VII. KAPITEL. Von der einen zusammengesetzten Hypostase des Gott-Logos.
Wir sagen also, die göttliche Hypostase des Gott-Logos präexistiere zeitlos und ewig als einfach und S. 129 nicht zusammengesetzt, ungeschaffen und unkörperlich, unsichtbar, ungreifbar, unumschrieben, alles besitzend, was der Vater hat, da ihm wesensgleich, durch die Art der Zeugung und die Beziehung (Relation) von der Hypostase des Vaters verschieden, vollkommen, niemals von der Hypostase des Vaters getrennt; in den letzten Zeiten aber habe das Wort, ohne sich vom väterlichen Schoße zu trennen, im Schoße der heiligen Jungfrau gewohnt, ohne umschrieben zu werden, ohne Samen, auf unbegreifliche Weise, wie er selbst weiß, und habe in seiner ewigen Hypostase aus der heiligen Jungfrau Fleisch angenommen.
In allem und über allem also war es, selbst als es im Schoße der heiligen Gottesgebärerin existierte. In ihr aber [war es] durch die Wirksamkeit der Fleischwerdung. Es ist also Fleisch geworden, es hat die Erstlinge unseres Teiges 1 angenommen, Fleisch, von einer vernünftigen und denkenden Seele belebt. Darum bildete die Hypostase des Gott-Logos selbst die Hypostase für das Fleisch, und aus der zuvor einfachen Hypostase des Logos (Wortes) entstand eine zusammengesetzte, zusammengesetzt aus zwei vollkommenen Naturen, Gottheit und Menschheit. Darum trägt sie sowohl die charakteristische und abgrenzende Eigentümlichkeit der göttlichen Sohnschaft des Gott-Logos an sich, wonach sie vom Vater und vom Geiste unterschieden ist, als auch die charakteristischen und abgrenzenden Eigentümlichkeiten des Fleisches, wonach sie von der Mutter und den übrigen Menschen verschieden ist. Sie trägt aber auch die Eigentümlichkeiten der göttlichen Natur an sich, wonach sie mit dem Vater und dem Geiste geeint ist, und die Kennzeichen der menschlichen Natur, wonach sie mit der Mutter und uns vereint ist. Außerdem unterscheidet sie sich sowohl vom Vater und vom Geiste als auch von der Mutter und uns dadurch, daß der nämliche zugleich Gott und Mensch ist. Denn das S. 130 erkennen wir als die eigentümlichste Eigenheit der Hypostase Christi.
Daher bekennen wir ihn denn als den einzigen Gottessohn auch nach der Menschwerdung und den nämlichen als Menschensohn, einen Christus, einen Herrn, den alleinigen eingeborenen Sohn und Logos Gottes, Jesum, unsern Herrn. Wir verehren bei ihm eine doppelte Geburt: eine aus dem Vater vor aller Zeit, über Ursache und Begriff, Zeit und Natur erhaben, und eine in den letzten Zeiten wegen uns, gemäß uns und über uns. Wegen uns, weil um unseres Heiles willen; gemäß uns, weil er aus dem Weibe und in der Zeit der Schwangerschaft Mensch geworden ist; über uns, weil er nicht aus Samen, sondern aus dem Hl. Geiste und der heiligen Jungfrau Maria über dem Gesetz der Schwangerschaft [Mensch geworden ist]. Wir verkünden ihn nicht als bloßen Gott, der nicht dieselbe Menschheit wie wir besäße, noch auch als bloßen Menschen, indem wir ihn der Gottheit entkleiden; nicht als den einen und den andern, sondern als einen und denselben, als Gott und Mensch zugleich, vollkommenen Gott und vollkommenen Menschen, ganzen Gott und ganzen Menschen, denselben als ganzen Gott auch mit seinem Fleisch und als ganzen Menschen auch mit seiner übergöttlichen Gottheit. Mit dem Ausdruck „vollkommener Gott und vollkommener Mensch“ bezeichnen wir die Vollständigkeit und Unversehrtheit der Naturen. Mit dem Ausdruck „ganzer Gott und ganzer Mensch“ weisen wir auf die Einzigkeit und Ungeteiltheit der Hypostase hin.
Wir bekennen aber auch „eine einzige fleischgewordene Natur des Gott-Logos“. Wir bezeichnen nach dem seligen Cyrillus 2 mit dem Ausdruck „fleischgeworden“ die Wesenheit des Fleisches. Es ist also das Wort Fleisch geworden und hat seine Immaterialität nicht verloren und es ist ganz Fleisch geworden und ist ganz unumgrenzt. Dem Körper nach wird es klein und zieht sich zusammen, der Gottheit nach aber ist es unumgrenzt, da sein Fleisch sich nicht zugleich mit seiner unumgrenzten Gottheit ausdehnt.
S. 131 Ganz also ist es (═ das Wort) vollkommener Gott, aber nicht das Ganze ist Gott. Denn es ist nicht bloß Gott, sondern auch Mensch. Und ganz ist es vollkommener Mensch, aber nicht das Ganze ist Mensch. Es ist ja nicht bloß Mensch, sondern auch Gott. Denn „das Ganze“ bezeichnet die Natur, „der Ganze“ aber die Hypostase, wie „das andere“ die Natur, „der andere“ aber die Hypostase.
Das jedoch muß klar sein. Wir sagen zwar, die Naturen des Herrn durchdringen sich gegenseitig, gleichwohl aber wissen wir, daß die Durchdringung von Seiten der göttlichen Natur geschehen ist. Denn diese geht, wie sie will, durch alles hindurch und durchdringt es, durch sie aber [geht] nichts. Und diese teilt ihre Vorzüge dem Fleische mit, selbst aber bleibt sie unaffiziert und hat an den Affektionen des Fleisches nicht teil. Die Sonne teilt uns ihre Kräfte mit, allein die unsrigen genießt sie nicht. Um wieviel mehr gilt das vom Schöpfer und Herrn der Sonne!