11. Ammonius der Lange.
Sein genannter Schüler Ammonius hatte drei Brüder1 und zwei Schwestern. Diese waren alle von solcher Liebe zu Gott entflammt, daß sie gleich ihm in die Wüste gingen. Die Schwestern bauten sich ein eigenes Klösterlein; desgleichen auch die Brüder in angemessener Entfernung. Weil Ammonius überaus gelehrt war, wollten ihn die Bürger einer Stadt als Bischof haben. Sie kamen also zu dem seligen Timotheus und baten, daß er ihn weihe. Dieser sagte: "Führet ihn her, so will ich ihm die Hände auflegen." Sie zogen aus mit großem Gefolge, so daß er unmöglich entrinnen konnte. Da bat Ammonius und schwor, er wolle sich niemals weihen lassen noch aus der Wüste fortgehen. Weil aber jene nicht abließen, nahm er vor ihren Augen eine Schere, schnitt sich sein linkes Ohr bis auf die Wurzel ab und sagte: "Jetzt müßt ihr wenigstens daran glauben, daß ich gar nimmer Bischof werden kann; denn das Gesetz verbietet, jemand, dem ein Ohr abgeschnitten ist, die Priesterweihe zu spenden." Sie ließen ihn also frei, begaben sich zum Bischof zurück und erzählten, was sich ereignet hatte; doch dieser gab den Bescheid: "Jenes Gesetz mag bei den Juden in Geltung sein.2 Bringt ihn nur! Ist er würdig seinem Charakter nach, so will ich ihn weihen, auch wenn er keine Nase hatte. Da gingen sie wiederum hin und stellten die Bitte zum S. 340 zweiten Male. Ammonius aber tat den Schwur: "Zwingt ihr mich, so schneide ich mir die Zunge heraus." Da drangen sie nicht mehr weiter in ihn und gingen davon.
Auch folgendes Wunderbare wird von Ammonius erzählt: Regte sich die Fleischeslust, so gab er seinem Leibe keine Schonung und legte glühendes Eisen auf seine Glieder, so daß er mit Brandwunden ganz bedeckt wurde. Von Jugend auf bis an sein Ende genoß er Ungekochtes; außer Brot aß er nämlich nichts, das am Feuer zubereitet war. Altes und Neues Testament wußte dieser Mann auswendig und beschäftigte sich mit so großem Eifer mit den Schriften der gelehrten Männer Origenes, Didymus, Pierius3 und Stephanus, daß er nach dem Zeugnisse der Wüstenväter sechs Millionen4 las. Auch verstand er wie kein zweiter, den Brüdern in der Wüste Trost zu spenden. Der selige Euagrius, ein Mann des Geistes, der die Gabe der Unterscheidung besaß, rühmte von ihm: "Ich habe niemals einen Menschen gesehen, in dem jede Leidenschaft so gänzlich erstorben war."
[Später sah sich Ammonius gezwungen, nach Konstantinopel zu gehen …, er entschlief bald darauf und wurde bestattet in der sogenannten Rufinianischen Märtyrerkirche. Man sagt, an seinem Grabe finden alle Fieberkranken die Gesundheit.]
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Vgl. oben S. 23 [337]. ↩
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Lev 21,17: "Sage zu Aaron: Ein Mann von deinem Samen in ihren Geschlechtern, der einen Leibesfehler hat, soll seinem Gott die Opfergaben nicht darbringen." ↩
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P. wird zugleich mit Stephanus auch Kap. 55 genannt. P. war Priester der alexandrinischen Kirche, gest. nach 300. Wer dagegen jener Stephanus, ist zweifelhaft. ↩
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Es ist hier unmöglich etwas anderes zu denken als (xxx) = Zeilen. Nach (xxx) Zeilen wurde vielfach gerechnet und deren Zahl oft in den Werken selbst verzeichnet (ähnlich wie die Masora die Verse von Büchern des Alten Testamentes zählt [z.B. Genesis = 1534 Verse]). Nach (xxx) wurden auch die Abschreiber bezahlt. da wir (xxx) auch praktisch als Vers und Zeile, d.h. dem Umfang nach als ziemlich gleich betrachten dürfen, so wählen wir als Beispiel Homers Ilias. Diese zählt 15693 Verse. Runden wir ab aus Gründen der Einfachheit! Das gibt 400 Bücher vom Umfange der Ilias. ↩