IV.
Zuerst aber muß ich sagen, warum der Sauerteig aus dem ganzen Gebiete entfernt werde. Was soll nun Dieses vorbilden? Daß der Gläubige sich von allem Bösen lossagen soll. Denn gleichwie Derjenige zu Grunde geht, bei dem alter Sauerteig gefunden wird, so bei uns Derjenige, bei dem sich das Laster noch findet. War die Strafe in Betreff des Vorbildes so groß, so wird sie bei uns nicht geringer sein. Wenn Jene dergestalt ihre Wobnungen vom Sauerteig reinigen, daß sie sogar die Mäuselöcher ängstlich untersuchen: so müssen wir um so mehr unsere Seelen durchforschen, damit wir jeden unreinen Gedanken ausfegen. So war es ehemals bei den Juden üblich, jetzt aber nicht mehr; denn wo immer ein Jude ist, da ist Sauerteig: mitten in den Städten backen sie ihren ungesäuerten Kuchen, was vielmehr ein Kinderspiel ist als eine Satzung. Denn nachdem die Wahrheit erschienen, müssen die Vorbilder weichen. Also auch durch dieses Beispiel drängt er den Unzüchtigen mit Nachdruck aus der Gemeinschaft der Kirche. Denn seine Gegenwart, sagt er, bringt nicht nur keinen S. 250 Nutzen, sondern nur Schaden, indem er nachgerade den Gesammtkörper ansteckt. Solange das faulende Glied versteckt bleibt, weiß man nicht, woher der üble Geruch kommt; man schreibt ihn dem ganzen Körper zu. Darum dringt er mit Ernst in sie, den Sauerteig auszufegen: „damit ihr neuer Teig seiet, wie ihr denn ohne Sauerteig seid; denn unser Osterlamm, Christus, ist für uns geopfert worden.“ Er sagt nicht: gestorben, sondern dem Gegenstande angemessener: „geopfert“. Frage also nicht mehr nach dem alten Süßteige, da dir ja auch das frühere Opferlamm fehlt; frage nicht mehr nach solchem Sauerteige, denn du hast ja einen andern Süßteig erhalten. Bei einem materiellen Teige kann das Süße noch durchsäuert werden; was aber einmal durchsäuert ist, kann nicht mehr süß gemacht werden; hier aber kann wieder das Gegentheil stattfinden; doch gibt der Apostel Dieses nicht deutlich zu verstehen. Betrachte seine Weisheit! Im erstern1 Briefe gibt er dem Unzüchtigen keine Hoffnung zur Wiederaufnahme, sondern heißt ihn sein ganzes Leben in Buße zubringen, damit er durch keine Zusage von Hoffnung lässiger würde. Denn er sagt nicht: „Übergebt ihn dem Satan, damit er, nachdem er Buße gethan, der Kirche wiedergeschenkt werde,“ sondern was? „Damit er am jüngsten Tage gerettet werde.“ Er verweist ihn auf jenen Zeitpunkt, damit er ihn in Besorgniß erhalte; was er ihm nach der Buße gewähren wolle, offenbart er noch nicht und ahmt hierin seinem Herrn nach. Denn gleichwie Gott sprach: „Drei Tage noch, und Ninive wird untergehen,“2 und nicht hinzusetzte: Wenn es aber Buße thut, wird es gerettet werden, so sagt auch Paulus nicht: Wenn er aber würdige Buße wirkt, werden wir unsere Liebe walten lassen, — sondern S. 250 er wartet, bis er diese thatsächlich übt und so der Gnade theilhaftig wird. Denn hätte er ihm Das gleich Anfangs gesagt, so würde er ihm die Furcht benommen haben. Darum thut er Dieses nicht nur nicht, sondern läßt ihn durch das Gleichniß vom Sauerteige nicht einmal Wiederaufnahme hoffen, indem er sagt: „Schaffet fort den alten Sauerteig“ und: „Lasset uns das Fest feiern nicht im alten Sauerteige!“ Nachdem er aber Buße gethan, nimmt er ihn mit aller Sorgfalt wieder auf. Warum aber nennt er dann den Sauerteig „alt“ ? Entweder weil unser früheres Leben also beschaffen gewesen, oder weil das Alte dem Untergange nahe, übelriechend und häßlich ist, wie es sich mit der Sünde verhält; denn das Alte wird nicht geradezu getadelt und das Neue nicht geradezu gepriesen, sondern mit Rücksicht auf den Gegenstand, von dem die Rede ist. Denn auch anderswo heißt es: „Ein neuer Wein, ein neuer Freund; wenn er aber alt geworden, wirst du ihn mit Lust trinken;“3 an der Freundschaft wird mehr das Alter als die Neuheit gerühmt. Und wieder: „Der Alte der Tage setzte sich.“4 auch da wird das Alter als Lobspruch und etwas höchst Rühmliches genommen. Anderwärts aber bedeutet in der Schrift „alt“ soviel als verächtlich. Weil nämlich die Dinge mannigfaltig und verschiedentlich zusammengesetzt sind, so bedient sie sich derselben in verschiedener Bedeutung, bald im guten Sinne, bald im schlimmen. Sieh, wie an andern Stellen das Alte im schlimmen Sinne gebraucht wird: „Sie veralteten und hinkten auf ihren Pfaden;“5 und wieder: „Veraltet bin ich unter allen meinen Feinden;“6 und wieder: „Du in Bosheit Ergrauter.“7 So wird auch der Sauerteig oft als Bild des Himmelreiches genommen, wiewohl es hier im bösen Sinne steht; denn dort hat es eine andere und hier wieder eine andere Bedeutung.
