1.
V.26: „Während sie aber aßen, nahm Jesus Brot und segnete es, brach es und gab es seinen Jüngern und sprach: Nehmet hin und esset dieses ist mein Leib."
V.27: „Und er nahm den Kelch, sagte Dank und gab ihnen denselben, indem er sagte: Trinket alle aus ihm."
V.28: „Denn dieses ist mein Blut des Neuen Bundes, welches für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden."
O, wie groß ist die Verblendung des Verräters! Trotzdem er an den Geheimnissen teilnahm, blieb er doch derselbe, trotz des Genusses der Speise, die ihn mit heiliger Schauer erfüllen musste, änderte er sich nicht. So legt es auch Lukas1 dar, wenn er berichtet, dass daraufhin der Satan in ihn gefahren sei. Das tat er, nicht etwa, um den Leib des Herrn zu verachten, sondern um die Unverschämtheit des Verräters zu brandmarken. Zwei Umstände sind es, welche die Sünde erschweren, nämlich dass Judas mit einer solchen Gesinnung den S. d1166 Geheimnissen nahte, und dass er trotzdem nicht besser wurde. Weder Furcht noch Wohltat noch Ehre machten mehr Eindruck auf ihn. Obgleich Christus alles wusste, hinderte er ihn doch nicht. Er wollte zeigen, dass er nichts unversucht ließ, was ihn hätte bessern können. Deshalb suchte er ihn vorher und auch später noch immer wieder zu warnen und zurückzuhalten durch Wort und Werk, durch Schrecken und Liebe, durch Drohungen und Ehrenbezeigungen. Aber nichts vermochte ihn von dieser schrecklichen Leidenschaft abzubringen. Daher wendet sich der Herr schließlich von ihm, bringt den Jüngern durch die Geheimnisse wieder seinen Opfertod in Erinnerung und spricht während des Mahles von der Kreuzigung, um sie durch häufige Hinweise vorzubereiten, sich in sein Leid zu schicken. Denn wenn sie nach so vielen Vorbereitungen und Vorhersagungen noch in Verwirrung gerieten, wie wäre es ihnen erst ergangen, wenn sie vorher nichts davon gehört hätten?
„Und während sie aßen, nahm er das Brot und brach es." Warum feierte er dieses Geheimnis gerade jetzt, zur Zeit des Osterfestes? Zum deutlichen Beweis, dass er auch der Stifter des Alten Bundes ist und dass dessen Einrichtungen wie ein Schatten diese Ereignisse vorherverkündigten. Deshalb setzt er jetzt an Stelle des Bildes die Wirklichkeit. Der Abend war ein Hinweis, dass die Fülle der Zeiten erschienen sei und seine Laufbahn sich nunmehr dem Ende zuneige. Durch die Danksagung gibt er uns zu erkennen, wie dieses Geheimnis zu verstehen ist, und zeigt, dass er nicht gegen seinen Willen das Leiden antritt. Endlich belehrt er uns, dass wir alles, was immer uns trifft, dankbar hinnehmen sollen, und stellt uns auch dadurch selige Hoffnungen in Aussicht. Wenn schon das Vorbild von einer so drückenden Knechtschaft befreite, wieviel mehr wird die Wahrheit die Welt erlösen und durch ihre Hingabe unserem Geschlechte Heil bringen. Deshalb hatte Jesus das Geheimnis auch nicht früher eingesetzt, sondern erst, als die Verbindlichkeit des Gesetzes aufhören sollte. Er hebt auch das Hauptfest der Juden auf, indem er sie an einen anderen Tisch voll heiligen Schauers setzt: „Nehmet und esset", sagt er, „das ist mein Leib, S. d1167 der für viele geopfert wird." Wie kommt es nun aber, dass die Apostel bei diesen Worten nicht erschraken? Weil er ihnen schon oft in der Zeit vorher große Dinge geweissagt hatte. Daher trifft er auch keine besonderen Vorbereitungen mehr, sie hatten ja bereits genug davon gehört, wohl aber gibt er als Zweck seines Leidens an: die Tilgung der Sünden. Er nennt sein Blut das Blut des Neuen Bundes, d.h. des Versprechens, der Verheißung des neuen Gesetzes. Sein Blut hatte er seit alters verheißen; es bildet die Grundlage des Neuen Bundes. Das Alte Testament besaß (für seine Opfer) Schafe und Kälber, das Neue hat das Blut des Herrn. Zugleich weist Jesus darauf hin, dass sein Tod notwendig ist, deshalb gebraucht er das Wort Testament und erinnert an den Alten Bund, der ja auch durch Blut geschlossen worden war. Und noch einmal spricht er von dem Zwecke seines Todes: „Das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden", und fügt bei: „Dies tut zu meinem Andenken"2. Siehst du, wie er die jüdischen Gebräuche abschafft und beseitigt? Der Sinn ist: Gleichwie ihr jene Feier beginget zur Erinnerung an die Zeichen in Ägypten, so feiert auch dieses Geheimnis zur Erinnerung an mich. Dort wurde das Blut vergossen zur Errettung der Erstgeburt, mein Blut wird vergossen zur Vergebung der Sünden der ganzen Welt. Denn: „Das ist mein Blut, das vergossen wird zur Vergebung der Sünden." Durch diese Worte wollte der Herr zugleich darauf hinweisen, dass sein Leiden und sein Kreuzestod ein Geheimnis ist, und wollte so seine Jünger wieder trösten. Gleichwie Moses sagt: „Das soll euch zum ewigen Gedächtnis sein"3, so spricht er: „zu meinem Andenken", bis ich komme. Darum sagt er auch: „Sehnlichst habe ich verlangt dieses Osterlamm mit euch zu essen"4, d.h. euch in die neue Ordnung einzuführen und das Osterlamm zu reichen, um dessentwillen ich euch geistig machen werde. Er selbst trank auch aus dem Kelche. S. d1168 Die Jünger hätten bei seinen Worten sagen können: Wie? Wir sollen Blut trinken und Fleisch essen? Das hätte sie dann ganz außer Fassung gebracht (denn als er darüber bloß mündlich sich äußerte, hatten sich viele schon an seinen Worten gestoßen). Um sie also vor der Bestürzung zu bewahren, trank er zuerst selbst und führte sie so ohne Beunruhigung in die Teilnahme an den Geheimnissen ein. Das ist die Erklärung dafür, dass er sein eigenes Blut trank. Wie ist es nun, fragst du; soll man auch das alte Fest begehen? Mitnichten. Ebendarum befahl er: „Tut dieses", damit man jenes aufgebe. Es ist ja auch überflüssig, wenn das neue Osterlamm, wie es tatsächlich der Fall ist, die Vergebung der Sünden bewirkt. Wie einst bei den Juden, so verband er auch hier mit dem Geheimnisse das Andenken an eine Wohltat und nimmt auch damit den Irrgläubigen jede Einrede vorweg. Denn wenn sie fragen: Wie kann man denn erkennen dass Christus geopfert wurde? So wiederlegen wir sie unter anderem auch durch den Hinweis auf die Geheimnisse. Ist Jesus nicht gestorben, wessen Zeichen sind dann die Opfergaben?