Einundfünfzigster Vortrag: Über die Stelle: „Ich tue euch aber, Brüder, das Evangelium kund, das ich euch predigte, das ihr auch annahmt, worin ihr auch beharrt...“ bis: „dass er am dritten Tage den Schriften gemäß auferstanden ist.“ 1 Kor 15,1-4
Da die ganze Hoffnung des christlichen Glaubens auf der Auferstehung der Toten beruht, haben wir euch, damit niemand daran zu zweifeln wage, die ausführliche Lesung des hl. Paulus vortragen lassen, der sie beweist durch seine Autorität, durch Tatsachen und Beispiele.[und zwar so,] dass unser Vortrag nichts hinzuzusetzen ausfindig machen kann. Weil aber eure Liebe immer verlangt die Erfüllung unseres [Lehr]Amtes, so wollen wir uns bemühen, aus Begeisterung für die Auferstehung diese Worte zu wiederholen und sie euch noch tiefer einzuprägen. Brüder! Immer ist es uns lieb, über die Auferstehung zu sprechen, immer auch ist es angenehm, von der Auferstehung zu hören, weil man niemals gerne stirbt, sondern immer zu leben verlangt. Darum soll immer in unserem Munde das Wort „Auferstehung“ S. 278widerhallen, und unaufhörlich klinge hinüber das Wort „Auferstehung“ an euer Ohr, damit der Tod, der ständig unsern Geist bedrängt, mit seinen Schrecken und seinen Klagen von unserem Geiste fliehe! Denn auch der Landmann singt von üppigen Saaten und von gefüllter Tafel, um nicht mehr zu fühlen die große Mühe und den vielen Schweiß! So singt der Schiffer von Hafen und Gewinn, um nicht mehr zu fürchten das Grab der Wellen und die Gefahren der Meeres! So läßt der Krieger ertönen Beute und Siegeslieder, um nicht mehr zu beben vor den Wunden, um nicht mehr zu fürchten das Schwert! Darum soll der Christ mit Geist, Mund und Augen schauen, besingen und betrachten die Auferstehung, damit er verachten und niedertreten könne alle Todesfurcht! Der Tod, Brüder, ist der Herr der Verzweiflung, der Vater des Unglaubens, der Bruder der Verwesung, der Urheber der Hölle, der Gatte des Teufels1 , der König aller Übel, der das ganze Menschengeschlecht unaufhörlich bekämpft, indem er als seinen „Stimmungsmacher“2 zuerst die Verzweiflung vorausschickt, die dem Menschen also flüsternd vorredet: „Mensch, warum vergeudest du deine Tage? Siehe, der Tod, dein Herr, kommt, um dein Leben in Nichts aufzulösen, dein Fleisch durch Verfaulen, deine Gebeine durch Vermodern zu zersetzen, um dich, der du vor deiner Geburt nicht warst, auch wieder in das Nichts zurückzuversetzen nach dem Tode. Leiste also [dem Leben] ab, was du ihm schuldest vor dem Tode, denn bald wirst du sterben, sterben dir und deinem Leben: gönne dem Kinde das Spiel, dem Jüngling das Vergnügen, dem jungen Manne den Genuß, den Greis dann überlaß mir, damit du nicht grundlos noch hoffest, wo du der Hoffnung ganz beraubt bist!
Nach der Verzweiflung schickt er dann seinen Sohn, den Unglauben, der also drohend spricht: “[Glaubst du vielleicht,] du würdest nicht sterben, du könntest dem Tode entrinnen, da du so über dein Leben verfügst? Mensch, dein Glaube täuscht dich, du verlässest dich auf S. 279einen Glauben, der dir etwas in der Zukunft verspricht, um dir zu nehmen, was du in der Gegenwart besitzest, der dir ich weiß nicht welche unsichtbaren Dinge nach dem Tode verheißt, um dir zu rauben, was du vor dem Tode genießest! Wer kam denn je von dort zurück3 , und welcher vernünmftige Mensch glaubt denn den jahrhundertelang gegebenen, aber nie erfüllten Versprechungen? Oh, so iß dich und lebe! 'Iß und trink, denn morgen wirst du sterben!„4 . An dritter Stelle führt er den Bruder seiner Bosheit, die Verwesung, herbei und mit solcher Wut, dass sie das Antlitz des Menschen erfaßt, ergreift und erfüllt: sie zeigt ihm in den Gräbern den letzten Kerker, sie belehrt ihn, dass dort alle ihr verfallenen Opfer regungslos liegen müssen. Und um den Menschen und die Sinne des Menschen ganz mit Schrecken und Entsetzen zu verwirren, gießt sie aus den Gestank der Fäulnis, wirft den Eiter aus, breitet aus den Modergruch und höhnt noch, dass er von sich unzählige fressende Würmer für den einen Menschen abgegeben habe. Warum sollten da die Christen sich nicht der Verzweiflung und dem Unglauben überlassen? Das sind die Kämpfe des Todes: mit diesen Führern, mit solchen Anschlägen und solchen Anfechtungen nimmt er gefangen, zerstört und tötet er alle, die die Natur in dieses zeitliche Leben führt; er rafft hinweg die Könige, wie er die Völker fortreißt, wie er die Nationen dem Untergange weiht; nicht der Reichtum kann ihn erkaufen noch das Flehen ihn beugen noch die Tränen erweichen, keine Kraft kann ihn überwinden! Die haben sich getäuscht, Brüder, die über “das Gut des Todes„ zu schreiben sich unterfingen!5
Nimmt euch das wunder? Denn dann dünken sich die Weisen groß und berühmt, wenn sie das, was das größte Übel ist, den Einfältigen als das höchste Gut einreden wollen. Mit Recht sagt darum auch von ihnen die Hl. Schrift: “Wehe S. 280denen, die das Gute böse und das Böse gut nennen! Wehe denen, die die Finsternis zum Lichte, das Licht zur Finsternis stempeln!„6 . Und in der Tat: Wen haben jene nicht getäuscht, wen haben sie nicht verblendet, die sich bemühten, den Unklugen glaubhaft zu machen, dass das Leben sei ein Übel, das Sterben ein Gut? Doch dies, Brüder, zerstört die Wahrheit, das Licht vertreibt solche Reden, der Glaube bestreitet es; der Apostel geißelt solche Lehren. Christus vernichtet sie, indem er dadurch, dass er das Gut des Lebens wieder gibt, den Tod als ein Übel kennzeichnet, verurteilt und verbannt. Denn so hebt der Apostel an: “Ich tue euch aber, Brüder, das Evangelium kund, das ich euch predigte, das ihr auch annahmt, worin ihr auch beharrt, durch das ihr auch gerettet werdet, wofern ihr euch so daran haltet, wie ich es euch predigte, es wäre denn, dass ihr vergebens geglaubt hättet. Denn ich überlieferte euch vor allem, was ich auch vernahm, dass Christus für unsere Sünden starb, und dass er begraben wurde und dass er am dritten Tage auferstanden ist den Schriften gemäß„7 . Gottes Güte bereichert nur den, der siegen, nicht den, der sterben wird. Oder was empfängt er an Gutem, wenn er, der empfängt nicht mehr lebt?8 . “Indem ihr auch beharrt.„ Beharren wird, wer immer lebt, weil der Tote für immer darniederliegt. “Durch das ihr auch gerettet werdet.„ Wer stirbt, geht zugrunde; gerettet wird aber, wer ewig lebt! “Wofern ihr euch so daran haltet, wie ich es euch predigte, es sei denn, dass ihr vergebens geglaubt hättet.„ Brüder! Nicht nur vergebens geglaubt, sondern auch vergebens gelebt hat derjenige, der sich nur dafür geboren glaubt, dass er untergehe. Mensch, was geht dir auf, was nicht auch wieder untergeht? Und was erhebt sich nicht für dich, was dir S. 281untergegangen ist? Der Tag geht am Morgen auf, und wiederum geht er auf am Morgen;9 am Abend wird er begraben in [dem Grabe] der Nacht, und wiederum erhebt er sich am Morgen. Die Sonne wird täglich geboren, täglich stirbt sie, und täglich ersteht sie wieder. Die Zeiten gehen unter, indem sie vorüberziehen; sie leben wieder auf, indem sie wiederkehren.
Wenn du, Mensch, darum Gott nicht glauben, dem Gesetze nicht zustimmen, dieser Botschaft nicht trauen willst, dann glaube doch deinen Augen, pflichte doch bei den Elementen, die dir ständig die Auferstehung predigen! Gewiß, wenn auch dies alles, was vor dir liegt, weit unter dir steht, und doch durch deine Tat von dem Tode gleichsam auferweckt wird, so soll dich das alles lehren, dass auch du durch das Werk Gottes auferweckt werden kannst. Gehe bei dem Samenkorn in die Schule, wie der Apostel dich lehrt10 ; betrachte das Weizenkorn, das vertrocknet ist ohne Empfindung, ohne Bewegung, ziehe eine Furche, grabe auf die Erde, mache eine Grube, begrabe das Weizenkorn und sieh' dann, wie es untergeht im Tode, wie es anschwillt durch die Feuchtigkeit [des Bodens], wie es in Fäulnis übergeht. Und wenn er ganz dahin gelangt ist [ganz gestorben ist], was dir eben Verzweiflung, Unglauben und Verwesung einzureden versuchte, dann lebt es plötzlich im Keime wieder auf, wächst heran im Kraut, erstarkt im Halm. reift in der Frucht und erhebt sich zu jener vollen Schönheit und Gestalt, die du schon als untergegangen beklagtest! So will das Weizenkorn dich, Mensch, nicht so sehr zum Essen als zur Erkenntnis führen, nicht so sehr dich anhalten zur Arbeit als zum Glauben“ Was noch übrig ist [von der Lesung], wollen wir übergehen; denn woher und wann und wie und durch wen der Tod gekommen ist, macht uns der heilige S. 282Apostel vollkommen und mit genügender Klarheit durch sein Gotteswort kund. Mensch, glaube! denn umsonst erhältst du ihn; glaube an die Auferstehung! denn der sie dir verspricht, erheischt von dir keine Gegenleistung!
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diaboli conjux ↩
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susurratricem ↩
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vgl. Wh 2,1 ↩
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Is 22,13; 1 Kor 15,32 ↩
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Wie die Prediger der Verzweiflung und des übersättigten Lebensgenusses zur Zeit des sinkenden Römerreiches getan haben, so die Epikureer und Stoiker. ↩
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Is 5,20 ↩
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1 Kor 15,14 ↩
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Der Redner meint Christus oder den Menschen, der auferstehen wird. Die Ausdrucksweise ist sehr gedrängt ↩
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M. E. wird dieser zweite Teil des Satzes fehlen müssen da er in dem folgenden sich wörtlich wiederfindet. ↩
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vgl. 1 Kor 15,36f. ↩