15.
Wählend sie damit beschäftigt waren, kamen sie auf den Gedanken, die Herrschermacht an sich zu reißen, durch den Einfluß böser Dämonen, welche ihnen diese Art und Weise angaben und das Uebrige ganz offen veranstalteten, anwesend und umherwandelnd; denn unerträglich war es ihnen zu sehen, daß das ihrige ruhmlos vergehe, während die Weisheit in Achtung stand, die Gottesfurcht gedieh, verbannt die Ungerechtigkeit, heimisch die Eintracht war, und alle Tugenden blühten. Das Weinen war bei den Aegyptiern nur dem Namen nach übrig, Alles glückverheißend, Alles in Ordnung, indem der Staat, wie ein lebendiges Geschöpf, von dem Gesetze beseelt war und sich in ihm bewegte, und die Theile mit dem Ganzen zusammenstimmten. Dieß entflammt die Dämonen zur Wuth, an diesem haften sie, zu ihren Werkzeugen verwandte Menschen gebrauchend. Angezettelt wird das Unheil in zwei Frauengemächern. Der Heerführer der fremden Truppen hatte seinen Sitz in der Königsstadt, und er und seine Schaaren schienen den Aegyptiern zu dienen. Damals aber führten sie einen unglücklichen Krieg gegen einen Theil von ihnen, welcher abgefallen war, und manche Flecken Aegyptens waren schwer bedrängt worden, indem die Dämonen dadurch Anstalten zu ihrem Schauspiele trafen. Zu dessen Gattin ging bei Tage und bei Nacht die Gattin des Typhos und überzeugte leicht die ausländische und bethörte Alte durch ihre Kerkepische Verschmitztheit, S. 96 daß sie für sie besorgt sei und daß sie vorhersehe das Uebel, das sie treffen würde, wenn dem Osiris seine Unternehmungen nach Wunsche gingen, »denn er klagt über Verrätherei und glaubt, man kriege einen verabredeten Krieg, indem die Ausländer, im Einverständnisse die Heere theilten. Daher beschloß er, sagt sie, ihn mit aller Gewalt und List zurückzuführen, und, sobald er die Waffen niedergelegt, seiner Würde zu entsetzen, und ihn und dich und deine Kinder schmählich zu verderben; diese Edlen, die herrlichen Sprößlinge, auch diese beschloß er, ehe sie zu Jünglingen herangereift, zu tödten.« Zugleich pflegte sie zu weinen, unter dem Kinne berührend die Knäblein, Wohlwollen durch Mitleid heuchelnd. Die Skythische Alte wehklagte sogleich, meinend, sie sehe vor Augen das Unglück und leide es selbst. Jene aber erfüllte sie noch mit einem andern Schrecken, und täglich mit einem andern; ,sie erzählte ihr nämlich von geheimen Anschlägen, welche gegen sie gefaßt würden: das Skythenvolk würde gänzlich aus dem Lande vertrieben werden, und Osiris sei täglich damit beschäftigt, die Kriegsschaaren insgeheim vollzählig machend und übrigens dafür sorgend, daß die Aegyptier, wenn sie die Ausländer entweder getödtet oder vertrieben hätten, allein das Land bewohnten. Dieß werde sehr leicht seyn, wenn er ihren Befehlshaber durch Zusendung eines Handschreibens, zum Privatmann herabwürdigt und unter das Gesetz stellt. Hat er dieses bewirkt, so glaubt er mit den Uebrigen geringe Mühe zu haben. »Jetzt,« sagt sie, »weint Typhos zu Hause, denn euerer Sache ist er hold und als Staatsbeamter unterstützte er immer die Ausländer, durch die uns auch die Königswürde entging, weil sie zur Zeit der Ausrufung nicht zugegen waren. So könntet ihr jetzt der Aegyptier spotten und im Besitze ihrer Habe seyn, über euere Herren wie über Sklaven gebietend. Allein damals wurden wir von euch nicht unterstützt, und jetzt sind wir nicht S. 97 im Stande euch zu helfen. Ein Unglück ist es für uns, daß die Gefahren schon unseren Freunden drohen.« So überlistete sie die Alte und schreckte sie auf das Aeußerste, als wären sie unvermeidlich, und, als es ihr genügte, wendet sie einen andern Kunstgriff an, um von der Furcht die Ausländerin abzulenken, welche schon gelernt hatte, ihrer Leiterin zu folgen, ermuthigte sie allmählig und erfüllte sie mit Hoffnungen: »Aber groß,« sagte sie, »ist der Anschlag und es bedarf ungemeiner Kühnheit, um nicht unter Osiris zu stehen, — zu leben und nicht zu leben, wann er will.« Dunkel deutete sie zuerst die Empörung an; dann bezeichnete sie sie offner; dann unverhüllt, allmählig an die Erzählung, und das Wagstück sie gewöhnend, bis sie endlich die Eingeschüchterte zur Kühnheit entflammte, zeigend, daß Osiris Macht nichtig sei, wenn sie wollten; »denn das Gesetz,« sagte sie, »die Gewohnheit der Ehrenbezeigung, das Alte und Angestammte macht die Feigen von selbst zu Sklaven; wer aber die Zügel abwirft, findet sie schwach, und frei ist der Starke, wenn er sich nicht durch Gewohnheit schrecken läßt, was uns nicht begegnen wird, so lange ihr die Waffen führet, und Osiris nur den Göttern fleht, jetzt Gesandtschaften Bescheide giebt, jetzt Streitigkeiten entscheidet, jetzt mit etwas Anderm, was auf Frieden Bezug hat, sich beschäftigt. Nimmermehr, wenn wir gemeinschaftlich den Adel theilen und einführen, ihr aber euere Heldenarme gebraucht, wird Osiris irgend einem Skythen ein Leid zufügen. Ihr werdet keine gewaltige Neuerung machen, noch die Einrichtungen der Aegyptier verletzen, noch die Staats- Verfassung ändern, sondern weit besser gründen und ordnen, wenn ihr dem Typhos die Regierung verschafft, der gleicher Abkunft mit Osiris, aber älter und würdiger ist, über Aegypten zu herrschen. Daher ist es ganz unwahrscheinlich, daß sich die Aegyptier gegen euch erheben, da keine bedeutende Aenderung in der her- S. 98 kömmlichen Verfassung getroffen wird. Der Glanz der Herrschaft wird demnach uns; das Gute euch beschieden seyn, und ihr werdet euch an ganz Aegypten, wie an einem Tische, laben. Nur versprich mir, deinen Mann zu gewinnen! Du fürwahr,« sagte sie, »wirst ihn mit mir gewinnen.« So thaten sie; und als man seinen Heranzug meldete, sprachen einerseits bestellte Vorläufer ingeheim von jenem Anschlag, unter dem Scheine des Schweigens offener, als die, welche es laut sagten, verkündend, was sie zu verheimlichen schienen; andererseits erregten dunkle Briefe, zur Sicherheit rathend, Unruhe. Schon sagte auch mancher öffentlich, daß man sich vor Nachstellung sichern müsse; ein anderer deutlicher, und einer nach dem andern, lauter Anhänger des Typhos und Mitverschworne der Frauen. Und was dem Ganzen die Krone aufsetzte, entgegen gingen ihm die Frauen, die Urheberinnen des Schauspiels, und Typhos selbst, als begäbe er sich wegen etwas Andern aus der Stadt, kommt heimlich mit ihm zusammen, unterhandelt wegen der Herrschaft und räth ihm, sogleich Hand an das Werk zu legen, sollte auch die Königsstadt zugleich mit Osiris untergehen, dieß zugebend, weil ihm auch das übrige Aegypten genüge, — »und zugleich damit,« sagt er, »deine Krieger sich bereichern können durch die Unterjochung der gesegneten Stadt und des gemeinsamen Herdes der Angesehensten in Aegypten und durch die Plünderung der Schätze.« Jene verrieth ihm der treffliche Typhos aus Haß gegen die Einwohner wegen ihres Wohlwollens gegen Osiris. Der Skythe aber weigerte sich, es zu thun; denn er habe Ehrfurcht gegen die heilige Rathsversammlung, gegen das edle Volk und gegen die Stadtobrigkeiten. Selbst gegen Osiris, sagte er, ziehe er nicht aus freiem Antriebe, sondern nothgedrungen, da er ihm die Nothwendigkeit auferlegt habe, und wenn es gelinge, ihn zu besiegen, so werde er, wenn die Stadt gerettet werde und das S. 99 Land unverwüstet bleibe, es als Gewinn ansehen, daß kein größeres Uebel nothwendig gewesen.