Blicket auf die Vögel des Himmels“3 (sie waren eben noch nicht imstande, dieser Auffassung durch die Tat zu entsprechen); vielmehr fügt er etwas hinzu, was viel angenehmer zu hören war, nämlich die Worte: „Denn der Arbeiter ist seiner Nahrung wert.“ Damit zeigt er, dass sie ihren Lebensunterhalt von ihren Schülern erhalten sollen, damit einerseits die gegen ihre Schüler sich nicht in Hochmut erheben, weil ja sie ihnen alles böten, ohne etwas von ihnen anzunehmen, und damit andererseits auch die Jünger infolge solcher Missachtung ihre Lehrer nicht verließen.