17. Verbannung und Rückkehr des heiligen Liberius
Der siegreiche Kämpfer für die Wahrheit begab sich also, wie befohlen, nach Thrazien. Zwei Jahre später kam Konstantius nach Rom. Da baten die Frauen der in Amt und Würden stehenden Römer ihre Männer inständig, sie möchten den Konstantius flehentlich ersuchen, daß er den Hirten seiner Herde zurückgebe, und sie fügten hinzu, wenn ihre Männer dieses nicht durchsetzten, würden sie dieselben verlassen und zu jenem großen Hirten hineilen. Diese antworteten jedoch, sie fürchteten den Zorn des Kaisers; „denn uns Männern wird er sicher nicht die geringste Nachsicht angedeihen lassen; wenn Ihr aber ihn bittet, Euch wird er ohne Zweifel Schonung zuteil werden lassen, und es wird eines von beiden geschehen: entweder er wird Euere Fürbitte gut aufnehmen oder, wenn er sich nicht erweichen läßt, wird er Euch doch ohne Strafe zurückschicken.“ Auf diesen Vorschlag gingen jene lobwürdigen Frauen ein und begaben sich in ihrem gewohnten reichen Schmuck zum Kaiser, damit er schon aus ihrer Kleidung ihren vornehmen Stand erkennen und ihnen Achtung und Schonung erweisen möchte. So traten sie also vor ihn hin und flehten ihn an, er möge doch Mitleid haben mit einer so großen Stadt, die ihres Hirten beraubt und den Angriffen der Wölfe schutzlos preisgegeben sei. Der Kaiser erwiderte, die Stadt bedürfe keines anderen Hirten; sie habe ja einen Hirten, der imstande sei, für sie zu sorgen. Es war nämlich nach dem großen Liberius einer von seinen Diakonen, Felix mit Namen, gewählt worden, der zwar das nizänische Glaubensbekenntnis unversehrt festhielt, aber mit den Gegnern desselben ohne Scheu Gemeinschaft unterhielt. Infolgedessen betrat keiner der Bewohner Roms das Gotteshaus, wenn er darin war. Das sagten auch jene Frauen dem S. 132 Kaiser. Hierdurch umgestimmt, gab dieser den Befehl, daß jener ganz ausgezeichnete Mann zurückkehren solle; es sollten aber dann beide Bischöfe gemeinsam miteinander die Kirche regieren. Als das betreffende Schreiben im Zirkus verlesen wurde, rief das Volk, die Entscheidung des Kaisers sei gerecht und billig; es seien ja auch die Zuschauer in zwei nach der Farbe benannte Parteien geteilt; da müsse nun der eine die Führung dieser, der andere die Leitung jener Partei übernehmen. Nachdem man so das Schreiben des Kaisers ins Lächerliche gezogen hatte, riefen alle einstimmig: „Ein Gott, ein Christus, ein Bischof!“ Das sind die Worte, die ich glaubte genau so, wie sie lauteten, wiedergeben zu sollen. Auf diesen von Gottesfurcht und Gerechtigkeitssinn zeugenden Ruf des christusliebenden Volkes hin durfte der vortreffliche Liberius wieder zurückkehren; Felix aber zog sich zurück und verlegte seinen Wohnsitz in eine andere Stadt1.
Ich habe vorstehendes Begebnis gleich im Anschluß an das Verfahren gegen die Bischöfe in Mailand berichten wollen, um so den Zusammenhang in der Erzählung zu wahren. Nunmehr aber will ich wieder zur Reihenfolge der Ereignisse zurückkehren.
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Wie Athanasius, Hilarius von Poitiers, Hieronymus und am bestimmtesten und ausführlichsten Sozomenus (HE IV, 15) berichten, hätte Liberius sich die Rückkehr aus dem Exil durch Unterzeichnung der dritten sirmischen Formel vom Jahre 358 erkauft. Diese Formel, eine Zusammenstellung früherer Synodalbeschlüsse, war zwar im ganzen orthodox, vermied aber das nizänische ὁμοούσιος [homoousios], das die Eusebianer immer als Deckmantel des Sabellianismus verdächtigten, und indem sie das Dekret der Synode von Antiochien gegen Paul von Samosata vom Jahre 268 erneuerte, lehnte sie den Ausdruck ὁμοούσιος [homoousios] geradezu ab. Liberius suchte jedoch seine Orthodoxie zu retten durch die Erklärung, daß jeder aus der Kirche ausgeschlossen sein solle, der nicht bekenne, daß der Sohn dem Vater dem Wesen nach und in allem ähnlich sei. — Vgl. zur „Liberiusfrage” Hefele CG I ², 681—696. Die neuere Literatur bei Funk-Bihlmeyer, KG 7 1921, 196. — Über Liberius und Felix vgl. Döllinger, Papstfabeln ² 1890, 126—145. Weitere Literatur bei Funk-Bihlmeyer 202 u. 196. ↩