8. Die Synode in Konstantinopel1
Als die Bischöfe angekommen waren, einhundertfünfzig an der Zahl, gab der Kaiser den Befehl, daß ihm niemand den großen Meletius zeigen solle; er wollte nämlich den Mann nach dem im Traume geschauten Bilde selbst herausfinden. Da nun jene ganze Schar der Bischöfe im Kaiserpalast sich eingefunden hatte, ließ er alle anderen beiseite und ging geradewegs auf den großen Meletius zu, und wie ein Sohn, der seinen Vater S. 271 herzlich liebt und nach langer Zeit sich wieder am Anblick desselben erfreut, so umarmte er ihn, küßte ihm die Augen und Lippen, die Brust und das Haupt und die Rechte, die ihm die Krone auf das Haupt gesetzt hatte. Dann teilte er auch das Gesicht mit, das er im Traume gesehen. Nachdem er dann auch die übrigen alle begrüßt hatte, forderte er sie auf, über die vorliegenden Gegenstände zu beraten wie Väter.
In jener Zeit weilte zu Konstantinopel der Mann, der zuletzt die Kirche von Nazianz geleitet hatte2. Er trat den arianischen Gotteslästerungen entgegen, nährte das Volk Gottes mit der evangelischen Lehre, wußte die außerhalb der Herde Umherirrenden zu gewinnen und von der verderbenbringenden (häretischen) Nahrung abzuziehen und so jene Herde aus einer kleinen zu einer großen zu machen. Als nun der heilige Meletius diesen Mann, den ganz göttlichen Gregorius, sah, bestätigte er ihn als Bischof von Konstantinopel, da er sehr wohl den Zweck kannte, den die Urheber des Kanons3 damit verfolgten; sie hatten nämlich die Versetzung (von einem Bischofssitz auf einen anderen) untersagt, um so jeden Anlaß zur Herrschsucht von vorne herein abzuschneiden. Kurze Zeit darauf ging der heilige Meletius zum schmerzlosen Leben hinüber, von allen, die des Wortes S. 272 mächtig waren, in herrlichen Leichenreden gefeiert. Der Bischof Timotheus von Alexandrien, der auf Petrus, den Erben der bischöflichen Würde des Athanasius, gefolgt war, weihte aber gegen den verehrungswürdigen Gregorius einen gewissen Maximus, einen Cyniker, nachdem er ihm sofort seine cynischen Haare geschoren hatte. Derselbe war zudem noch voll und eingenommen von dem trügerischen Geschwätz des Apollinaris4.
Doch waren die damals versammelten Bischöfe mit diesem unstatthaften Vorgehen nicht einverstanden. Es waren dieses aber Männer, die Beachtung verdienten, voll des göttlichen Eifers und voll der Weisheit: Helladius, der Nachfolger des großen Basilius, Gregorius und Petrus, die sich rühmen konnten, die gleichen Eltern zu haben wie Basilius, dann die Bischöfe Amphilochius von Lykaonien, Optimus von Pisidien und Diodorus von Cilicien. Ferner waren anwesend Pelagius von Laodicea, Eulogius von Edessa, Acacius und unser Isidor, Cyrillus von Jerusalem und Gelasius von Cäsarea in Palästina, der durch Gelehrsamkeit und Heiligkeit des Lebens sich auszeichnete, und noch sehr viele andere Helden der Tugend. Diese alle trennten sich damals von den Ägyptern und feierten ihre heiligen Zusammenkünfte mit dem großen Gregorius.
Allein der heilige Gregorius ermahnte sie, da sie zur Herstellung der Eintracht versammelt seien, möchten sie mehr auf das gute Einvernehmen untereinander achten als auf das einem einzelnen widerfahrene Unrecht. „Denn ich”, so sagte er, „werde nur von den so zahlreichen Sorgen befreit werden und die mir lieb gewordene Ruhe wieder erlangen, ihr aber werdet nach dem langen und schweren Kampfe den sehnlich erwünschten Frieden zurückerhalten. Es wäre ja doch höchst unvernünftig, wenn wir jetzt, nachdem wir kaum den S. 273 feindlichen Geschossen entgangen sind, uns selbst einander bekämpfen und so unsere eigenen Kräfte aufreiben wollten. Damit würden wir nur unseren Feinden eine Freude machen. Sucht euch also einen lobenswerten und verständigen Mann, der die schwere Last so vieler Sorgen auf sich nehmen und mit Leichtigkeit tragen kann, und diesen wählet dann zum Bischof!” Diesen Vorstellungen schenkten die edlen Bischöfe Gehör und weihten den Nektarius, einen Patrizier, geschmückt mit dem Adel der Geburt und glänzend in allen Arten von Tugenden, zum Bischof jener so großen Stadt5, den Maximus aber entkleideten sie als einen Schüler der unsinnigen Lehre des Apollinaris der hohepriesterlichen Würde und setzten ihn ab6. Hierauf erließen sie noch Bestimmungen über die kirchliche Zucht, erklärten, daß das in Nizäa aufgestellte Glaubensbekenntnis in Kraft bleiben solle, und kehrten endlich in ihre Heimat zurück.
Im folgenden Sommer kamen die meisten von ihnen abermals in jene Stadt, da kirchliche Bedürfnisse sie S. 274 neuerdings zu einer Versammlung dorthin riefen. Sie empfingen damals ein Synodalschreiben der Bischöfe des Abendlandes, das sie einlud, nach Rom zu kommen, da eine sehr große Synode daselbst gefeiert werden solle. Sie entschuldigten sich jedoch mit der weiten Reise, die doch keinen Gewinn bringen würde; sie schickten aber ein Schreiben, worin sie auf den Sturm hinwiesen, der gegen die Kirchen gewütet habe, und auf die Gleichgültigkeit anspielten, die jene demselben gegenüber an den Tag gelegt hätten. Sie nahmen in ihr Schreiben auch einen kurzen Abriß der apostolischen Lehre auf. Die entschiedene und weise Gesinnung der Verfasser wird jedoch am deutlichsten aus dem Briefe selbst zu ersehen sein.
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Im Jahre 381. ↩
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Theodoret berichtet in diesem Kapitel mehrfach ungenau. Gregor von Nazianz hatte vor dem Konzil von Konstantinopel (381) nicht die Kirche von Nazianz geleitet, sondern nur seinen Vater in der Leitung dieser Kirche unterstützt. Er war 372 von Basilius d. Gr. zum Bischof von Sasima geweiht worden, hat aber diesen „Fuhrmannsflecken” niemals betreten, sondern seinem Vater Gregor in der Verwaltung das Bistums Nazianz Hilfe geleistet. Nach dem Tode seiner Eltern (374) zog er sich nach Seleucia in Isaurien in die Einsamkeit zurück. Hier erhielt er nach der glückverheißenden Thronbesteigung des Kaisers Theodosius I. (379) einen Hilferuf der treugebliebenen Katholiken der Hauptstadt, deren Zahl infolge der Verfolgungen der letzten Zeit stark zusammengeschmolzen war. Gregor folgte dem Ruf, aber nur, um vorübergehende Hilfe zu leisten. Erst während des Konzils ließ er sich durch die dringenden Bitten des Kaisers und vieler Synodalbischöfe bewegen, die Würde und Bürde eines Bischofs der Hauptstadt definitiv auf sich zu nehmen. ↩
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Gemeint ist can. 15 der Synode von Nizäa. ↩
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Theodoret irrt auch hier in mehrfacher Beziehung: 1) fand die Weihe des heuchlerischen Philosophen Maximus nicht während des Konzils, sondern schon vor demselben statt; 2) wurde Maximus nicht durch den Bischof Timotheus von Alexandrien, sondern durch mehrere von dessen Vorgänger Petrus gesandte Bischöfe geweiht; und 3) dürfte der Vorwurf des Apollinarismus unbegründet sein. Vgl. Hefele, CG II ², 2 f. ↩
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Wenn Theodoret die Resignation des Gregor von Nazianz mit dem Ränkespiel des Maximus in Verbindung bringt, so ist auch das nicht richtig. Wohl war Gregor auch unmittelbar nach der hinterlistigen Weihe des Maximus entschlossen, die Hauptstadt zu verlassen, aber er ließ sich damals beschwichtigen und bewegen zu bleiben, um den Glauben an den Dreieinigen zu retten. Erst als während des Konzils die Wahl des antiochenischen Priesters Flavian zum Nachfolger des Meletius ihm auch den letzten Rest von Hoffnung auf Beilegung des meletianischen Schismas geraubt hatte (s. oben V 3, S. 265 A. 2 und unten V 24, S. 304) und als auch verschiedene, namentlich jüngere Bischöfe an seiner Erhebung auf den Stuhl von Konstantinopel Anstoß nahmen (mit Bezug auf can. 15 von Nizäa), da trat er eines Tages vor die Väter des Konzils und erklärte seine Abdankung, die von der Mehrheit der Synode auch angenommen wurde. Mit einer glänzenden Rede an die Bischöfe und das Volk nahm er Abschied von Konstantinopel. An seiner Stelle wurde Nektarius gewählt, bisher Prätor in Konstantinopel, ein sehr ehrwürdiger und rechtschaffener Mann, der aber noch nicht einmal getauft war. Vgl. Hefele, CG II ², 2. 8. ↩
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Vom Apollinarismus wird in can. 4 der Synode, der die Ungültigkeit der Weihe des Maximus ausspricht, nichts erwähnt. Hefele, a. a. O. S. 19 f. ↩