• Home
  • Works
  • Introduction Guide Collaboration Sponsors / Collaborators Copyrights Contact Imprint
Bibliothek der Kirchenväter
Search
DE EN FR
Works John Chrysostom (344-407) In epistulam ad Philippenses Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Philipper (BKV)
Sechzehnte (Fünfzehnte) Homilie. *Phil. IV, 10—23.*

5.

Denn die Trübsal ist ein unzerreißbares Band, ein Mittel zur Vermehrung der Liebe, ein Anlaß zur Zerknirschung und Gottesfurcht. Denn höre, was David sagt; „Es ist gut für mich, o Herr, daß du mich gedemütigt hast, damit ich lerne deine Satzungen1“; und wiederum den Ausspruch eines anderen Propheten: „Gut ist es für den Menschen, wenn er das Joch getragen hat von seiner Jugend an (Klagel. 3, 27.)“; ferner: „Glückselig der Mensch, den du in Zucht nimmst, o Herr2“; und was ein anderer sagt: „Achte nicht gering. die Zucht des Herrn3“; und: „Willst du den Dienst des Herrn antreten, so mache dich auf Anfechtung gefasst4“. Christus S. 226 aber sprach zu seinen Jüngern: „In der Welt werdet ihr Bedrängnis haben; aber seid getrost5“; und abermals: „Ihr werdet weinen und wehklagen; die Welt aber wird sich freuen6“; und wiederum; „Eng und schmal ist der Weg7“. — Siehst du, wie überall die Trübsal angepriesen wird? wie überall von ihr die Rede ist als von einer Notwendigkeit für uns? Denn wenn schon in den profanen Wettkämpfen niemand ohne dieselbe den Siegeskranz erhalten kann, ohne (nämlich) durch anstrengende Übungen, durch Enthaltsamkeit in Speise und Trank, durch streng geregeltes Leben, Nachtwachen und tausend andere Dinge sich abgehärtet zu haben: so gilt das hier in noch weit höherem Grade. Denn wen willst du (von dieser Regel ausnehmen)? Den Kaiser vielleicht? Allein auch sein Leben ist kein kummerloses, sondern voll von Trübsalen und Sorgen. Denn du mußt nicht bloß auf sein Diadem schauen, sondern auf die Sturmflut der Sorgen, welche ihm die Krone schmieden; du mußt nicht bloß auf seinen Purpur blicken, sondern auf seine Seele, die viel dunkler8 aussieht als jener Purpur. Die Krone drückt nicht so sehr sein Haupt, als die Sorge seine Seele. Du mußt nicht bloß die große Zahl seiner Leibwächter ins Auge fassen, sondern die große Zahl seiner Verdrießlichkeiten. Kann man doch kein Privathaus finden, das so voll von schweren Sorgen wäre wie der Kaiserpalast. Da muß man Tag für Tag auf den Tod gefaßt sein; vor dem Tische, vor dem Gelage sieht man Blut. Es läßt sich nicht sagen, wie oft dort nächtens die geängstigte Seele emporfährt und vom Lager aufspringend in schrecklichen Vorstellungen sich ergeht. Und das schon in Zeiten des Friedens; wenn aber der Krieg ausbricht, was kann es dann Bedauernswerteres geben als ein solches Dasein? Und wie vieles droht ihnen nicht von seiten der eigenen Angehörigen, von Seiten der Untertanen? Ist ja doch der Fußboden des Palastes beständig sogar mit dem Blute S. 227 der nächsten Verwandten getränkt. — Ich will, wenn es euch recht ist, einige Tatsachen erzählen, und ihr werdet schnell Bescheid wissen. Ich werde mich zumeist an Beispiele der Vergangenheit halten und an Vorkommnisse, die sich in unseren Tagen zugetragen haben, welche aber gleichwohl noch im Gedächtnisse bewahrt werden9. Einer soll seine Gemahlin, die er im Verdachte des Ehebruches hatte, nackt auf ein Maultier festgebunden und den wilden Tieren preisgegeben haben, nachdem sie ihm bereits viele Prinzen geboren hatte. Was für ein Leben muß jener wohl geführt haben? Denn hätte nicht die heftigste Leidenschaft ihn verzehrt, so würde er nicht zu einer solchen Strafe geschritten sein. Eben derselbe ließ seinen eigenen Sohn hinschlachten; richtiger gesagt der Bruder desselben10. Von seinen Söhnen gab sich der eine selbst den Tod, als er einem Usurpator in die Hände gefallen war11 der andere ließ seinen Vetter und Mitregenten, dem er selbst die Herrschaft übergeben hatte, umbringen12 und seine Gemahlin mußte er Geheimmitteln13 zum Opfer fallen sehen. Da S. 228 sie nämlich unfruchtbar blieb, so gab ihr ein elendes und unseliges Weib — elend und unselig, weil sie durch eigene Geschicklichkeit zu leisten sich vermaß, was Gott allein geben kann — gewisse Geheimmittel (πεσσούς) und bereitete dadurch der Kaiserin und sich selbst den Untergang. Derselbe Herrscher14 soll auch seinen Bruder gewaltsam beiseite geschafft haben. Ein anderer wieder, und zwar der, welcher nach diesem zur Regierung gelangte, wurde durch Gift beseitigt, und der Becher enthielt für ihn nicht mehr den Labetrank, sondern den Tod15. Sein Sohn16 wurde, ohne etwas verbrochen zu haben, geblendet, weil er in der Zukunft zu fürchten gewesen wäre. Ein anderer kam so jämmerlich ums Leben, daß sich Ursache und Art des Todes anständiger Weise gar nicht schildern lässt. Von den späteren Kaisern wurde der eine wie ein Elender und Unseliger samt Pferden und Gebälk und allem andern verbrannt17, und seine Gattin trauert als Witwe. Unbeschreiblich sind die Widerwärtigkeiten, die dieser Kaiser im Leben erdulden mußte, seit er sich erhob. Und das Leben des gegenwärtigen Regenten18, ist es nicht, seitdem er das Diadem trägt, eine ununterbrochene Kette von Mühen, Gefahren, Beschwerden, Verdrießlichkeiten, Unglücksfällen und Nachstellungen? — Nicht so verhält es sich mit dem Himmelreiche; da herrscht vielmehr, sobald man es erlangt hat, Friede, Leben, Freude, Wonne. Auf Erden aber gibt es, wie gesagt, keinen Stand ohne Mühsal. Wenn aber das öffentliche Leben des scheinbar Glücklichsten, des Kaisers, eine solche Fülle von Unglück aufweist, wie sieht es da wohl mit seinem Privatleben aus? Und wie viele andere Übel ihn noch treffen, das läßt sich S. 229 gar nicht beschreiben. Wie viele Sagen haben sich vielfach darüber gebildet. Fast alle Tragödien, wie sie auf die Bühne kommen, und fast die ganze Mythologie nehmen ihren Stoff von den Königen her. Die Mythologie schöpft eben zum größeren Teil aus dem wirklichen Leben; daher erklärt sich auch der eigentümliche Reiz, der diesen Sagen innewohnt. Man denke nur an das Mahl des Thyestes und wie jenes ganze Fürstenhaus durch fortgesetzte Unglücksfälle vernichtet wurde.


  1. Ps. 118, 71. ↩

  2. Ps. 93, 12. ↩

  3. Sprichw. 3, 11. ↩

  4. Ekkli. 2, 1. ↩

  5. Joh. 16, 33. ↩

  6. Joh. 16, 20. ↩

  7. Matth. 7, 14. ↩

  8. Die Farbe des Purpurs spielte ins Dunkle hinüber. ↩

  9. Dieser Abschnitt, in welchem traurige Tatsachen aus der Kaiserzeit vorgeführt werden, leidet mehrfach an arger Verderbnis des Textes. Der hl. Chrysostomus scheint ferner aus den zu seiner Zeit noch umlaufenden Gerüchten geschöpft zu haben; daher kommt es, daß seine Erzählung sich nicht in allen Stücken mit der Geschichte deckt. Da er keinen einzigen Namen nennt, ist die Deutung einiger Angaben auf bestimmte Persönlichkeiten sehr problematischer Natur. ↩

  10. Konstantin der Große ließ seinen Sohn Krispus (aus erster Ehe) auf Betreiben seines Bruders hinrichten (326). ↩

  11. Konstans wurde auf Befehl des Magnentius, den die Soldaten zum Kaiser ausgerufen hatten, von einer Reiterabteilung verfolgt und in Helena (dem früheren Illiberis) niedergestochen (350). Magnentius fiel durch eigene Hand (353). ↩

  12. Konstantius erhob nach der Besiegung des Magnentius seinen Vetter Gallus zum Cäsar und betraute ihn mit der Verwaltung der fünf Diözesen des Ostens; da derselbe aber bald auf Empörung sann, wurde er auf Befehl des Konstantius zu Pola in Istrien hingerichtet (354). ↩

  13. Der von Hippokrates erwähnte πεσσός φθόριος besaß abtreibende Wirkung. Hier ist von gegenteiliger Wirkung die Rede. ↩

  14. Es dürfte aber Konstans gemeint sein, der seinen Bruder Konstantin II. bei Aquileja in einen Hinterhalt lockte, wo derselbe mit der Mehrzahl seiner Soldaten niedergehauen wurde (340). ↩

  15. Gemeint ist Jovian (363—364). ↩

  16. Namens Varronian. ↩

  17. Kaiser Valens wurde in der Schlacht von Adrianopel von einem Pfeile durchbohrt und in ein Dorf getragen. Die Gothen zündeten es an, und der Kaiser verbrannte (378). ↩

  18. Arkadius (395—408). ↩

pattern
  Print   Report an error
  • Show the text
  • Bibliographic Reference
  • Scans for this version
Download
  • docxDOCX (202.29 kB)
  • epubEPUB (184.05 kB)
  • pdfPDF (714.82 kB)
  • rtfRTF (576.40 kB)
Translations of this Work
Commentaire sur l'épître aux Philippiens Compare
Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Philipper (BKV)
Commentaries for this Work
Einleitung

Contents

Faculty of Theology, Patristics and History of the Early Church
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Imprint
Privacy policy