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Works John Chrysostom (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Einundsechzigste Homilie. Kap. XVIII, V.21-35.

2.

S. d881 Man darf eben nicht bloß darauf sehen, dass uns Gott aus dem Paradiese verstoßen hat, sondern muss auch beachten, dass darnach gar mancher Segen erwachsen ist. So hat er uns nach der Vertreibung aus dem Paradiese so zahllose Wohltaten erwiesen und gar vieles zu unserem Heile gewirkt, ja selbst seinen eigenen Sohn für diejenigen dahingegeben, die ihn trotz seiner Wohltaten hassten, hat uns den Himmel erschlossen, das Paradies wieder geöffnet und uns zu seinen Kindern gemacht, trotzdem wir seine Feinde, ihm undankbar waren. Darum muss man billig ausrufen: "O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis Gottes!"1 . Er hat uns ferner die Taufe zur Vergebung der Sünden und zur Nachlassung der Strafen gegeben, den Tugendhaften Anteil am Himmelreiche und ungezählten anderen Gütern verheißen, hat uns die Hände aufgelegt und den Heiligen Geist in unser Herz eingegossen. Wie sollten wir also nach so zahlreichen großen Wohltaten uns verhalten? Wenn wir Tag für Tag unser Leben dahingäben für ihn, der uns so sehr liebt, wäre das ein gebührender Entgelt, oder vielmehr, zahlten wir dadurch auch nur einen ganz geringen Teil unserer Schuld ab? Mit nichten. Auch das würde doch nur wieder uns zum Vorteil gereichen. Doch sollten wir wenigstens so gesinnt sein; und wie sind wir in Wirklichkeit? Täglich freveln wir gegen seine Gebote. O, werdet nicht unwillig, wenn ich gegen die Sünder heftig werde; ich klage ja nicht bloß euch, sondern auch mich selbst an. Bei wem soll ich wohl den Anfang machen? Bei den Knechten oder den Freien, bei den Soldaten oder den Bürgern, bei den Obrigkeiten oder den Untergebenen, bei den Frauen oder bei den Männern, bei den Greisen oder den Jünglingen, bei welcher Altersstufe, bei welchem Geschlechte, bei welchem Range, bei welchem Berufe? Vielleicht darf ich mit den Soldaten beginnen?

Nun gut! Begehen sie nicht tagtäglich Sünden, wenn sie schimpfen, schmähen, zornig werden, fremdes Eigentum gleich Wölfen schädigen, ohne sich von ihren Lastern je zu reinigen, man müsste denn behaupten, das S. d882 Meer sei ohne Wellenschlag? Gibt es eine Leidenschaft, von der sie nicht befallen werden? Ein sittliches Gebrechen, mit dem sie nicht behaftet sind? Gleichgestellten gegenüber sind sie voll Eifersucht, Neid, Prahlerei; gegen Untergebene voll Habgier, voll Feindseligkeit und Meineidigkeit gegen Leute, welche in ihren Rechtshändeln zu ihnen wie zu einem schützenden Hafen ihre Zuflucht nehmen. Wieviel Raub, wieviel Habgier, wieviel Verleumdung und Betrug, wieviel knechtische Speichelleckereien findet sich bei ihnen! Wohlan, wenden wir auf jeden das Wort Christi an: "Wer zu seinem Bruder gesagt hat: Tor! wird verfallen sein dem höllischen Feuer"2 . "Jeder, der ein Weib ansieht, um ihrer zu begehren, hat bereits die Ehe gebrochen in seinem Herzen"3 . "Wer sich nicht erniedrigt wie dieses Kind, wird nicht eingehen in das Himmelreich"4 . Jene aber sind noch geflissentlich voll Aufgeblasenheit gegen ihre Untergebenen und Unterstellten, so dass diese vor ihnen zittern und beben, mehr als vor wilden Tieren; nichts tun sie um Christi willen, alles nur für den Bauch, um Geld und aus Eitelkeit. Ist es überhaupt möglich, ihre Freveltaten in Worten zu schildern? Wie wollte man auch ihre Spöttereien, ihr Gelächter, ihr ausgelassenes Geschwätz, ihre Zoten beschreiben? Von ihrer Habsucht lässt sich gar nicht reden. Sie sind wie die Mönche im Gebirge, die nicht wissen, was Habsucht ist; nur im entgegengesetzten Sinne. Die Mönche kennen diese Leidenschaft nicht, weil sie weit entfernt von ihr sind; die Soldaten hingegen, weil sie gar nicht merken, wie groß das Übel ist, so sehr sind sie davon bestrickt. Dieses Laster hat in ihnen den Sinn für die Tugend so sehr abgestumpft und hat sie so in seiner Gewalt, dass sie es gleich Wahnsinnigen gar nicht mehr für einen Schandfleck halten.

Aber soll ich nicht lieber davon aufhören und mich lieber anderen anständigen Leuten zuwenden? Wohlan, fassen wir die Arbeiter und Handwerker ins Auge. Da könnte S. d883 es nämlich am ehesten den Anschein haben, dass diese Klasse von Menschen von ehrlicher Arbeit und eigenem Schweiße lebt. Allein auch sie können in ihrer Stellung viel Böses tun, wenn sie nicht auf sich acht geben. Denn neben ihrer gerechten und mühevollen Arbeit verlegen sie sich bisweilen auf Ungerechtigkeiten bei Kauf und Verkauf, geben sich der Habsucht hin, und fügen dazu noch Schwüre, Meineide und Lügen, gehen ganz auf in den weltlichen Geschäften und kleben immerfort an der Erde. Wenn es gilt ein Geschäft zu machen, scheuen sie vor nichts zurück und setzen alle Hebel in Bewegung; wenn sie jedoch einem Bedürftigen etwas geben sollen, da sind sie lau, weil sie immer nur nach Vermehrung von Hab und Gut streben. Wer könnte alle Schmähreden bei dergleichen Geschäften aufzählen, die Beschimpfungen, den Wucher, die Zinsen, die hinterlistigen Abmachungen, die unverschämten Geschäftskniffe?


  1. Röm 11,33 ↩

  2. Mt 5,22 ↩

  3. ebd 5,28 ↩

  4. ebd 18,34 ↩

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