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Works Peter Chrysologus (380-450) Ausgewählte Predigten (BKV)
IV. Vorträge über das Johannes-Evangelium

Fünfundvierzigster Vortrag: Über die Stelle: "Schon dämmerte der Morgen, da stand Jesus am Ufer. Aber seine Jünger wußten nicht, dass es Jesus war..." bis: "und zogen das Netz mit den Fischen." Joh 21,4-8

Nach jenem Leidensstirm des Herrn, wie ihn die Erde noch nie erlebt, vor welchem die Himmel erzitterten, wie er in der Welt unerhört war, den die Unterwelt nicht ertragen konnte, kam der Herr zum Meere und fand seine Jünger hin und her treibend in nächtlicher Finsternis. Denn was bleibt von dem Glanze des Mondes, wenndie Sonne entflohen ist? Was bleibt der Nacht noch an tröstendem Lichte bei dem Schein der Sterne? Denn es war nur eine einzige schwarze1 und undurchdringbare Finsternis [in ihnen], weil sie2 nicht nur ihnen das S. 249Licht des Leibes, sondern auch das Auge des Geistes verdunkelte. Die Schiffer konnten nicht den Hafen des Glaubens, den Hort der Rettung aufsuchen noch erreichen. "Schon dämmerte der Morgen", sagt der Evangelist, " da stand Jesus am Ufer. Aber seine Jünger wußten nicht, dass es Jesus war"3 . Bei der Verhöhnung des Schöpfers war die ganze Schöpfung geflohen4 ; dem Tode des Herrn suchte die Welt zu entgehen; wußte sie doch, dass das ganze [Welt]gebäude die Rache ereilen würde, wo durch die Schandtat der Knechte der Herr getötet war. Das war also der Grund, warum die Erde erbebte, als ihr Fundament unter ihr wich; dass die Sonne floh, um es nicht zu sehen; dass der Tag entwich, um nicht Zeuge zu sein; dass die Felsen, die aus sich nicht sich teilen konnten, durch unerhörte Wunden auseinandergerissen wurden, nur durch ihr Getöse die Schandtat verurteilend, weil sie durch ihre lebendige Stimme es nicht vermochten5 .

Daher kam es, dass die Unterwelt, als sie den Richter selbst zu sich hinabsteigen sah, besiegt und unter Knirschen ihre Gefangenen losgab; daher kam es, dass die Seelen, die ihren Körpern wieder zurückgegeben wurden6 , den Lebenden verkündeten, dass die Toten wieder auferstehen würden7 , von denen die Welt geglaubt hatte, dass sie verlorengegangen seien. Während so das ganze Weltgebäude unter dem Umsturz der Ordnung erschüttert ward und sich zur vorweltlichen Finsternis8 und zum alten Chaos9 durch den Tod des Schöpfers sich zurückgeschleudert glaubte, führt plötzlich der Herr den Tag wieder zurück durch das Licht seiner Auferstehung und erneuert den ganzen Erdkreis wieder in seine frühere Gestalt, damit er ihn, da er ihn S. 250mit sich hatte leiden sehen, auch mit sich auferweckte zur Herrlichkeit, wie der Evangelist sagt: "Schon dämmerte der Morgen", d. h. als die Nacht des Leidens des Herrn vorüber war. "Da stand Jesus am Ufer",um das Weltall zu seinem früheren Glanze zurückzurufen, um zu sichern, was unsicher, festzufügen, was gelockert, in Ordnung zu bringen, was in Verwirrung geraten war, um durch sein Stehen10 die Fundamente des Weltalls, die so erschüttert waren, wieder zu festigen, damit die Welt wieder zurückkehren sollte zum Dienste ihres Schöpfers, wie sie geflohen war bei seiner Verhöhnung. "Schon dämmerte der Morgen, da stand Jesus am Ufer." Er wollte insbesondere die Kirche, in der die Jünger damals von wilden Fluten hin und her geworfen wurden, zu treuem Feststehen im Glauben zurückführen. Und weil er sie von der Glaubenskraft verlassen gefunden, weil er sie vollständig bar gefunden hatte von menschlicher Stärke, schalt er sie, indem er sie "Kinder" nannte und sprach: "Kinder, habt ihr nicht etwas zu essen?"11 . Da12 war ja Petrus, der ihn verleugnet hatte13 ; da war ja Thomas, der gezweifelt hatte14 ; da war ja Johannes, der geflohen war15 . Nicht also wie todesmutige Soldaten, sondern wie furchtsame Kinder redet er sie an, und weil er sie noch nicht einmal jetzt zum Kampfe gerichtet findet, redet er sie wie zarte Kinder an, lädt sie zu Tische ein, indem er spricht: "Kinder, habt ihr nicht etwas zu essen?"

Das menschliche Gebaren sollte sie zur Gnade, das Brot zum Vertrauen, die Zuspeise16 zur Überzeugung zurückrufen. Denn sie würden nicht an seine leibliche Auferstehung glauben, wenn sie ihn nicht ganz nach Menschenart essen sehen würden. Deshalb verlangt er nach einer Nahrung, er, die S. 251volle Sättigung der Welt; er, der selbst "das Brot"17 ist, ißt, nicht weil er nach der Speise, sondern nach der Liebe der Seinigen hungert. "Kinder, habt ihr nicht etwas zu essen? Sie antworteten: 'Nein'"18 . Was auch sollten sie haben, da sie Christum noch nicht hatten, obschon er bei ihnen saß, da sie den Herrn, der vor ihnen stand, bis dahin noch nicht mit ihren Augen sahen? Denn "die Jünger wußten nicht, dass es Jesus war". "Er sprach zu ihnen: 'Werfet das Netz auf der rechten Seite des Schiffes aus, so werdet ihr etwas finden'"19 . Er erinnerte sie wieder an die rechte Seite, da sie der Sturm des Leidens gebracht und getrieben hatte auf die linke Seite. "Sie warfen es aus", heißt es, "und vermochten es wegen der Menge der Fische nicht mehr zu ziehen"20 . Sie warfen es zur Rechten aus; sie warfen es nach der Seite des Mannes; aber wie die Kinder konnten sie es nicht ziehen. Gleichwohl fühlen sie an der Last, sie merken, dass die Fische sich darein gefangen hatten auf eines Befehlenden Machtwort, nicht aber, dass sie in das Netz eingegangen waren durch menschlichen, künstlichen Fang. "Da sagte der Jünger, den Jesus lieb hatte: 'Der Herr ist es'21 . Zuerst erkennt ihn den, den er lieb hatte, weil immer das Auge der Liebe schärfer sieht und immer lebhafter der empfindet, welcher liebt. "Als Petrus hörte." Was hatte denn den Petrus in seinem Herzen so zaghaft gemacht, dass er von einem andern erst hören mußte, es sei der Herr, er, der doch sonst es den andern mitteilte? Wo bleibt denn jenes herrliche Wort: "Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes"?22 . Wo bleibt das Wort? Im Hause des Kaiphas, des Hohenpriesters der Juden, war es davongeflogen; zu spät sah er den Herrn23 , er, der auf die Stimme des flüsternden Weibes hörte!24 .

S. 252"Als er hörte, dass es der Herr sei", heißt es, "gürtete er sich das Obergewand um: denn er war ohne Oberkleid"25 . Soll uns das nicht wundernehmen, Brüder? Als der Herr gefangen wurde, warf Johannes sein Leintuch weg26 , und nun wird Petrus ohne Oberkleid befunden! Den Johannes deckte die Flucht, den Petrus enblößte die Verleugnung! Es ist auffallend, Brüder, und in der Tat wunderbar:denn er, der in dem Schiffe entblößt ist, legt sich Kleider an, als er sich in den See stürzte! Denn die Unschuld fühlt sich niemals nackt, und nur der Schuldbewußte nimmt seine Zuflucht stets zur Bekleidung! Deshalb sucht auch Petrus, wie Adam27 nun wegen seines Schuldbewußtseins seine Blöße zu bedecken, wo sie doch beide vorher bekleidet waren vor ihrer Freveltat mit heiliger Unschuld. "Er gürtet sich das Oberkleid um und stürzt sich in den See"28 , damit das Wasser des Sees abwasche, was die Verleugnung so schändlich befleckt hatte. "Er stürzte sich in den See", um bei der Rückkehr der erste zu sein, er, der ja nach der Anordnung [des Herrn] den ersten Platz erhalten hatte. "Er gürtete sich das Obergewand um", er, der umgürtet werden sollte mit dem Leiden des Martyriums , wie der Herr gesagt hatte: "Ein anderer wird dich gürten und ein anderer wird dich führen, wohin du nicht willst"29 . "Die anderen Jünger folgten ihm im Schiffe; denn sie waren nicht weit vom Lande, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen"30 . Die anderen Jünger kamen im Schiffe ihm nach und zogen die gefangenen Fische nach sich, um die Kirche, die hin und her geworfen wird durch die Stürme der Zeit, und diejenigen, die sie durch das Netz des Evangeliums an S. 253sich ziehen und emporheben zum Lichte des Himmels, in glaubensinniger Arbeit mit sich zum Herrn zu führen. "Denn", heißt es, "sie waren nicht weit vom Lande." Sie waren nicht weit vom Lande der Lebenden, sie, die das Ende des gegenwärtigen Lebens schon in die Nähe des zukünftigen geführt hatte. "Nur etwa zweihundert Ellen". Aus Juden und Heiden verdoppelt er die Hundertzahl, indem er das Leben und das Heil zweier Völker verbindet. Den noch übrigen Teil der Lesung wollen wir unter dem Beistande des Herrn in einer folgenden Predigt behandeln.


  1. es ist tetra statt terra bei Mignme zu lesen ↩

  2. gemeint ist die Nacht der Zweifelsgedanken der Jünger ↩

  3. Joh 21,4 ↩

  4. Chrysologus meint die ausfallenden Naturereignisse beim Tode Jesu ↩

  5. Lk 23,44 ↩

  6. es ist redditae statt res ditae zu lesen ↩

  7. Mt 27,52f. ↩

  8. Gen 1,2 ↩

  9. ebd ↩

  10. statione sua ↩

  11. Joh 21,5 ↩

  12. ebd 21,2 ↩

  13. Mt 26,69ff ↩

  14. Joh 20,25 ↩

  15. Mk 14,51f. ↩

  16. pulmentarium, im Griech. prosphagion genannt ↩

  17. vgl. Joh 6,41 ↩

  18. Joh 21,5 ↩

  19. ebd 21,6 ↩

  20. Joh 21,6 ↩

  21. Joh 21,7 ↩

  22. Mt 16,16 ↩

  23. Lk 22,61 ↩

  24. ebd 22,56 ↩

  25. Joh 21,7 ↩

  26. Mk 14,51f. ↩

  27. Gen 3,8 ↩

  28. Joh 21,7 ↩

  29. Joh 21,18 ↩

  30. ebd 21,8 ↩

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