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Works Synesius of Cyrene (370-413) De prouidentia Ägyptische Erzählungen über die Vorsehung
Erste Erzählung.

13.

Sogleich, als jener die Herrschaft antrat, wäre dieser beinahe um das Leben gekommen: er fiel mit seinem verruchten Haupte auf den Boden hin und stieß es an Säulen; viele Tage lang nahm er, obgleich sehr gefräßig, keine Speise zu sich, und wies, obgleich dem Weine sehr ergeben, den Trank zurück. Schlafsüchtig, war er stets schlaflos, und blieb fortwährend wach, obgleich er sich sehr dagegen sträubte und geflissentlich die Augen schloß, um sich von der Erinnerung an das, was seine Seele stachelte, zu befreien. Allein, die Erinnerung widerstrebt dem, der sie abzulegen sucht, auf das Beharrlichste. Daher schwebte ihm auch, wenn er die Augen schloß, das Bild seiner Leiden vor; und wenn ihn etwa der Schlummer beschlich, so war er im Traum noch unglücklicher daran; denn er sah vor Augen jenen Hügel, jene Stimmen, jene Hände, welche sich insgesammt für seinen Bruder erhoben; und wenn er gern aufstand, überdrüßig des argen Gesichtes, so wurden seine Ohren noch lange von dem Hall der Jubelnden umtönt; er konnte sich nicht ruhig halten, da sich sein Herz grämte, und wenn er hervortauchte aus dem Hause, so empfieng ihn Unglück: Aller Reden, Werke und Gesänge verherrlichten den Osiris, wie schön zu sehen, wie weise in seinen Reden der neue König, daß seine Seelengröße ohne Stolz, seine Sanftmuth ohne Wegwerfung sei. Er kehrte demnach wieder zurück und schloß sich ein, nicht wissend, wie er leben sollte, weder selbst, noch seine Frau, ein anderes entsetzliches Uebel, putzliebend, des Theaters und Marktes unersättlich, Aller Augen auf sich zu ziehen wünschend und meinend; weßhalb sie es auch für ein größeres Unglück hielt, daß ihr Mann bei der Königswahl durchgefallen; S. 92 denn sie meinte, so könnte sie vor dem Volke ihre Herrschaft in höherem Glanze zeigen und ihrer Macht in Weichlichkeit genießen. Und Typhos, obgleich schon ältlich, wurde von ihr gefesselt, wie ein Knäblein, welches das erstemal die Regungen der Liebe fühlt. Ein Unglück war einestheils für ihn die Scham vor dem Weibe, bei dem er sich gebrüstet, er werde die Oberherrschaft erlangen und gemeinschaftlich mit ihr walten. Sie war auch im Privatstande allgemein dafür bekannt, daß sie sich in den entgegengesetztesten Dingen hervorzuthun suche, sie, die weibischeste der Frauen, neuen Prunk zu ersinnen, sich zu zieren und ihrer Neigung zu fröhnen, und höchst verwegen, Μänneranschläge zu fassen und Versuche zu wagen, vielerlei betreibend und Neuerungen machend. Zu diesem und Anderm hatte sie sich mit Buhlerinnen und Schützlingen versehen, um lauter Gleichgesinnte zu haben und sich derselben nach ihrer Neigung zu Hause und außer dem Hause zu bedienen. Daß auch Osiris ein Frauengemach hatte, daran erinnerte sein Sohn, wenn man ihn sah, obgleich man seinen Sohn Oros selten sehen konnte ; denn Osiris glaubte, Eine Tugend des Weibes sei, daß weder ihr Körper, noch ihr Name die Schwelle des Vorhofes überschritte. Nicht einmal dieß, daß sie auf dem Gipfel des Glückes stand, konnte die Besonnene von der einmal angenommenen Lebensweise abbringen; ja sie barg sich noch mehr bei der Größe ihrer Macht. Auch er frohlockte nicht einmal, als sei er dadurch beglückter; ja er wußte, daß er, auch wenn er nicht dahin gelangt wäre, nicht minder glücklich seyn würde; denn dieses Glück schaffe sich ein jeder selbst, wenn er gut seyn wolle. Deßhalb kann man die Tugendhaften, mögen sie Einzelne oder Herrscher seyn, gleich heiterer Laune sehen; denn jedes Leben ist Stoff für Tugend. So wie wir es auf der Bühne an den Tragödienspielern wahrnehmen: wer seinen Vortrag herrlich gebildet hat, der S. 93 wird eben so gut den Kreon, wie den Telephos spielen, und das Purpurgewand unterscheidet sich nicht von den Bettlerlumpen, was die Kraft und Schönheit der Stimme und die Fesselung der Zuschauer durch den Wohllaut des Gesanges betrifft; ja er wird die Dienerin und die Herrin mit gleicher Grazie darstellen; und was er immer für eine Rolle übernimmt, daß er sie schön spiele, dieß fordert der Choregos des Schauspiels; so vertheilen Gott und Glück unter uns wie Rollen die Leben in dem großen Schauspiele der Welt; kein Leben ist besser oder schlechter, als das andere, sondern jeder gebraucht es, wie er kann. Der Tugendhafte kann allenthalben stets gut leben, mag er den Bettler, mag er den Alleinherrscher darstellen. Seine Rolle wird ihm nichts verschlagen; denn auch der Tragödienspieler würde sich lächerlich machen, wenn er die eine ablehnte, die andere übernähme; denn wenn er in der des alten Weibes Beifall erntet, so wird er bekränzt und ausgerufen, und, wenn er die des Königs schlecht spielt, ausgezischt und ausgepfiffen, manchmal auch mit Steinen geworfen. Kein Leben ist uns eigen, sondern mit fremden sind wir von außen umgeben; wir aber, die wir uns derselben im Innern bedienen, sie besser oder schlechter machend und darstellend, sind Wettkämpfer in lebenden Schauspielen. Daher kann man sie an- und ausziehen.

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Ägyptische Erzählungen über die Vorsehung
L'Égyptien ou De la providence Compare

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