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S. 82 Da fiel ihm der Vater in die Rede und sagte: „Hierin hast du Unrecht, mein Sohn; denn der göttliche Theil in der Welt beschäftigt sich mit andern Dingen, zumeist nach der ersten ihm einwohnenden Kraft wirkend und sich sättigend an der geistigen Schönheit; denn dort ist ein anderes überweltliches Göttergeschlecht, welches alle Dinge bis auf die endlichsten umfaßt; es ist unbeugsam und dem irdischen Stoffe unnachgiebig. Dieses ist für die eigentlichen Götter ein seliger Anblick; seine Quelle aber zu schauen, noch seliger. Ferner ist es, weil es in sich verharrt, überfüllt von Gutem, da es überfüllt ist von sich; für die andern ist es gut, sich zu diesem Gotte hinzuwenden. Nicht einfach fürwahr, noch einartig ist der Guten Wirksamkeit, sondern sie sorgen auch für die Theile der Welt, das aus der Betrachtung entspringende Handeln, so viel, als möglich, herableitend in das ihnen Anvertraute. Die reinen von ihnen unterwarfen sich sogleich jenem ersten Wesen; sie ordnen die, welche ihnen zunächst sind, und so steigt dann die Reihenfolge bis zu den endlichsten der Dinge herab, und Alles genießt durch mittlern der Fürsorge der ersten; aber nicht gleichmäßig; denn es ginge nicht nach der Reihe. Herabsteigend aber werden die Dinge kraftlos, bis sie entarten und die Ordnung fälschen, wobei auch das Seyn der Dinge endet. Mit dem, was hienieden vorgeht, verhält es sich ungefähr so. Dem von Natur Wandelbaren fiel als Loos das Endliche und Hinfälligste der zeugenden Natur und des körperlichen Zustandes; dem Himmel aber ward die erste, ungetrübteste und der Seele angemessene Art zu Theil. Was nun diese dort, sagte er hinweisend auf die Götter, das ist der Dämon in den vielbewegten Elementen, eine bethörte und verwegene und vermöge des weiten Abstandes von dort für die Ordnung des Göttlichen unempfängliche Natur. Da die S. 83 Hefe der Dinge sich nicht selbst zu erhalten vermag — denn sie entschwindet und hat nichts Beharrliches; doch ahmt sie es nach durch das Werden —; und da die Dämonen, als verwandt mit der irdischen Natur, zerstörende Wesen sind, so ist es nothwendig, daß sich das Göttliche hieher wende und gewisse Anklänge gebe, denen das, was hienieden, eine Zeit lang herrlich folgt, so lange die Anregung dauert. Gleichwie am Drahte gezogene Bilder sich bewegen, wenn auch das aufhört, was an dem Getriebe die Bewegung verursachte, aber nicht ohne Unterlaß sich bewegen, da sie die Quelle der Bewegung nicht in sich haben, sondern so lange, als die verliehene Kraft wirkt und fortschreitend nicht erlischt, von ihrem eigentlichen Ursprunge sich entfernend; eben so glaube, mein lieber Osiris, daß das Treffliche und das Göttliche zugleich diesem Orte angehöre und nicht angehöre, sondern anderswoher ge- sandt werde; und deßhalb giebt es hier schwerlich gute Seelen, doch können sie erscheinen, und die Obhut der Götter thut, wenn sie dieses thut, das, was ihnen, jedoch nicht ihrem ursprünglichen Leben eigen ist; denn ein Anderes ist ihnen das Selige, weil es seliger ist, der von dem Ersten ausgehenden Ordnung zu genießen, als das Schlechtere zu ordnen; denn das Eine ist ein sich weg-, das Andere ein sich hinwenden. Du bist doch eingeweiht in das Geheimniß, bei welchem es zwei Augenpaare giebt, und die untern sich schließen müssen, wenn die obern schauen; und wenn diese sich schließen, die andern die Reihe sich zu öffnen trifft. Glaube demnach, daß es eigentlich das Betrachten und Handeln andeute, wenn die Mittlern wechselweise beides verrichten; in dem aber, was dem Vollkommnern angehört, mehr an das Bessere sich halten; mit dem Schlechtern aber nur so viel, als nöthig ist, sich befassen. Auch dieß sind also Werke der Götter, wenn sie, was nöthig ist, für die Welt thun, doch S. 84 nicht vorzüglich Gutes; denn auch die Menschen leben bald weniger oder mehr zurückgezogen, bald obliegen sie dem Streben nach Weisheit; doch kommen sie hierin dem Göttlichen näher.