II.
Denn die Schande für die Griechen wäre nicht so groß, wenn sie von Weisen wären besiegt worden; aber Das muß sie tief beschämen, daß Handwerker und gemeine Leute sie an Weisheit übertreffen. Darum sagt der Apostel: „um die Weisen zu beschämen.“ Das that aber Gott nicht allein hierin, sondern auch in andern Vorzügen des Lebens.
Und das Schwache von der Welt hat Gott auserwählt, um das Starke zu Schanden zu machen. Nicht nur Ungelehrte, sondern auch Arme, Niedrige, Unansehnliche hat er berufen, um die Mächtigen zu erniedrigen.
28. Und das Niedrige vor der Welt und das Verächtliche und das Nichtsgeltende hat er ausersehen, um Das, was viel gilt, in seinem Nichts darzustellen.
Und was nennt er das Nichtsgeltende? Die ganz Ge- S. 73 ringen, die für Nichts geachtet werden. Dadurch zeigte er seine große Gewalt, daß er die Hohen gestürzt hat durch Die, welche Nichts zu sein schienen. So spricht er auch anderswo:1 „Meine Kraft ist in der Schwachheit mächtig.“ Denn Das ist eine gewaltige Kraft, welche diese verachteten Männer, die nie den mindesten Unterricht genossen hatten, schnell mit himmlischer Weisheit erfüllte. Wir bewundern ja auch den Arzt, den Redner und alle Andern dann am meisten, wenn sie ganz unwissende Leute mit Erfolg unterrichten und belehren. Wenn nun schon die Bildung eines Unwissenden zur Kunstfertigkeit eine so große Bewunderung erregt, wie viel mehr die Bildung zu einer so hohen Weisheit? Das hat aber Gott nicht allein des Wunders halber gethan, noch um seine Macht zu zeigen, sondern auch um die Stolzen zu demüthigen. Daher heißt es oben: „Um die Weisen zu beschämen,“ um Jene, die viel gelten, in ihrem Nichts darzustellen;“ und hier wieder:
29. Damit kein Sterblicher vor Gott sich berühme.
Denn Gott thut Alles deßwegen, um den Hochmuth und Stolz zu unterdrücken, um der Ruhmsucht Einhalt zu thun; — und Ihr verharret noch darin? Er thut Alles deßwegen, auf daß wir Nichts uns, sondern Alles ihm zuschreiben. Und ihr nun, die ihr es bald mit Diesem, bald mit Jenem haltet, welche Verzeihung werdet ihr erlangen? Hat doch Gott, und zwar beim Anfang der Welt gezeigt, daß wir durch uns selbst nicht können gerettet werden! Denn auch damals konnten die Menschen nicht durch sich selber das Heil finden, sondern sie mußten durch die Betrachtung der Schönheit des Himmels, der Größe der Erde und der ganzen übrigen Schöpfung zum Schöpfer hingeführt werden. Dieß aber that er, um schon zum Voraus S. 74 den künftigen Weisheitsdünkel zu unterdrücken. Gleichwie nämlich ein Lehrer dem Schüler gebeut, ihm stets zu folgen, und denselben, wenn er voreilig Alles aus sich besser wissen will, irre geben läßt, um ihm dadurch zu zeigen, daß er sich allein beim Studium noch nicht zu helfen wisse, und ihm dann wieder an die Hand geht: so wollte auch Gott im Anbeginne, daß die Menschen ihn durch den Anblick der Schöpfung erkennen sollten. Da sie aber nicht wollten, zeigte er ihnen, wie wenig sie aus sich selber vermöchten, und führte sie auf einem andern Wege zu sich: als Leitfaden2 gab er ihnen die Welt. Auch darein vertieften sich die Philosophen nicht, wollten Gott nicht gehorchen, noch auf diesem Wege, den er ihnen angewiesen, zu ihm kommen. Er zeigte ihnen also wieder einen andern Weg, der sie noch deutlicher, als der frühere, überzeugen sollte, daß der sich selbst überlassene Mensch sich nicht genüge. Denn damals konnten sie noch, geleitet von der Schöpfung, Vernunftgründe aufstellen und sich der Weltweisheit bedienen. Jetzt aber ist es nicht mehr möglich gerettet zu werden, wenn man nicht zum Thoren wird, d. h. wenn man nicht, losgesagt von aller Vernünftelei und Weltweisheit, sich dem Glauben in die Arme wirft. Das ist nun aber nichts Geringes, daß er nicht nur den Weg erleichterte, sondern zugleich auch dadurch die Krankheit des eitlen Ruhmes und des Hochmuthes aufhob: „damit kein Sterblicher sich rühme.“ Daher kam eben die Verirrung, daß sie sich weiser zu sein dünkten als die göttlichen Gesetze, indem sie Gott nicht so erkennen wollten, wie er es vorgeschrieben hatte. Darum lernten sie ihn gar nicht kennen. So beschah es auch im Anfange der Welt. Gott sprach zu Adam: Das sollst du thun, Das sollst du nicht thun. Dieser aber, der mehr zu finden wähnte, war ungehorsam und verlor auch Das, was er hatte. Gott sprach zu den später Lebenden: S. 741 Bleibet doch nicht bei den Geschöpfen stehen, sondern erkennet aus diesen den Schöpfer! Diese aber forschten nach einer höhern Weisheit, als in den obigen Worten lag, und eröffneten tausend Irrgänge. Daher geriethen sie mit sich selbst und unter einander in Zwiespalt und fanden weder Gott, noch wußten sie etwas Zuverlässiges über die Schöpfung, noch hatten sie eine wahre und richtige Ansicht von ihr.
Darum schlug Gott abermals ihren Dünkel gewaltig zu Boden, indem er die Unwissenden zuerst auftreten ließ, um zu zeigen, daß der Weisheit von oben Alle bedürfen. Gott traf aber nicht allein in Betreff der Erkenntniß, sondern auch aller andern Dinge eine solche Einrichtung, daß die Menschen und alle übrigen Geschöpfe seiner durchaus bedürfen, um ihnen auch so die beste Gelegenheit zu bieten, unterwürfig und abhängig zu sein, und damit sie durch Widerspenstigkeit nicht zu Grunde gingen. Darum wollte er nicht, daß sie sich selber genügten. Wenn es sogar jetzt, da wir seiner bedürfen, Viele gibt, die ihn verachten: wie weit würden sie in der Verachtung geben, wenn Das nicht der Fall wäre? Daher benahm er ihnen allen Ruhm, nicht aus Mißgunst, sondern um sie dem daraus entstehenden Verderben zu entreissen.
30. Durch ihn aber seid ihr in Christo Jesu, der uns von Gott gegeben wurde zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung.
Die Worte: „durch ihn“ versieht der Apostel, meiner Meinung nach, hier nicht von dem Hervorrufen in’s Dasein, sondern vom Glauben, d. h. sie seien Kinder Gottes geworden, nicht aus dem „Geblüte“, nicht nach dem „Willen des Fleisches“. Glaubet also nicht, daß er euch verlassen habe, indem er euch den Ruhm genommen, denn er hat euch einen andern, größern Ruhm gegeben. Vor ihm darf man sich nicht rühmen. Ihr seid seine Kinder und seid dieß durch Christus geworden. Und nachdem er gesagt S. 76 hatte: „Das Thörichte der Welt und das Niedrige hat er erwählt,“ zeigt er, daß sie von Allen die Angesehensten sind, da sie Gott zum Vater haben. Der Urheber dieses Adels aber ist nicht etwa irgend ein Mensch, sondern Christus, der uns weise, gerecht und Heilig gemacht hat. Das besagen nämlich die Worte:
