4.
S. d828 Hier nun hast du Gelegenheit, die Tugend der Apostel und die Kraft des Heiligen Geistes zu bewundern; die Tugendhaftigkeit der Apostel, denn sie machen kein Hehl aus ihre Schwäche; die Kraft des Heiligen Geistes, weil er sie, die nicht einmal ein Senfkörnlein Glauben besaßen, nach und nach so weit emporhob, dass sogar Quellen und Ströme des Glaubens aus ihnen hervorbrechen.
V.21: „Diese Art aber wird nicht ausgetrieben außer durch Gebet und Fasten.“
Der Herr spricht hier von dem ganzen Teufelsgezücht, nicht bloß von den Mondsüchtigen allein. Siehst du, wie er schon zum voraus die Lehre vom Fasten grundlegt? Man komme mir aber nicht mit jenen seltenen Fällen, wo hie und da Teufel auch ohne Fasten ausgetrieben wurden. Das mag wohl bei dem einen oder anderen Teufelsbeschwörer so gewesen sein, aber es ist ganz ausgeschlossen, dass jemand vom Unglück dieses Wahnsinnes geheilt werde, wenn er der Schwelgerei ergeben ist. Denn gerade für einen solchen Kranken ist Fasten und Gebet unbedingt notwendig. Da sagst du: Ja, wenn der Glaube notwendig ist, wozu dann noch fasten? Weil außer dem Glauben gerade das Fasten große Kraft verleiht. Es pflanzt große Tugendhaftigkeit in die Seele und macht aus dem Menschen einen Engel, so dass er mit den Mächten der Geister zu ringen vermag. Für sich allein genügt aber das Fasten nicht, auch das Gebet ist erforderlich, und zwar an erster Stelle.. Erwäge nun, wieviel Gutes aus beidem erwächst. Wer ordentlich betet und fastet, hat nicht viele Bedürfnisse; wer nur wenig bedarf, wird nicht leicht habsüchtig; wer nicht habsüchtig ist, der ist auch geneigter zum Almosengeben. Wer fastet ist leicht und beschwingt, wacht und betet, erstickt die Glut der bösen Begierden, zieht die Gnade Gottes auf sich und hält seine Seele, wenn sie sich selbst erhebt, nieder. Deshalb übten auch die Apostel beinahe ohne Unterlass das Fasten. Wer mit dem Fasten zugleich das Gebet verbindet, hat zwei Flügel, die leichter sind als der Wind. Ein solcher gähnt und streckt sich nicht vor Schläfrigkeit beim Beten, wie es die meisten machen; er ist vielmehr glühender als S. d829 Feuer und erhebt sich hoch über die Erde. Ein solcher Beter ist darum den Teufeln auch besonders verhasst und zuwider. Es gibt eben nichts Stärkeres als einen rechten Beter. Denn wenn schon ein Weib einen grausamen Gewalthaber, der weder Gott noch Menschen fürchtet, zu erweichen imstande ist1 , wieviel mehr wird da einer, der seine Eßlust beherrscht und der Wollust entsagt, bei Gott Gehör finden, wenn er ihn ohne Unterlass bittet.
Ist dein Leib zu schwach, um viel zu fasten, so ist er doch nicht zu schwach zum Beten, noch zu kraftlos, um die Esslust zu verachten. Wenn du auch nicht zu fasten vermagst, so kannst du doch die Üppigkeit vermeiden; auch das ist nichts Geringes und ist nicht weit vom Fasten entfernt; vielmehr ist auch diese Enthaltsamkeit ein sehr geeignetes Mittel, die wütenden Anfälle des Teufels zu vereiteln. Denn nichts sieht der Teufel so gern, wie Schwelgerei und Trunkenheit, weil daraus alle Laster entspringen und geboren werden. Damit verführte er seinerzeit die Israeliten zum Götzendienst; damit entflammte er die Sodomiter zu widernatürlicher Liebe. Die Schrift sagt nämlich: „Das war die Schuld Sodomas: Sie schwelgten in Hochmut, in Genüge an Brot und Überfluss“2 . Damit hat er auch schon tausend andere ins Verderben und in die Hölle gestürzt. Gibt es wohl ein Laster, zu dem die Üppigkeit nicht führt? Sie macht aus Menschen Schweine; ja noch Schlimmeres als Schweine. Das Schwein wälzt sich im Schlamme und frist Unrat. Der Üppige sucht sich noch abscheulichere Genüsse zu verschaffen als ein Schwein, indem er nach sündhaften Umarmungen und unerlaubter Liebe trachtet. Ein solcher Mensch unterscheidet sich in nichts von einem Besessenen, so schamlos und toll ist er. Mit einem Besessenen haben wir noch Mitleid, ein Wollüstiger flößt uns nur Abscheu und Ekel ein. Und weshalb? Weil er selbst an seiner Tollwut schuld ist, indem er seinen Mund, die Augen, die Nase und alle Glieder zu Schmutzkanälen macht. Könntest du gar S. d830 einen Blick in sein Inneres tun, du würdest sehen, dass seine Seele wie vor Frost und Regen erstarrt, gelähmt und außerstande ist, das Fahrzeug zu lenken wegen der Heftigkeit des Sturmes. Scham erfasst mich, wenn ich sagen soll, wieviel Unmäßigkeit über Mann und Weib bringt; das überlasse ich lieber denen, die darin Erfahrung haben, die es genauer wissen. Oder kann es etwas Schändlicheres geben als ein betrunkenes Weib, das nur so hin und her taumelt? Je gebrechlicher das Fahrzeug, desto entsetzlicher ist auch der Schiffbruch, mag die Trunkene nun eine Freigeborene sein oder eine Sklavin. Die Freie ist eben zum schamlosen Schauspiel der Slaven geworden, die Sklavin ist unter ihresgleichen unanständig. Beide sind schuld, dass die Gaben Gottes von den Unverständigen geschmäht werden. Denn gar häufig, wenn so etwas Böses vorkommt, höre ich sagen: Es sollte keinen Wein geben! Wie töricht! Wie beschränkt! Wenn andere sündigen, ziehst du gegen die Gaben Gottes los? Was ist das doch für ein Wahnsinn! Nicht der Wein trägt die Schuld, sondern diejenigen, welche ihn zur Unmäßigkeit missbrauchen. Sage also: es sollte keine Trunkenheit, es sollte keine Unmäßigkeit geben. Wer aber meint, es sollte keinen Wein geben, der wird allmählich weiter gehen und behaupten, wegen der Mörder sollte es kein Eisen geben, wegen der Diebe keine Nacht, wegen der Betrüger kein Licht, wegen der Ehebrüche keine Frauen; so gelangt man schließlich dahin, alles abschaffen zu wollen.